Innsbrucker Rathaus
IKM / W. Giuliani
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Politik

Innsbruck: Zwischen Bündnis und Spaltung

Nach der „Versöhnung“ im bürgerlichen Lager ist bei den Fraktionen links der Mitte vor der Innsbrucker Gemeinderatswahl noch vieles offen. Bei den Grünen, der SPÖ und deren Abspaltungen stehen die Zeichen weiter auf Zersplitterung. Dabei gehe es teils um das politische Überleben, meinte der Politologe Peter Filzmaier.

Nicht nur mit ihrem neuen bürgerlichen „Bündnis“ bewiesen ÖVP, Für Innsbruck (FI) und der Seniorenbund eine neue Einigkeit. Auch mit der Verständigung auf den gemeinsamen Spitzenkandidaten, den aktuellen Staatssekretär für Digitalisierung, Florian Tursky (ÖVP), zeigten sie sich einig – zumindest vorerst. Denn der bisherige Innsbrucker Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (ÖVP), könnte noch Sprengkraft haben, sagt der Politikwissenschafter Peter Filzmaier gegenüber dem ORF Tirol.

„Mit Vizebürgermeister Anzengruber, der eigentlich Bürgermeisterkandidat werden wollte, hat man eine nicht kontrollierbare Flipperkugel herumschießen“, meinte Filzmaier. Falls Anzengruber mit einer eigenen Liste antreten sollte, könne er zwar auch der FPÖ Stimmen wegnehmen, in erster Linie aber dem neuen Mitte-Rechts-Bündnis.

Florian Tursky
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Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) soll für das bürgerliche Bündnis ins Rennen um das Bürgermeister-Amt gehen

Für Tursky wiederum sei der „Doppel-Job“ Staatssekretär und Spitzenkandidat in Innsbruck um den Bürgermeistersessel schwierig, „weil Innsbruck eben nicht um die Ecke von Wien liegt“. Mit der noch unberechenbaren Rolle Anzengrubers sei die Einigung von ÖVP, FI und Seniorenbund „eine noch unvollendete“. Insgesamt würde eine solche Vereinigung wie im bürgerlichen Lager aber Sinn machen, so der Politologe.

Vier-Prozent-Hürde bringt Kleinparteien in Bedrängnis

Über die Einigung des bürgerlichen Lagers war mehrere Wochen diskutiert worden. Am Dienstag wurde Tursky nach längeren Spekulationen offiziell als Wunsch-Spitzenkandidat präsentiert – mehr dazu in Innsbruck: Tursky führt Bürgerliche an. Der gemeinsame Schritt von ÖVP, FI und Seniorenbund wirft die Frage auf, was in puncto Bündnisse oder (Wieder-)Vereinigungen im Mitte-Links-Lager vor sich geht.

Denn Kooperationen könnten für die nächste Gemeinderatswahl in Innsbruck, die am 14. April 2024 stattfinden soll, ausschlaggebend sein. Schließlich wird es für den Einzug in den Gemeinderat voraussichtlich eine Vier-Prozent-Hürde geben. Dafür sprach sich das Stadtparlament bereits vor mehreren Monaten aus – mehr dazu in Gesetzesanlauf für Innsbrucker Prozenthürde. Kommende Woche dürfte der dafür zuständige Tiroler Landtag die Änderung im Innsbrucker Stadtrecht beschließen.

Sommergespräche Analyse Filzmeier
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Für den Politologen Peter Filzmaier sind politische Bündnisse grundsätzlich sinnvoll, bei zerstrittenen Parteien aber eher unwahrscheinlich

Für kleinere Fraktionen könnte es deshalb bei der nächsten Wahl eng werden. Eine Zusammenarbeit sieht der Politikwissenschafter Filzmaier daher grundsätzlich als sinnvoll an. Man könne zwar eine Liste erstellen, ohne dass man sich sonst irgendwie fusionieren muss. „Das Dilemma ist nur aufgrund der eher sehr konfliktreichen Geschichte auch der Kleinparteien zueinander die Frage, wer soll sich da mit wem für eine gemeinsame Wahlplattform zusammen tun?“

Parteien und Abspaltungen weiter getrennt

Gerade im stark zersplitterten Lager links der Mitte sieht es derzeit nicht nach neuen Bündnissen aus. Eine Versöhnung der Grünen mit den drei abtrünnigen Mandataren der Liste Lebenswertes Innsbruck ist praktisch ausgeschlossen. Bei ihrer Bezirksversammlung am Samstag werden die Grünen ihre Liste für die Gemeinderatswahl zusammenstellen und einen Spitzenkandidaten wählen.

Die Fraktion Lebenswertes Innsbruck spielt dabei keine Rolle. Vor knapp einem Jahr hatten zwei Mandatarinnen und ein Mandatar der Grünen den Gemeinderatsklub verlassen. Grund dafür waren interne Konflikte – mehr dazu in Grüne Spaltung im Innsbrucker Gemeinderat. Ob Lebenswertes Innsbruck im April als eigenständige Liste antritt, ist noch unklar.

Auch in der zerstrittenen SPÖ wird man wohl weiterhin getrennte Wege gehen und mit Irene Heisz bzw. dem aus der Partei ausgetretenen ehemaligen Klubchef Helmut Buchacher nicht mehr zusammenarbeiten. Deren politische Zukunft ist derzeit offen. Ob der 66-jährige Buchacher noch einmal antritt, ist fraglich. Wegen der internen Streitigkeiten zwischen SPÖ-Stadträtin Elisabeth Mayr und Stadtparteiobmann Benjamin Plach auf der einen Seite und Heisz und Buchacher auf der anderen besitzt die SPÖ derzeit nicht einmal mehr den Klubstatus im Innsbrucker Gemeinderat – mehr dazu in SPÖ Innsbruck verliert Klubstatus.

ALI könnte mit KPÖ antreten

Gespräche führen aktuell die Alternative Liste Innsbruck (ALI) unter Gemeinderat Mesut Onay und die KPÖ. Letztere ist nicht im Gemeinderat vertreten. Die Kommunisten wollen den Schwung der politischen Erfolge bei den Gemeinderatswahlen in Salzburg und Graz aber mitnehmen und möglicherweise gemeinsam mit ALI antreten. Das würde aber bedeuten, dass die KPÖ auch auf einem Stimmzettel sichtbarer wird.

Irene Heisz (SPÖ)
Alexander Halbwirth
Die politische Zukunft der SPÖ-Mandatarin Irene Heisz ist noch ungewiss

Aber auch wenn es um das Amt des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin und eine wahrscheinliche Stichwahl geht, seien Bündnisse sinnvoll, sagt Filzmaier. „Vor allem kleinere Parteien müssen sich überlegen, ob es überhaupt Sinn macht, einen Kandidaten oder eine Kandidatin aufzustellen, die höchstwahrscheinlich nicht in die Stichwahl kommen“, meint er. Dabei seien noch viele strategische Fragen offen: „Kommt von Seiten der Grünen, die mit Willi zerstritten sind, eine Kandidatur? Was macht die SPÖ, die keine reelle Chance auf den Bürgermeister-Sessel hat?“

Prognosen für den Ausgang der Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahl traut sich Filzmaier keine zu. „Innsbruck ist von allen Landeshauptstädten diejenige, und zwar mit großem Abstand, wo die Verwirrungen und Verirrungen mit Parteispaltungen am größten sind“, resümiert er. Noch gibt es also viele Unklarheiten im politischen Spektrum links der Mitte. Die nächsten Wochen dürften hier noch die einen oder anderen Gespräche und letztendlich auch mehr Klarheit bringen.