Stethoskop und E-Card
ORF.at/Dominique Hammer
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Gesundheit

Erstes Primärversorgungszentrum ab Jänner

Tirol ist das einzige Bundesland, in dem es noch immer kein Primärversorgungszentrum gibt – obwohl inzwischen österreichweit 50 solcher Einheiten in Betrieb sind. Im Jänner soll endlich das erste in der Innsbrucker Reichenau in Betrieb gehen, so der Plan.

Seit Jahren liegen die Pläne für sechs Primärversorgungszentren für Tirol auf dem Tisch. Ärztekammer und Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) konnten sich allerdings lange nicht vertraglich einigen – mehr dazu in Primärversorgungszentren bald auch in Tirol. Im April schließlich fixierte man die Finanzierung, die von Land Tirol und ÖGK bestritten wird, seit dem Sommer sind auch alle rechtlichen Fragen geklärt. Anfang Oktober konnten damit die Ausschreibungen starten, die Bewerbungsfrist endete mit 25. Oktober.

Derzeit werte eine Kommission die eingegangenen Bewerbungen der Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner aus, am Mittwoch tage der Vorstand der Tiroler Ärztekammer, Ende der Woche soll die ÖGK dann informiert werden, erklärte Ärztekammerpräsident Stefan Kastner. Anschließend schließen die interessierten Ärztinnen und Ärzte die Verträge mit der ÖGK ab. Wenn alles klappt, soll das erste Tiroler Zentrum dann mit 1. Jänner 2024 öffnen; Jahre später als geplant – ursprünglich waren sechs Zentren bis 2021 anvisiert gewesen.

Primärversorgungszentrum

In einem Primärversorgungszentrum erhalten Patientinnen und Patienten medizinische Hilfe. In erster Linie betrifft das die allgemeinmedizinische Anliegen, weitere Angebote sind jedoch möglich – etwa durch Psychotherapeutinnen, Hebammen, Logopäden oder Ergotherapeuten. Die Zentren sind in der Regel 40 bis 60 Stunden pro Woche geöffnet, teilweise auch am Abend, am Wochenende oder an Feiertagen. Inzwischen gibt es in fast allen österreichischen Bundesländern mindestens ein solches Zentrum, meistens sogar mehrere – in Tirol bisher allerdings noch nicht.

Erstes Zentrum in Innsbrucker Reichenau

Das erste Zentrum soll in den kommenden Monaten im Stadtteil Reichenau im Osten von Innsbruck entstehen, erklärte Bernhard Achatz, der Vorsitzende des Landesstellenausschuss der ÖGK. Wie Ärztekammer-Präsident Kastner ergänzte, gebe es auch Überlegungen für den Bezirk Kufstein oder die Gegenden rund um Wiesing (Bezirk Schwaz) und Bad Häring (Bezirk Kufstein). Diese Ausschreibungen sollen in den nächsten Monaten folgen.

Das Büro von Tirols Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) erklärte, dass im Tiroler Zentralraum Innsbruck Land bis Schwaz bis 2025 drei Zentren entstehen sollen, jeweils ein weiteres im Westen (Bezirke Imst, Landeck und Reutte) und im Nordosten (Bezirke Kitzbühel und Kufstein), sowie eines in Osttirol, sodass es insgesamt schließlich sechs Zentren gibt. Gemeinsam mit den Planungspartnern werde derzeit daran gearbeitet, diese Zielsetzung auch umzusetzen, hieß es. Man greife dabei auch auf die Erfahrungen der anderen Bundesländer zurück.

Patient wird von Hausärztin mit Stethoskop untersucht
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Die Tiroler Patientinnen und Patienten warten schon lange auf die versprochenen Primärversorgungszentren

Hoffnung: Entlastung für Ärztinnen und Ärzte

Die Tiroler Ärztekammer erhofft sich durch die Zentren jedenfalls „längere Öffnungszeiten und somit auch eine Entlastung der im Moment am Limit laufenden Versorgung“, besonders im hausärztlichen Bereich und in den Ballungsräumen, wie Präsident Stefan Kastner betonte. Zumindest ein wichtiger Baustein sei damit gesetzt. Was die Situation der in Tirol fehlenden Hausärztinnen und -ärzte angehe, brauche es in Zukunft aber auch weitere Unterstützung – denn darauf zu vertrauen, dass ein paar Primärzentren das Problem lösen werden, sei zu wenig, so Kastner – mehr dazu auch in Hausärzte kommen an ihre Belastungsgrenzen.

Er ortet jedenfalls Interesse unter den Tiroler Medizinerinnen und Medizinern, in einem solchen Zentrum zu ordinieren, erklärte er: „Eine Chance ist es, dort gemeinsam zu arbeiten, anstatt als Einzelkämpfer. Man kann miteinander Synergien finden.“ Vertraglich seien finanzielle Vorteile als Anreiz vorgesehen, ergänzte ÖGK-Sprecher Achatz: „Wir unterstützen durch eine Anschubfinanzierung, ebenso im laufenden Betrieb und was Lohnkosten für die erweiterten Teams betrifft, also etwa Physiotherapie, Diätologie oder Ergotherapie.“

Eine Frau sitzt in einer Ordination bei einem Arzt
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Ab Jänner soll in Innsbruck das erste Primärversorgungszentrum Patientinnen und Patienten versorgen

Noch viele offene Fragen

Bis das erste Tiroler Primärversorgungszentrum bereits in weniger als zwei Monaten in Innsbruck in Betrieb gehen soll, sind noch einige Fragen ungeklärt. Die ersten dürften sich beantworten, sobald die Bewerbungen gesichtet sind, hoffte Achatz: „Wir wissen noch nicht, ob etwa Kinderärzte darunter sind, ob es ein Primärversorgungsmanagement geben wird oder welche sonstigen Gesundheitsberufe dort miteingebettet sein werden – mindestens drei müssen es sein.“ Auch der genaue Standort in der Reichenau ist noch nicht bekannt. Ob der neue, straffe Zeitplan diesmal hält, wird man sehen.