Arthur Kaser und weitere Wissenschafter am Cambridge Institute of Therapeutic Immunology&Infectious Disease
Philip Mynott
Philip Mynott
Wissenschaft

CoV-Medikament als Plan B aus der Krise

Die Covid-19-Impfung soll viel Druck aus der weltweiten Pandemie nehmen. Gleichzeitig arbeiten zahlreiche Wissenschafter an einem Medikament, um schwere Verläufe behandeln oder sogar verhindern zu können. Zu ihnen gehört auch ein Innsbrucker Forscher.

„Die Impfung ist ein enormer Meilenstein“, sagt Wissenschafter Arthur Kaser. Für ihn ist der Covid-19-Impfstoff, der innerhalb eines Jahres hergestellt werden konnte, ein „Triumph der Wissenschaft und des Unternehmertums“. Er allein werde aber nicht ausreichen, um gut mit dem Coronavirus leben zu können, glaubt der Forscher. Das Coronavirus werde weiter in unserer Gesellschaft auftreten. Deshalb brauche es neben der Impfung ein zweites Exit-Szenario: Ein Medikament.

Blick hinters Immunsystem

Daran forscht Kaser mit seinem Team in Cambridge. Ein Medikament könne der Krankheit „den Schrecken nehmen“, bei einer Infektion also dazu führen, dass ein schwerer Verlauf verhindert wird. Um ein solches Medikament zu finden, konzentrieren Kaser und sein Team sich auf die Entzündung, die Covid-19 mit sich bringt.

Arthur Kaser im Gespräch

Der Wissenschafter berichtete via Videocall von seinen aktuellen Forschungen.

Im späteren, schweren Verlauf der Krankheit sei das Virus an sich nicht mehr das Problem, sondern ein sogenannter „Overdrive“ des Immunsystems, also eine sogenannte Übersteuerung. Das Immunsystem schieße da wild um sich und sorge für große Probleme im Körper. Hier sei es wichtig, zu verstehen, was genau im Körper passiert, um das zielgerichtet behandeln zu können.

Erste Schritte zu wirksamem Medikament

Ein erster großer Fortschritt sei hier seit dem Frühjahr schon gelungen. So werden seitdem Steroide bei schweren Covid-Verläufen verabreicht, die gute Ergebnisse erzielt haben. Diese Steroide seien aber oft zu unscharf in der Behandlung, deshalb sei es wichtig, ein Medikament zu finden, das spezifischer und somit besser wirkt.

Ein solches Medikament habe auch den Vorteil, dass es nicht in so großen Mengen wie ein Impfstoff produziert werden muss. Der Impfstoff muss in Milliarden Dosen hergestellt werden, viel weniger Menschen würden aber ein solches Medikament brauchen. Das macht die Herstellung und den Vertrieb einfacher. Zudem arbeite man intensiv mit bestehenden Medikamenten, um die Zeit bis zur Marktreife möglichst kurz halten zu können.

Tiroler Forscher in England

Kaser forscht seit 2011 am „Cambridge Institute of Therapeutic Immunology & Infectious Disease“ der Universität von Cambridge. Er leitet dort eine Arbeitsgruppe, die sich unter anderem mit Autoimmunerkrankungen beschäftigt.

Impfskeptiker für Kaser kein Problem

Dass die Impfung nicht gut angenommen werden könnte, bereitet Arthur Kaser wenig Sorgen. In England startete die Impfung bereits, dort seien viele sehr, sehr interessiert daran. Er selbst werde sich so bald wie möglich impfen lassen, die Skepsis vieler kann Kaser nicht nachvollziehen: „Zwei bis fünf von 1.000 Covid-Erkrankten sterben. Bei 40.000 Impf-Probanden gab es dagegen keine Probleme“, da müsse man nicht besonders intelligent sein, um den klaren Vorteil der Impfung zu sehen. Wenn sich einige nicht impfen lassen wollen, gerade wenn zu Beginn nur wenig Impfstoff verfügbar ist, „kann man das auch darwinistisch sehen“, spielte Kaser auf die natürliche Selektion an.

Denn die Ausbreitung des Coronavirus sei groß, die sogenannten „Attackrate“ liege bei 80 Prozent. Ohne Maßnahmen würden also 80 Prozent aller Weltbürger an dem Virus erkranken, bezog sich Kaser auf Studien aus dem brasilianischen Amazonas.

Vorsichtiger Optimismus

Die Arbeit an dem Covid-19-Medikament werde nicht nur speziell für das Virus von Bedeutung sein, sondern auch wichtige Erkenntnisse für andere Viruserkrankungen oder Sepsis bringen, zeigte sich Kaser überzeugt. Damit werde die Medizin ein großes Stück vorangetrieben.

Der nächste große Meilenstein ist für Kaser aber kein medizinischer Fortschritt, sondern „wenn wir wieder normal miteinander umgehen können“. Wenn Reisen wieder möglich sein wird und die derzeit geltenden Maßnahmen nicht mehr notwendig sind. „Ich freue mich schon sehr darauf“, wagte der Wissenschafter eine Prognose: „Wir sind nicht mehr sehr weit davon entfernt“.