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Drei Fragen – drei Antworten: Platz für Junge

Mit den Diskussionen rund um das „Sonnendeck“ oder das „Clubsterben“ in Innsbruck ist der Mangel an Platz für junge Menschen zu einem brisanten politischen Thema geworden. Im Vorfeld der Innsbrucker Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl am 14. April erhob der ORF Tirol dazu die Positionen der Parteien.

Mit rund 30.000 Studierenden gilt Innsbruck als beliebte Universitätsstadt. Während sich die Bildungseinrichtungen in einem alpin-urbanen Campus zwischen Freizeitsport und Forschungslandschaft präsentieren, nahm das Platzangebot für junge Menschen in den vergangenen Jahren stark ab. Das betrifft speziell konsumfreie, öffentliche Räume und niederschwellige Indoor-Veranstaltungsmöglichkeiten zum Feiern.

TV-Hinweis:

Eine Einordnung von Expertinnen und Experten zum Thema Platz für junge Menschen in Innsbruck sehen Sie in „Tirol heute“, 19.00 Uhr in ORF 2

Einerseits fielen bereits vor der Covid-19-Pandemie gefragte Veranstaltungsorte wie der Weekender, der Hafen, das Stadtcafé oder der Hofgarten weg. Auch im Zuge der Pandemie erschwerte sich die wirtschaftliche Situation einiger Nachtlokale, beispielsweise des Dachsbaus – mehr dazu in Nächster Club in Innsbruck muss schließen.

Vom „Clubsterben“ zum „Sonnendeck“

Andererseits zeigt die Sperre des „Sonnendecks“ an der Franz-Gschnitzer-Promenade den Mangel an Platz für junge Menschen in der Öffentlichkeit. Die Sitzplätze entlang der Innmauer und die dazugehörigen Wiesen wurden bei schönem Wetter zur Partymeile ohne Konsumzwang. Seit eine Steinplatte herausgebrochen war, ist die Mauer gesperrt. Darauf soll ein Geländer errichtet werden, das ein Sitzen unterbindet. Das „Sonnendeck“ wurde zu einem Politikum, das noch nicht entschieden ist – mehr dazu in Weiter keine Lösung für das Sonnendeck.

Vor dem Hintergrund dieser Debatten lautete die konkrete Frage des ORF Tirol an die Parteien: Wie sieht Ihr Zukunftskonzept aus, um mehr Platz für junge Menschen in Innsbruck zu ermöglichen? Was wäre ein konkretes Projekt? Die Antworten wurden in alphabetischer Reihenfolge der Listenbezeichnungen geordnet.

Mesut Onay
ALI
Mesut Onay

ALI: St. Bartlmä stärken und ausbauen

Die Alternative Liste Innsbruck (ALI) mit Spitzenkandidat Mesut Onay sprach sich in ihrer Antwort für „vielfältige Lösungen“ aus. Diese müssten die jungen Menschen dort abholen, wo sie sich aufhalten. Dazu gehörten aufsuchende Jugendarbeit in einem laufenden Austausch mit dem Jugendbeirat sowie konsumfreie Plätze. Dort müsse „erforscht, ausgelebt, gechillt und auch gefeiert“ werden können.

Eine große Chance sieht ALI in St. Bartlmä in der Nähe des Stiftes Wilten. Eine bestehende Nutzung funktioniere sehr gut. Investitionen in diesen Standort und ein Bekenntnis an Betreibende könne dort „eine zukunftsträchtige Oase des Miteinanders“ entstehen lassen. Außerdem nennt ALI Interventionen nach Züricher Vorbild wie Safer Clubbing und gut betreute Beschwerde-Hotlines.

Florian Tursky
Das neue Innsbruck
Florian Tursky

Das neue Innsbruck: Wieder Partys im Hofgarten

Florian Tursky von Das neue Innsbruck meint, dass Innsbruck viele Möglichkeiten hätte, um jungen Menschen wieder mehr Platz bereitzustellen. „Völlig unverständlich“ sei für ihn „der ewiglange Eiertanz um das Sonnendeck“. Hier brauche es schnellere Lösungen. Als Vorschlag verweist Das neue Innsbruck auf St. Bartlmä, wo es großes Potential gebe. Auch am Areal des Fruchthofes könne ein Zentrum für Veranstaltungen oder eine Aufenthaltsmöglichkeit für Jugendliche entstehen.

Der Hofgarten sollte wieder ein Ort für Partys für „Junge und Junggebliebene“ werden. Schließlich müsse eine Gesellschaft der Jugend Raum verschaffen und diesen nicht entfernen. Das sehe er als eine der wichtigsten Aufgaben für einen Bürgermeister, so Tursky.

Georg Willi
Die Grünen
Georg Willi

Die Grünen wollen „Kulturmeile“

Für eine „Kulturmeile“ auf der Innpromenade vom Marktplatz bis zum Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB) sprechen sich die Grünen mit dem derzeitigen Bürgermeister und Spitzenkandidaten Georg Willi aus. Dieser Raum sollte frei von Konsumzwang und mit „fantastischer Aufenthaltsqualität“ entstehen und Jugendlichen, Studierenden sowie allen Innsbruckerinnen und Innsbruckern Platz zum Verweilen und Genießen bieten. In diesem Zusammenhang nennen die Grünen die neu entstehende Brücke für Rad- und Fußgänger vom Marktplatz nach Mariahilf. Diese würde auch einen neuen Aufenthaltsraum schaffen.

Außerdem möchten die Grünen die Innsbrucker Lärmschutzverordnung erneuern, einen „One-Stop-Shop“ für Veranstalter einrichten und Awareness-Teams in der Öffentlichkeit einsetzen. Diese sollten Nutzungskonflikte verringern. Des Weiteren wollen sie zusätzliche öffentliche WC-Anlagen und bestimmte Plätze für Feiern errichten.

Helmut Buchacher
DU-I Die Unabhängigen-Innsbruck Helmut Buchacher
Helmut Buchacher

DU – I: Längere Öffnungszeiten in Lokalen

Mehr Freiräume und Veranstaltungsorte fordert Helmut Buchacher von Die Unabhängigen – Innsbruck (DU – I). Vorstellbar sind für ihn entsprechende Einrichtungen in der Rotunde oder im Stadtteil Rossau. In der Innenstadt könnten längere Öffnungszeiten die Attraktivität für Jung und Alt erhöhen, meint Buchacher. Jedenfalls nicht hinnehmbar sei eine ersatzlose Schließung des Cineplexx-Kinos.

Darüber hinaus brauche es mit den Betreiberinnen und Betreibern von Nachtclubs eine Einigung. Sofern haftungsrechtliche Fragen klar geregelt sind, sei für Buchacher eine Weiterführung des „Sonnendecks“ wünschenswert. Als Alternative schlägt er das Areal westlich des Flughafens vor. Insgesamt sollte es in jedem Stadtteil ein multifunktionales Angebot an Sportplätzen geben.

Helmut Reichholf
Einig Innsbruck
Helmut Reichholf

Einig Innsbruck visiert St. Bartlmä an

Helmut Reichholf von der Liste Einig Innsbruck stellte seine Antwort unter das Motto „Raum braucht Menschen – Menschen brauchen Raum“. Das Quartier in St. Bartlmä könne ein besonderer Ort für die jüngere Bevölkerung werden: „Ein Ort für Ideen, Kreativität, Kunst, Unternehmen, für Menschen“, so Spitzenkandidat Reichholf.

St. Bartlmä gehe weit über die Funktion als Veranstaltungsort hinaus. Es sei ein öffentlicher Raum, wo Bildung, soziales Miteinander, Wirtschaft und Kultur Platz hätten. Mit einem angepassten Verkehrs- und Sicherheitskonzept wolle Einig Innsbruck bestehende Potentiale nutzen.

Markus Lassenberger
FPÖ
Markus Lassenberger

FPÖ für offene Debattenkultur

„Innsbruck braucht einen radikalen Neustart in Richtung einer lebens- und liebenswerten Stadt im Herzen der Alpen“, heißt es von der FPÖ mit Spitzenkandidat Markus Lassenberger. Dieses Ziel sei nur durch ein gesundes Miteinander aller Generationen erreichbar. Mehr Platz für junge Menschen bedeute nicht nur, sozial verträglichen Wohnbau und eine gute Bildungslandschaft zu schaffen. Es gehe auch darum, die Grund- und Freiheitsrechte von jungen Menschen „abseits grün motivierter Moral-Geiselhaft“ zu stärken.

Die FPÖ will junge Menschen im öffentlichen Raum wieder „sichtbarer machen“. Das soll durch eine öffentliche Debattenkultur ohne Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit geschehen. Die Ansichten der jüngeren Bevölkerung sollten mehr wahrgenommen werden. Das beinhalte auch eine Unterstützung des Sport- und Vereinswesens mit Schwerpunkt auf Jugendförderung.

Gerald Depaoli
Gerechtes Innsbruck
Gerald Depaoli

Gerechtes Innsbruck: Verweis auf eigene Anträge

Gerald Depaoli, Spitzenkandidat von Gerechtes Innsbruck, meint in seiner Antwort, dass seine Partei bereits 2021 einen Prüfantrag zur Errichtung eines Kulturquartiers in St. Bartlmä eingerichtet habe. Das Ergebnis des einstimmig beschlossenen Antrages sei knapp zwei Jahre von Bürgermeister Georg Willi schubladisiert worden. Eine frühere Behandlung hätte es ermöglicht, schon früher mit der Suche nach Alternativen zu beginnen.

Als bekannt wurde, dass der Fruchthof nicht mehr wie bisher geführt werde, habe Gerechtes Innsbruck die Initiative für ein dortiges Veranstaltungszentrum als Ersatz ergriffen. Der Antrag dafür sei vom Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen worden. Das Gerechte Innsbruck wolle sich dafür einsetzen, dass der Fruchthof ein Platz für junge Menschen wird. (Anm. d. Red.: Mittlerweile ist jedoch klar, dass der Fruchthof von anderen Unternehmern übernommen wird – mehr dazu in Fruchthof lebt unter neuer Führung weiter.

Johannes Anzengruber
JA
Johannes Anzengruber

JA: Sportanlagen für junge Menschen öffnen

Mit Bänken und Sitzgelegenheiten, Bäumen und Grünflächen, mobilen Bars, öffentlichen WCs und Stromanschlüssen für Veranstaltungen könne die Aufenthaltsqualität und Verweildauer auf öffentlichen und konsumfreien Plätzen gesteigert werden, sagt Johannes Anzengruber von der Liste JA – Jetzt Innsbruck.

Wo es möglich sei, solle man an den Inn gelangen. Wo dies nicht möglich ist, müsse die Stadt das Ufergelände attraktiver gestalten. Zudem sollten Sportanlagen der Stadt Innsbruck, der Universität Innsbruck, des Bundes und des Landes in der Freizeit jungen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Räume und Säle der Stadt wie IIG, Congress, Messe sollten zum Selbstkostenpreis genutzt werden können. Anzengruber machte sich zudem für einen Ausbau des Freizeitzentrums Rossau stark und sprach sich für eine Attraktivierung des Hofgartens samt seiner Nebenanlagen aus.

Pia Tomedi KPÖ Kommunistische Partei
KPÖ
Pia Tomedi

KPÖ fordert Mitbestimmungsrecht für Junge

Es werde zu viel über die Köpfe von jungen Menschen hinweg entschieden, macht Pia Tomedi, Spitzenkandidatin der KPÖ, aufmerksam. Bei Angelegenheiten, die die Jugend betreffen, sollten junge Menschen auch ein Mitbestimmungsrecht haben.

Kinder und Jugendliche sollten außerdem selbst entscheiden können, wie sie ihre Freizeit gestalten. Dazu brauche es geeignete Räume und Möglichkeiten – sei es durch die Einrichtung von Spielplätzen und Skateparks, durch günstige Bädereintrittspreise oder durch kostenlose Eintritte für Museen, Theater und andere Kultureinrichtungen. Ein Jugendgemeinderat könne dafür sorgen, dass ihre Wünsche besser berücksichtigt werden, so Tomedi.

Andrea Haselwanter-Schneider (Spitzenkandidatin Liste Fritz)
APA/EXPA/JOHANN GRODER
Andrea Haselwanter-Schneider

Liste Fritz: Anreize für Veranstaltungszentrum

Das Angebot für junge Menschen schwinde, dieser Trend müsse unbedingt umgekehrt werden, formulierte die Spitzenkandidatin der Liste Fritz, Andrea Haselwanter-Schneider, als eines ihrer Ziele. Die Stadt könne nicht selbst gastronomisch tätig werden, könne aber konsumfreie Zonen schaffen und Anreize für ein neues Veranstaltungszentrum setzen.

Viele Gebäude in Besitz der öffentlichen Hand würden auf eine Nachnutzung warten. In den Gewerbegebieten würden ebenfalls einige Gebäude leer stehen und Flächen brach liegen. Die Liste Fritz würde umgehend eine Prüfung und Projektplanung zu konsumfreien Zonen und einem „Hafen 2.0“ einleiten. Konkrete Standorte könnten erst in Betracht gezogen werden, wenn alle Umstände zu Chancen und Problemen vor Ort von Experten analysiert worden seien, so Haselwanter-Schneider.

Julia Seidl
NEOS
Julia Seidl

NEOS will mehr Freiräume für Alle

Die Pandemie habe gezeigt, dass sich die Jugend ihren Platz nehme – sei es die SOWI-Wiese, das Sonnendeck oder die Sillschlucht. Aber anstatt darauf zu reagieren und jungen Menschen ihre Freiräume zu geben, seien diese mit Gitter abgesperrt und die Jugendlichen kriminalisiert worden, kritisiert NEOS.

NEOS-Spitzenkandidatin Julia Seidl fordert mehr Freiräume für alle Innsbrucker. Die Menschen würden selbst am besten wissen, was sie wollen, es brauche keine Einmischung der Politik. Diese müsse nur die Infrastruktur wie Strom oder Sanitäranalgen zur Verfügung stellen. Als konkretes Projekt nannte Seidl neben dem sofortigen Abbau des Geländers am Sonnendeck legale Zugänge zum Inn und zur Sill. Die Gewässer in Innsbruck würden so viel Potential bieten und eine riesige kostenlose Freizeitanlage darstellen.

Elisabeth Mayr
Michael Kropacek
Elisabeth Mayr

SPÖ: Kampf gegen Spekulation oberste Priorität

Junge Menschen würden in Innsbruck vor allem leistbaren Wohnraum benötigen, betont die Spitzenkandidatin der SPÖ, Elisabeth Mayr. Daher stehe aus Sicht der SPÖ der Kampf gegen die Spekulation ganz oben auf der Agenda. „Wenn das Wohnen für junge Menschen in Innsbruck unleistbar bleibt, werden wir ganze Generationen verlieren. Das ist eine Katastrophe – für die Betroffenen und für das Leben in unserer Stadt“, so Mayr.

Für die SPÖ sei es zudem ganz wichtig, neue konsumfreie Räume – indoor und outdoor – zu schaffen und mehr Mitbestimmung für junge Menschen zu ermöglichen. Der von der SPÖ initiierte Jugendbeirat für Innsbruck sei ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung, aber lange noch nicht das Ende. Die SPÖ sieht den Pavillon vor dem Landestheater als idealen Ort für junge Kunst und Kultur. Der Platz davor lasse sich bei warmem Wetter ebenfalls gut nutzen.

Chris Veber
TUN
Chris Veber

TUN: auch Leben mitten in der Stadt möglich

Aus Sicht von Chris Veber wäre das erste konkrete Projekt die Wiederöffnung des Sonnendecks. Zudem brauche es ein Areal wie das frühere Haus am Haven. Eine Stadt müsse lebendig sein, man könne Lebensfreude, Jugend und Kultur nicht nur an den Rand in ein Gewerbegebiet verbannen.

Locations wie das Treibhaus oder das Livestage zeigen aus Sicht des Spitzenkandidaten der Liste TUN, Chris Veber, dass auch mitten in der Stadt Leben möglich sei.