Das Ehrwalder Hallenbad ist seit mehreren Monaten geschlossen / Bädersterben
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Wirtschaft

Zukunft des Ehrwalder Hallenbades offen

Können bestehende Hallenbäder weitergeführt werden oder nicht? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Tiroler Gemeinden und Freizeitbetriebe. Auch Ehrwald (Bezirk Reutte) ist vom „Bädersterben“ betroffen. Das Hallenbad ist seit Monaten geschlossen.

Über die Jahre sahen die alten Gemäuer des Ehrwalder Hallenbades viele Menschen kommen und gehen. Beim Betreten des 1974 eröffneten Gebäudes kommt dem Besucher unmittelbar der Charme des Leerstandes entgegen: Der Duft von Chlor liegt noch in den alten, großen Hallen. Wie ein Mantel, den die Wände nicht ablegen können. Sie könnten von belebten Tagen erzählen, in denen Kleinkinder erste Berührungen mit dem Wasser machen, Schülerinnen und Schüler volle Bahnen schwimmen und ältere Menschen fit bleiben wollen. Doch der Leerstand bietet nur auf den ersten Blick einen charmanten Eindruck.

Stattdessen ist beim Lokalaugenschein im Familienbad mit Vertretern von Gemeinde, Geschäftsführung und Schwimmsport gleich klar: Die früheren, glorreichen Zeiten der Freizeiteinrichtung sind vorbei. Es sind alte Hallen ohne Leben. Aus dem Charme und der Faszination des verlassenen Ortes wird schnell Ernüchterung, wenn der Schwimmlehrer Franz Engler aus seinem Alltag erzählt. Er berichtet, wie schwierig es ist, Kindern heutzutage das Schwimmen beizubringen. Denn es gebe immer weniger Standorte, an denen das möglich ist.

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Das Ehrwalder Hallenbad ist seit mehreren Monaten geschlossen / Bädersterben
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Im seit März geschlossenen Ehrwalder Hallenbad wirkt die Zeit wie stehengeblieben
Das Ehrwalder Hallenbad ist seit mehreren Monaten geschlossen / Bädersterben
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Im seit März geschlossenen Ehrwalder Hallenbad wirkt die Zeit wie stehengeblieben
Das Ehrwalder Hallenbad ist seit mehreren Monaten geschlossen / Bädersterben
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Im seit März geschlossenen Ehrwalder Hallenbad wirkt die Zeit wie stehengeblieben

„Mir tut es leid, dass es geschlossen wurde und dass hier nichts weitergeht, weil es für Kinder das idealste Becken war, um schwimmen zu lernen“, sagt Engler. Seit 40 Jahren bietet der Ehrwalder gratis Kurse an. Im Familienbad geht das nicht mehr. Seit März sind die Rutsche, der Kinderbereich und das 25-Meter-Sportbecken trocken. Mit seinem Schwimmkurs muss Engler auf ein nahegelegenes Hotel und dessen Pool ausweichen.

„Man findet kein Gehör“

Er sei sehr dankbar, dass er das Becken in dem Tourismusbetrieb mit den Kindern nutzen kann. Doch das sei nicht immer so einfach. „Ich habe bei ein paar Becken gefragt, aber da findet man nicht einmal Gehör“, meint Engler. Einerseits würde es bei manchen heißen, dass der Pool zu klein sei und man dort gar nichts könne. Andererseits brauche er es auswärts gar nicht versuchen. „Weil wo willst du da hin? Das ist das Problem. Ich habe hier in Ehrwald Kinder aus dem Ötztal oder Vils gehabt, von überall sind die Kinder hergekommen.“

Dabei sei ein regional attraktives Schwimmbad unverzichtbar für die Bevölkerung, beklagt der Ehrwalder Gemeinderat Peter Steger. Er ist einer der Befürworter des Hallenbades und setzt sich seit Monaten für die Wiederinbetriebnahme ein. Unter anderem sammelte er in Unterschriftenaktionen die Erklärungen von rund 2.000 Unterstützerinnen und Unterstützern. Im ganzen Bezirk Reutte gebe es kein passendes Angebot für Schwimmkurse und diese so wichtige Förderung der Gesundheit, wie er sagt: „Ehrwald ist das einzige Bad, das ein 25-Meter-Becken hat, Reutte draußen ist eine Therme mit einem vollkommen anderen Schwerpunkt.“

Tourismus gehe teilweise vor Bevölkerung

In ganz Tirol mussten in den vergangenen Jahren immer mehr Bäder ihren Betrieb einstellen. Während im Tiroler Unterland etwa St. Ulrich am Pillersee oder das Wave in Wörgl betroffen waren, konnte zuletzt das Freizeitzentrum Axams nicht mehr öffnen – mehr dazu in Tirols Hallenbäder kämpfen ums Überleben. Zuletzt wurde auch bekannt, dass jenes in Seefeld ebenfalls vor der Schließung steht – mehr dazu in Auch Olympiabad Seefeld sperrt zu.

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Franz Engler Schwimmlehrer aus Ehrwald
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Franz Engler gab jahrelang gratis Schwimmkurse im Familienbad in Ehrwald
Peter Steger, Gemeinderat von Ehrwald
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Der Ehrwalder Gemeinderat Peter Steger setzt sich für eine Wiederinbetriebnahme des geschlossenen Bades ein
Gert Köpfle, Vizebürgermeister der Gemeinde Ehrwald
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Für den Ehrwalder Vizebürgermeister Gert Köpfle muss der Betrieb leistbar sein, ansonsten mache eine Wiedereröffnung als Hallenbad wirtschaftlich keinen Sinn
Harald Schönherr Geschäftsführer Freizeitbetriebe Tiroler Zugspitzarena und Bürgermeister von Biberwier
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Der Geschäftsführer der Freizeitbetriebe Tiroler Zugspitzarena, Harald Schönherr, verweist auf erhöhte Betriebskosten und notwendige Sanierungsarbeiten

Insgesamt ortet Steger eine gewisse Schieflage zwischen dem Nutzen für den Tourismus auf der einen Seite und dem Angebot für die Bevölkerung auf der anderen. Mit dem Ausbau von Trails, Pisten oder anderen Einrichtungen seien die Investitionen der öffentlichen Hand teilweise zu stark in Richtung Gäste kanalisiert gewesen. „Es ist interessant, dass sich sämtliche Hotels Hallenbäder leisten und bauen können, nur die öffentliche Hand kann es plötzlich nicht mehr“, sagt er.

In den 1970er Jahren seien in ganz Tirol Hallenbäder gebaut worden, um den Tourismus anzukurbeln. „Jetzt plötzlich braucht man das nicht mehr, jetzt haben alle ihre Hallenbäder von den großen Hotelbetrieben und jetzt wird der kleine Bürger, der kleine Gast mit Privatzimmervermietern vergessen oder ignoriert – ob bewusst oder unbewusst, will ich nicht beurteilen“, so Steger.

Badebetrieb nicht mehr leistbar

Unabhängig von einer Debatte zwischen Tourismus und Bevölkerung soll das Ehrwalder Hallenbad vorerst nicht wieder aufgesperrt werden. Dafür hatte sich der Gemeinderat bereits mehrheitlich ausgesprochen. Zu hohe Kosten für ein teilweise veraltetes und ineffizientes Gebäude ist auch hier im Außerfern die viel genannte Ursache für das immer wieder diagnostizierte „Bädersterben“.

An der Oberfläche seien im Familienbad keine großen Schäden zu erkennen, sagt Harald Schönherr, Geschäftsführer der Freizeitbetriebe Tiroler Zugspitzarena GmbH. Das Hallenbad gehört neben einer Kletter- und Tennishalle sowie einer Eisbahn zu dem Unternehmen. Dieses steht wiederum zur Hälfte im Eigentum der Gemeinde und dem Tourismusverband Tiroler Zugspitzarena. Im Hallenbad selbst sei optisch soweit alles in Ordnung. „Unten im Keller schaut es wieder ganz anders aus“, sagt Schönherr.

Dort sei die Technik von der Heizung über die Lüftung und die Wasseraufbereitung „mehr als sanierungsbedürftig“. Aus der veralteten Infrastruktur würden folglich auch die größten Probleme bei den Betriebskosten entstehen. Insbesondere die Personal- und Energiekosten seien in den vergangenen Jahren zu den großen Preistreibern geworden. In der gesamten Infrastruktur der Freizeitbetriebe sei zuletzt allein durch den Betrieb ein finanzieller Abgang von über 800.000 Euro entstanden.

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Der Technikraum im Ehrwalder Hallenbad ist teilweise veraltet
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Die technische Einrichtung des 1974 eröffneten Hallenbades ist mittlerweile in die Jahre gekommen
Der Technikraum im Ehrwalder Hallenbad ist teilweise veraltet
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Die technische Einrichtung des 1974 eröffneten Hallenbades ist mittlerweile in die Jahre gekommen
Der Technikraum im Ehrwalder Hallenbad
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Die technische Einrichtung des 1974 eröffneten Hallenbades ist mittlerweile in die Jahre gekommen

Planungsverband will sich nicht beteiligen

Dazu komme, dass der Andrang der Besucherinnen und Besucher „überschaubar“ gewesen sei, ergänzt Vizebürgermeister Gert Köpfle. Gegen Ende hin waren die Besucherzahlen demnach äußerst gering. „Wir haben in den letzten Jahren nur mehr 20.000 Eintritte gehabt, im Vergleich mit dem Bad in Leutasch mit 60.000 ist das doch um einiges weniger“, meint er. Darüber hinaus gebe es einen Sanierungsstau. Die Infrastruktur gehöre technisch und thermisch entsprechend erneuert.

Grundsätzlich sei er zwar für den Erhalt des Hallenbades, betont Köpfle. Aber aufgrund der explodierenden Kosten sei der Betrieb einfach nicht mehr möglich. „So können wir uns das Bad sicher nicht mehr leisten, weil es das Gemeindebudget derart belastet, dass wir für andere Aufgaben kein Geld mehr haben.“

Auch ortsübergreifend ist die Begeisterung für eine finanzielle Beteiligung an einem Bad überschaubar. Bei einer Sitzung des Planungsverbandes Zwischentoren hätten sich laut Köpfle sämtliche Bürgermeister dagegen ausgesprochen und gemeint, es gebe nicht genug Geld dafür. Die Gemeinde Lermoos habe die vorgeschlagenen Summen für Investitionen als „nicht zielführend“ angesehen. Das Bad werde dadurch nicht attraktiver, so Köpfle mit Bezug auf die Nachbargemeinde.

Gremium erarbeitet künftiges Szenario

Für die weitere Nutzung erarbeitet derzeit ein Gremium von Tourismusverband und Gemeinde gemeinsam ein mögliches Zukunftsszenario. Dabei werden unterschiedliche Optionen mit Kostenaufstellungen berücksichtigt, das heißt eine Lösung mit Wasser als Hallenbad oder ohne Wasser als Freizeitzentrum. Als Vorschlag der „trockenen Variante“ liegt etwa ein Indoor-Kinderspielbereich mit Restaurants und Fitness-Center auf dem Tisch. Als „nasse Variante“ könnte das Bad erhalten bleiben und außen um einen Kleinkinderbereich ergänzt werden.

Das Ehrwalder Hallenbad ist seit mehreren Monaten geschlossen / Bädersterben
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Bis Jahresende erarbeitet ein Gremium mit Vertretern des Tourismusverbandes und der Gemeinde ein Konzept für die Zukunft des leerstehenden Hallenbades

Die genauen Kosten für die jeweilige Lösung und der dafür notwendigen baulichen Maßnahmen sind noch unklar. Fest steht, dass Gemeinde und Tourismusverband durch einen Kredit gemeinsam über fünf Millionen Euro verfügen. Ob das ausreicht, ist angesichts hoher Baukosten und allfälliger Einsprüche durch die Behörde fraglich. Dieser finanzielle Rettungsschirm reiche bei weitem nicht aus, ist von manchen Stimmen zu hören.

Außerdem schielen die einen oder anderen Gegner einer Wiedereröffnung wohl auch über die Landesgrenze nach Deutschland. Im nahegelegenen Garmisch-Partenkirchen laufen derzeit umfangreiche Arbeiten für die Generalsanierung des Alpspitz-Wellenbades. Die dortigen Gemeindewerke investieren 27 Millionen Euro, um das ebenfalls in die Jahre gekommene Bad aufzuputzen, wie der „Merkur“ berichtete. Bei einer allfälligen Lösung „mit Wasser“ wäre das eine ernstzunehmende Konkurrenz für Ehrwald.

Anfang des Jahres soll Entscheidung fallen

Andere in der Gemeinde wie Peter Steger hingegen wollen den Kampf für die Rettung des Hallenbades so schnell nicht aufgeben. Im Vergleich mit dem Wörgler Wave sei das Ehrwalder Familienbad in einem deutlich besseren Zustand, meint er. „Wir haben einige Sachen zu machen und zu sanieren, aber eher im kleineren Bereich“, ist er überzeugt. Nach seiner Berechnung komme man sehr wohl mit dem Budget von fünf Millionen Euro aus.

Zuletzt war der Betrieb von Dezember 2022 bis März 2023 geöffnet. Das vorübergehende Angebot im Winter wird es in den kommenden Monaten wohl nicht mehr geben. Anfang des Jahres will das Hallenbad-Gremium eine Entscheidung fällen. Dann soll klar sein, ob die Becken in Ehrwald endgültig trocken bleiben oder nicht. Schwimmlehrer Franz Engler würde sich jedenfalls eine Wiederinbetriebnahme wünschen. Dann hätte er so wie früher ein größeres Becken mit mehr Platz für die Kinder in seinen Kursen.