Jahresrückblick

Ein Virus verändert Tirol

Das Coronavirus hat den Alltag und die Nachrichten 2020 fest im Griff gehabt. Von einer Randmeldung über eine mysteriöse Krankheit in China wurde das Coronavirus zum weltweit dominierenden Thema des Jahres. Als einer der ersten „Corona-Hotspots“ geriet Tirol auch international schnell in den Fokus.

Anfang des Jahres tauchte in China eine bisher unbekannte Krankheit auf. Lange war das kein großes Thema: Der China-Korrespondent des ORF, Josef Dollinger, notierte noch am 3. Jänner: „Kein besonders aufregender Tag für China-Korrespondenten. Peking erhöht den Druck auf Taiwan, in einer Woche wird dort gewählt. Der Handelskrieg mit den USA geht weiter, und Chinas Präsident Xi Jinping lädt Zentral- und Osteuropa zum 17+1-Gipfel Mitte April nach Peking. Und noch etwas: In Zentralchina ist eine etwas rätselhafte Krankheit aufgetaucht."

Die erste Meldung über Corona in der Zeit im Bild
ORF
Am 19. Jänner wurde in der „Zeit im Bild“ thematisiert, dass das Ausmaß der neuen Krankheit größer als bisher angenommen ist

Erste Fälle in Tirol

Das Virus breitete sich in China weiter aus, Tage später war es in Österreich allerdings nicht mehr als eine kurze Meldung in den Nachrichten. Im Februar stiegen die Zahlen der Covid-Infizierten in Italien rasch an, die Folgen des Virus brachten das Gesundheitswesen an seine Grenzen – mehr dazu in Corona: Südtirol schließt Uni und Horte. Das sorgte erstmals auch in Tirol für Bedenken, das Virus war damit plötzlich in eine bedrohliche Nähe gerückt.

Am 25. Februar wurde das Virus in Tirol und damit erstmals in Österreich festgestellt. Ein junges Paar kehrte aus der Lombardei nach Tirol zurück und zeigte Symptome – mehr dazu in Erster Coronavirus-Fall ist Paar aus Italien. Die beiden Betroffenen wurden an der Klinik Innsbruck aufgenommen. Erstmals tagte der Corona-Einsatzstab des Landes, Maßnahmen und Folgen wurden beschlossen.

Erste Corona-Fälle in Tirol

Am 25. Februar wurden die ersten beiden Corona-Fälle in Tirol bekannt. Die Tiroler Behörden zeigten sich damals optimistisch.

Ungewollte Aufmerksamkeit für Ischgl

Die Zahl der Infizierten stieg weltweit, und auch in Österreich konnte die Ausbreitung des Coronavirus nicht gestoppt werden. Es dauerte nicht lange, da landete ein Tiroler Ort im weltweiten Fokus: In Ischgl steckten sich viele Menschen in den Après-Ski-Bars an. Lange blieben die Bars trotzdem geöffnet, erst Anfang März hatte das Partyleben in Ischgl ein Ende – Land sperrt Apres-Ski-Lokale in Ischgl.

Touristen verlassen St. Anton auf dem Fußweg
APA/EXPA/ERICH SPIESS
Auch zu Fuß versuchten viele Urlauberinnen und Urlauber, die gesperrten Gebiete zu verlassen

Ein überraschender Schritt der Bundesregierung löste schließlich Chaos aus: Am Freitag, den 13. März, wurden das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt. Das verkündete die Bundesregierung live in einer Pressekonferenz. Die Nachricht von der Quarantäne verbreitete sich in kürzester Zeit, tausende Urlauber reisten in Panik ab. Die Bilder dazu gingen um die Welt und sorgten für viel Kritik an Ischgl und an den Tiroler Behörden – Chronologie der Ereignisse in Ischgl.

Zuhause bleiben per Verordnung

Auch außerhalb des Paznauntals änderte sich das Leben Mitte März stark: Österreich ging in den Lockdown. Unterricht fand nur mehr online statt, Veranstaltungen wurden abgesagt, wer konnte, arbeitete von zuhause. Tirol ging noch einen strengeren Weg: Wegen der deutlich höheren Covid-Infektionszahlen als im Rest Österreichs wurden am 18. März alle Tiroler Gemeinden unter Quarantäne gestellt – mehr dazu in Alle Tiroler Gemeinden unter Quarantäne.

Durch die Pandemie wurden zum ersten Mal auch die Grenzen innerhalb der EU wieder spürbar. An den Grenzen zu Deutschland, Italien und der Schweiz wurde kontrolliert, Grenzübertritte waren plötzlich nur mehr mit triftigem Grund möglich – mehr dazu in
Lückenlose Grenzkontrollen starten. Das sorgte dafür, dass sich viele Familien und Freunde über Monate hinweg nicht persönlich sehen konnten.

Besuch mit Abstand

Auch das Besuchen der Großeltern oder Eltern in Alten- und Pflegeheimen veränderte sich. Um die Risikogruppe zu schützen, waren lange Zeit nur Besuche mit viel Abstand möglich.

Ausweichen in die virtuelle Welt

Das Leben musste durch die Pandemie neu organisiert werden. Hier spielte das Internet eine entscheidende Rolle: Gerichtsverhandlungen wurden mittels Videokonferenz durchgeführt, private Treffen wurden ins Netz verlagert, Sportkurse und Konzerte wurden online übertragen, Restaurants setzten auf Lieferservice, auch kleine Geschäfte setzten auf den Onlinehandel. Das Abstandhalten stand bei all dem im Vordergrund.

Babyelefant beim Skitourengehen
Collective Mountains
Das Abstandhalten mit dem vielzitierten „Babyelefanten“ sorgte auch für kreative Ideen

Aufatmen im Frühjahr

Die strengen Maßnahmen zeigten im April Wirkung: Die Lage beruhigte sich, die Zahl der Corona-Infizierten sank. Der Handel durfte wieder öffnen, die Gastronomie sperrte wieder auf, und die Schülerinnen und Schüler kehrten zurück in die Klassenzimmer. Die Erleichterung in Tirol war groß.

Mit schwankenden Zahlen gingen die wärmeren Monate vorbei. Die Lage schien großteils unter Kontrolle, das Wetter erlaubte es, viele Aktivitäten oder Treffen ins Freie zu verlegen. Es schien, als wäre Österreich gut durch diese Krise gekommen – zumindest bis zum Herbst. Da spitzte sich die Lage plötzlich wieder zu, von Expertinnen und Experten lange gewarnt stand Österreich plötzlich vor einer zweiten Welle.

Heftige zweite Welle

Und die äußerte sich deutlich heftiger als im Frühjahr: Beinahe täglich gab es neue Rekorde bei der Anzahl der Infizierten. Im November waren in Tirol viermal so viele Personen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert wie im April. Das Contact Tracing der Tiroler Behörden konnte da nicht lange mithalten. Lange Wartezeiten auf Testergebnisse und bei den Quarantänebescheiden waren die Folge, es herrschte Chaos. Inmitten dieser Probleme holte die Behörden auch die Kritik aus dem Frühjahr ein.

Szene aus der Pressekonferenz
Zeitungsfoto.at

Folgenschwere Fehleinschätzungen und Ermittlungen

Eine Expertenkommission sah sich die vielkritisierten Vorgänge in Ischgl an. Und so „fehlerfrei“, wie es die Tiroler Behörden gerne darstellten, waren die Geschehnisse offenbar nicht. Die Expertenkommission unter der Leitung von Ronald Rohrer stellte „folgenschwere Fehleinschätzungen“ fest, sowohl bei den Tiroler Behörden, als auch bei der Bundesregierung – mehr dazu in Bericht: „Folgenschwere Fehleinschätzungen“.

Auch rechtlich hatte das Folgen: Tausende Urlauber sollen sich in Ischgl mit dem Coronavirus angesteckt haben, viele von ihnen kündigten Klagen an. Mehr als 6.000 Geschädigte meldeten sich beim Verbraucherschutzverein. Der brachte Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich ein – mehr dazu in Causa Ischgl: Vier Amtshaftungsklagen eingebracht.

Verhandlungen vermutlich 2021

Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt in der „Causa Ischgl“. Aktuell werden vier Personen als Beschuldigte geführt, darunter der Landecker Bezirkshauptmann Markus Maaß und der Ischgler Bürgermeister Werner Kurz – mehr dazu in Vier Beschuldigte in Causa Ischgl. Die Ermittlungen dazu laufen, ob es zu Verhandlungen kommen wird, wird sich erst 2021 entscheiden.

Krankenhäuser kamen an ihre Grenzen

Die vielen Covid-Infizierten sorgten auch für massive Probleme in den Tiroler Spitälern. Seit Oktober mussten dort deutlich mehr Covid-Infizierte behandelt werden, viele von ihnen auf den Intensivstationen. Die Betreuung dieser Patientinnen und Patienten ist sehr aufwendig, da sich die Pflegerinnen und Pfleger dafür mit der Schutzausrüstung kleiden müssen. Das brachte viele Pflegerinnen und Pfleger an das Limit ihrer Kräfte.

Am Limit

Die hohe Anzahl der Patientinnen und Patienten brachte viele Pflegerinnen und Pfleger an ihre Grenzen, wie hier im Krankenhaus Zams.

Also rief die Regierung Anfang Dezember den zweiten Lockdown aus. Einmal mehr wurde die Wirtschaft heruntergefahren. Um die Corona-Zahlen in den Griff zu bekommen, sollten auch Massentests starten. Die blieben in Tirol aber wenig genutzt. Gerade einmal ein Drittel der Tirolerinnen und Tiroler ließ sich testen – mehr dazu in Kritik und wenig Zulauf zu Massentests. Die vielen Verbote und die fehlende Planungssicherheit der letzten Monate laugten viele Menschen aus.

Ermüdende Monate

Die zahlreichen Einschränkungen waren für viele Tirolerinnen und Tiroler mühsam.

Weg aus der Pandemie

Auf sich zu achten ist in dieser Zeit umso wichtiger. Und den Mut darf man nicht verlieren, raten Experten. Ein Ausweg aus der Pandemie scheint mittlerweile in Sichtweite zu sein: Ab Ende Dezember sollen in Tirol die Impfungen gegen das Coronavirus starten – mehr dazu in Wie der Impfstoff verteilt werden soll. Die Wissenschaft arbeitet währenddessen an einem zweiten möglich Ausweg aus der Pandemie – mehr dazu in CoV-Medikament als Plan B aus der Krise. Das Jahr 2020 wird aber wohl vielen noch lange in Erinnerung bleiben.