Material der Schuldnerberatung
APA/BARBARA GINDL
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Wirtschaft

Zahl der Firmenpleiten stark angestiegen

Der Kreditschutzverband (KSV) 1870 hat am Mittwoch seine Halbjahresbilanz für Insolvenzen vorgelegt. Die Unternehmensinsolvenzen liegen in Tirol mit einem Plus von 16,3 Prozent weit über dem Österreichschnitt. Die privaten Insolvenzen pendelten sich trotz Teuerung auf einem „Normalniveau“ ein.

In Tirol dominierten die Pharmazeutische Fabrik Montavit GmbH und die GemNova Dienstleistungs GmbH das Insolvenzgeschehen im ersten Halbjahr 2023. Montavit in Absam ist mit rund 45 Millionen Euro verschuldet. Ein deutscher Investor soll das Unternehmen retten – mehr dazu in Dermapharm sichert Überleben von Montavit.

Die GemNova, Dienstleister des Gemeindeverbands hingegen, steht noch auf wackeligen Beinen. Wie hoch die Verbindlichkeiten sind, steht noch nicht fest. Sie gehen jedenfalls in die Millionen – mehr dazu in GemNova und Schöpf weiter im Kreuzfeuer.

Montavit
ORF
Mit Passiva von 46 Millionen Euro ist Montavit nach Kika/Leiner die zweitgrößte Insolvenz österreichweit.

In den ersten sechs Monaten des Jahres sind in Tirol 171 Unternehmen insolvent geworden. Das ist ein Anstieg um 16,3 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022. Der Bundesschnitt beträgt nur 10,9 Prozent.

„Nachholeffekt“ nach der Pandemie

Vergleicht man das heurige Insolvenzniveau in Tirol mit jenem des letzten „normalen“ Jahres vor der Pandemie 2019, werde „deutlich, dass mit einem Plus von 19 Prozent ein spürbarer Nachholeffekt in den letzten Monaten eingesetzt hat“, so der KSV.

2020 und 2021 war das Insolvenzgeschehen in Tirol wegen der breit aufgestellten öffentlichen Unterstützungen sehr reduziert, so Klaus Schaller, Leiter des KSV Tirol: „Wir sehen heuer genau jene Betriebe auf dem Tisch des Insolvenzgerichts, welche bereits vor den Pandemiejahren mit einem wirtschaftlich schwachen Geschäftsmodell operativ tätig waren. Natürlich sind unter den 171 zahlungsunfähig gewordenen Unternehmen auch einige Opfer der pandemiebedingten geschäftlichen Einschränkungen.“

Passiva stark gestiegen

Laut Kreditschutzverband sei eine Tendenz zu größeren Insolvenzen an den verzeichneten Passiva ablesbar. Waren es im Jahr 2022 noch 23 Millionen Euro, sind es heuer bereits 86 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von über 270 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Im Gesamtjahr 2022 waren es Passiva in Höhe von 87 Millionen Euro. Diesen Wert haben wir heuer somit bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres nahezu erreicht.

KSV rät zu laufender Anpassung

Der KSV1870 erwartet für das restliche Jahr, dass der Anstieg der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr und dem letzten „normalen“ Jahr 2019, erhalten bleibt. Das wirtschaftliche Umfeld, in dem sich die heimischen Betriebe bewegen, gilt als „sehr turbulent“. Steigende Kosten in vielen Bereichen (Energie, Rohstoffe, etc.) und steigende Fremdkapitalzinsen stellen die Unternehmen vor komplexe Herausforderungen. Der KSV1870 empfiehlt den heimischen Betrieben „dringend ihr Geschäftsmodell laufend zu evaluieren.“

Teuerung schlägt sich nicht in Privatkonkursen nieder

Bei den Privatinsolvenzen stellte der KSV einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr von 7,3 Prozent fest. Es komme nach den Pandemiejahren zu einer Normalisierung der Situation, so Klaus Schaller.

Die hohe Inflation in Österreich, die viele Monate über zehn Prozent betrug, wirke sich aber nicht auf die Zahl der Privatinsolvenzen aus, so Schaller: „Die Tatsache, dass im ersten Halbjahr 2023 gerade einmal 16 Verfahren mehr stattfanden, als im Vergleichszeitjahr 2019 – dem letzten ´normalen’Jahr – zeigt, dass die Menschen in Krisenzeiten gelernt haben, sorgsam mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen.“