Schild Ortsende Ischgl im Paznaun
APA/JAKOB GRUBER
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Coronavirus

Chronologie der Ereignisse in Ischgl

Ischgl schafft es in Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise nicht aus den Schlagzeilen. Am Donnerstagvormittag wurde von der AGES mitgeteilt, dass der erste Fall von Coronavirus bereits am 5. Februar in Ischgl aufgetreten sein soll. Am Nachmittag korrigierte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Angaben.

Seit Donnerstag ist die Causa Ischgl um ein Kapitel reicher. Noch am Donnerstagvormittag hatte Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) verlautbart, dass eine Schweizerin, die erst Wochen später – am 9. März – durch Zufall positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, die erste nachweislich Infizierte in Ischgl gewesen sein soll. Demnach soll sie schon am 5. Februar Symptome gezeigt haben.

Tatsächlich soll die Frau aber erst am 5. März, also ein Monat später, erste Krankheitssymptome gezeigt haben. Damit bestünde beim Datum der ersten Positivtestung in Ischgl mit 7. März wieder Übereinstimmung, hieß es in einer Aussendung von Gesundheitsminister Anschober. Der Fehler „dürfte bei Eingabe in oder Übernahme aus dem EMS-System“ (Epidemiologisches Meldesystem, Anm.) passiert sein, wurde mitgeteilt. Anschober habe die Autoren der Dokumentation beauftragt „den Hintergrund dieses Fehlers lückenlos aufzuklären“ – mehr dazu in Ischgl: Erster Fall am 5.2. war Datenfehler.

Land Tirol verärgert über Negativschlagzeilen

Beim Land Tirol zeigte man sich verärgert über den Fehler. Im Laufe des Donnerstags war das Land erneut in das Kreuzfeuer internationaler Medien geraten. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik am Vorgehen der Tiroler Behörden – mehr dazu in Neue Kritik am Krisenmanagement.

Auf Nachfrage beim Land hieß es bereits am Donnerstagvormittag gegenüber ORF Tirol, dass man aus einer Pressekonferenz von dem vermeintlich ersten Fall in Ischgl erfahren habe. Die offiziellen Aufzeichnungen im Land zum Fall Ischgl beginnen nach wie vor am 5. März, deshalb sei das Ganze schwer nachzuvollziehen, auch weil ausländische Behörden das Land in der Vergangenheit nicht über positive Fälle nach einem Ischgl-Urlaub informiert hätten. Das Land Tirol stellte daneben gegenüber dem ORF Tirol chronologisch dar, wie im Monat März die Entscheidungen rund um Ischgl getroffen wurden.

Blick auf Ischgl im Winter
zeitungsfoto.at
Allein in Österreich lassen sich laut AGES 611 Infektionen direkt auf Ischgl zurückführen

Botschaft aus Kopenhagen meldet sich

Die Aufzeichnungen beginnen am 5. März. Da kontaktiert die österreichische Botschaft in Kopenhagen, zu deren Zuständigkeitsbereich auch Island zählt, mit einem Schreiben den Bund. Dieses Schreiben wird dann gleich an die Tiroler Gesundheitsbehörden weitergeleitet. Darin wird von mehreren Isländern berichtet, die nach ihrer Rückkehr aus Tirol positiv auf das Coronavirus getestet worden sind.

Noch am selben Tag heißt es aber vom Land, dass sich die Ansteckung der Urlaubsheimkehrer im Flugzeug auf der Rückreise von München nach Reykjavik ereignet haben dürfte. Das Land leitet aber umgehend Ermittlungen ein. Man fordert in Island Informationen über die Namen der Infizierten an. So wollen die Behörden möglichst rasch klären, wo und wann sich die Isländer in Ischgl aufgehalten haben.

Isländer lassen auf sich warten

Während man beim Land auf eine Antwort aus Island wartet, beginnen Behörden mit den Erhebungen in Ischgl. Hoteliers werden kontaktiert. Mögliche Kontaktpersonen oder Aufenthaltsorte der infizierten isländischen Staatsbürger sollen so erfasst werden. Die Antwort aus Island kommt erst nach über 24 Stunden. Behörden nehmen daraufhin auch mit einem praktischen Arzt in Ischgl Kontakt auf. Der Arzt habe aber laut Land bis zum 6. März nichts auffälliges in Zusammenhang mit dem Coronavirus festgestellt.

Ischgl im Winter
ORF
Während das Land auf eine Antwort aus Island wartet, beginnen Behörden mit Erhebungen in Ischgl

Verpflichtender Abstrich ab 6. März in Ischgl

Laut Land Tirol will man schon ab 6. März in Ischgl auf Nummer sicher gehen. Der Amtsarzt aus Landeck ordnet an, dass bei jedem, der ab 6. März mit grippeähnlichen Symptomen in die Ordination kommt, ein Abstrich genommen werden muss. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Abstrich nur angedacht, wenn Personen mit grippeähnlichen Symptomen nachweislich Kontakt zu Infizierten hatten oder in einem Risikogebiet waren.

Am 7. März um 9.45 Uhr betritt ein 36-jähriger Deutscher mit einem norwegischen Namen die Ordination in Ischgl. Er klagt über grippeähnliche Symptome. Vom Arzt wird ein Abstrich gemacht – weil das aufgrund der Anordnung des Amtsarztes so vorgesehen ist. Der Deutsche war zuvor laut Land in keinem Risikogebiet und hatte auch keinen Kontakt zu nachweislich Infizierten.

Erster positiver Test in Ischgl – Kitzloch erstmals gesperrt

Am Abend des 7. März liegt das Ergebnis vor. Der Mann hatte sich mit dem Coronavirus infiziert. Er wird sofort abgesondert. Behörden beginnen mögliche Kontaktpersonen zu ermitteln. Weil der Mann bekannterweise im Kitzloch als Kellner tätig war, dürften das doch relativ viele Menschen sein. Noch am Abend bzw. in der Nacht auf den 8. März wird die Bar „Kitzloch“, in der der Mann arbeitet, vorübergehend behördlich gesperrt. Die Bar wird desinfiziert. Alle Mitarbeiter, laut Land Tirol ca. 20 Personen, werden ausgetauscht. Erst danach darf die Bar wieder öffnen. Parallel laufen die behördlichen Erhebungen weiter.

Restaurant Bar Kitzloch in Ischgl
zeitungsfoto.at
Das Kitzloch ist in der Nacht auf den 8. März erstmals behördlich gesperrt worden

„Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich“, informiert Anita Luckner-Hornischer von der Landessanitätsdirektion Tirol am 8. März. Nur Barbesucher mit grippeähnlichen Symptomen sollen sich an die telefonische Gesundheitsberatung 1450 wenden und ihren Gesundheitszustand abklären, heißt es zu diesem Zeitpunkt. An diesem Tag wird auch bekannt, dass die erkrankten 15 Isländer, die bereits am 5. März in ihrem Land positiv getestet worden waren, im „Kitzloch“ gewesen sind. Island hatte schon am 5. März Ischgl zum Risikogebiet erklärt.

Kitzloch erneut gesperrt

Am 9. März liegen dem Land gesicherte Information darüber vor, dass einige weiter Personen, die das Kitzloch besucht hatten, positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. Die Ischgler Bar Kitzloch wird laut Land nach mehreren bestätigten Coronavirus-Erkrankungen an diesem Tag im Einvernehmen mit dem Betreiber behördlich gesperrt.

Einen Tag später, am 10. März, kündigt das Land an, dass alle Apres-Ski-Lokale in Ischgl geschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt sind in Tirol 32 Coronavirus-Erkrankungen bestätigt worden. Am selben Tag heißt es von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) noch, dass Hotels, Seilbahnen und Pisten in Ischgl offen bleiben.

In Ischgl wird die Saison doch beendet

Am Folgetag, dem 11. März, gibt das Land, entgegen der Ankündigung vom Vortag, bekannt, dass ab Samstag, dem 14. März, der Skibetrieb in Ischgl für zwei Wochen untersagt wird. Man spricht damals von einer „einschneidenden Maßnahme“. Wieder einen Tag später wird die Skisaison nicht wie angekündigt für zwei Wochen, sondern für die restliche Saison beendet. An diesem Tag haben 35 der 81 bestätigten Tiroler CoV-Fälle einen direkten oder indirekten Bezug zu Ischgl.

Seilbahn in Ischgl
ORF
Seit 15. März stehen in Tirol alle Lifte still

Promi-Hotelier Günther Aloys sagt zu diesem Zeitpunkt gegenüber der APA: „Wir haben ganz wenige Fälle. Die Leute sind sensibel, passen auf. Das ist ja nichts anderes als eine Grippe, die für die allermeisten nicht tödlich ist." Zwei Tage danach werden Ischgl und weitere Orte im Paznauntal – konkret Galtür, Kappl und See sowie St. Anton am Arlberg – unter Quarantäne gestellt. Am 15. März wird der Betrieb in den Skigebieten eingestellt, am 16. März schließen alle Beherbergungsbetriebe in Tirol.

Erster Fall laut AGES am 8. Februar

Der „erste gesicherte Corona-Fall“ in Tirol betrifft nach der Richtigstellung am Donnerstag eine einheimische Kellnerin. Das sagte Ingrid Kiefer, Leiterin der Krisenkommunikation der AGES. Im Fall der Tirolerin wurde ihre Infektion im März bestätigt. Das ist möglich durch den sogenannten PCR-Test, der direkt nach dem Erbgut von SARS-CoV-2 sucht. „Da kann man auch Wochen nach der Genesung positive Resultate sehen. Hier werden nicht die ansteckungsfähigen Viren nachgewiesen, sondern Virusbestandteile“, erläuterte Kiefer.

Sie betonte, dass die Behörden an Ort und Stelle nichts davon wissen konnten. Auf den Fall der Frau sei man bei der epidemiologischen Abklärung gekommen. Das sei immer „ein Blick in die Vergangenheit“. „Dabei werden bestätigte Fälle kontaktiert und gefragt, wann sie erste Symptome gehabt haben“, erläuterte Kiefer. Damit werden valide Rückschlüsse auf die Infektionskette erhalten. Die Frau hatte sich laut AGES jedenfalls schon am 8. Februar mit dem Coronavirus infiziert.

Fall sorgt erneut für Verwirrung

Auch mit diesem Fall konnte man in Tirol weiter wenig bis nichts anfangen. „Das mag wissenschaftlich begründet sein, entspricht aber nicht der faktischen Datenlage“, argumentierte Forster. Erneut wurde etwa betont, dass im Auftrag des Amtsarztes über den ansässigen Arzt eine Blutprobe für eine Antikörperbestimmung durch die Virologie in Wien in Auftrag gegeben worden ist. Der Bezirksverwaltungsbehörde liege kein Ergebnis vor. „Es gibt keinen Hinweis auf den Februar“, sagte der Landesamtsdirektor.