Willi hat am Dienstag angekündigt, dass er bis Anfang kommender Woche mit allen Fraktionen des künftigen Gemeinderats in Gespräche gehen wolle, ausgenommen die FPÖ. Sein Kontrahent in der Stichwahl am 28. April kann seit Montag dagegen schon eine Wahlempfehlung für sich verbuchen: Florian Tursky von der ÖVP, der mit seinem Wahlbündnis „Das Neue Innsbruck“ eine herbe Niederlage hinnehmen musste, hatte sich für Anzengruber (Liste „JA – Jetzt Innsbruck“) in der Stichwahl ausgesprochen – mehr dazu in Tursky: Wahlempfehlung für Anzengruber.
Dieser wollte die Empfehlung vorerst nicht kommentieren, immerhin war Anzengruber von der Volkspartei Monate vor der Wahl ausgebootet worden. Der frühere Vizebürgermeister kandidierte deshalb auf eigene Faust und wurde von der Partei daraufhin überhaupt vor die Tür gesetzt.
Willi setzt auf das Thema Wohnen
Georg Willi wird bei den Gesprächen mit den anderen Listen und Parteien das Thema Wohnen in den Mittelpunkt stellen, kündigte er in einer Aussendung an. „Wir müssen nach der Stichwahl sofort in die Gänge kommen: Die Mieten explodieren und die Wohnkosten sind außer Rand und Band. Ich will mit den anderen Fraktionen vor allem über das Thema leistbares Wohnen sprechen – aber wir Grüne sind natürlich für alle Themen offen, die auf den Tisch gelegt werden“, begründete Willi seinen Vorstoß.
Am Mittwoch haben die Gespräche mit drei Fraktionen begonnen. Auf dem Programm standen Sondierungen des Bürgermeisters mit Liste Fritz, der Alternativen Liste Innsbruck (ALI) und der SPÖ. Neue Mehrheiten im Gemeinderat könnten möglicherweise die Tür auch für bisher nicht umgesetzte Projekte wieder aufmachen, Willi meinte damit etwa die Ausweisung von Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau. Dafür gab es im bisherigen Innsbrucker Gemeinderat keine Mehrheit. „Alle Parteien haben leistbares Wohnen groß auf ihre Plakate geschrieben. Ich möchte, dass wir damit sofort beginnen“, so Willi.
Keine Ansagen von Anzengruber über mögliche Koalition
Anzengruber hielt sich vorerst zu Koalitionsüberlegungen bedeckt. Von den Freiheitlichen wurde er am Dienstag neuerlich aufgefordert, sich zu einer Mitte-Rechts-Mehrheit zu bekennen. Anzengruber solle sich nicht „von den Linken“ ausbooten lassen. Es existiere eine bürgerliche Mehrheit, „unsere Hand ist im Sinne eines Neustarts für Innsbruck jedenfalls ausgestreckt“, nannte FPÖ-Spitzenkandidat Markus Lassenberger den Preis für eine Wahlempfehlung seiner Partei.
Von Anzengruber-Seite hieß es dazu lediglich, man werde zu Koalitionsfragen vor der Stichwahl nicht Stellung nehmen. Stattdessen werde man sich auf die Wahlwerbung konzentrieren, wieder „in die Stadtteile gehen“ und die Unterschiede zu Willi herausarbeiten. Auch zu der vom Tursky-Lager bzw. der ÖVP ausgesprochenen Wahlempfehlung verlautete es: „Kein Kommentar“.
Zwei rechnerisch mögliche Koalitionsvarianten
Die Wahl am vergangene Sonntag hat Zuwächse für die SPÖ, ein starkes Abschneiden der KPÖ mit drei Mandaten und den Wiedereinzug der Alternativen Liste (ALI) in den Innsbrucker Gemeinderat gebracht, zudem konnten die Grünen trotz Verlusten ihre Spitzenposition verteidigen. Deshalb war nach der Wahl auch von einem Links-Ruck die Rede. Naheliegendste Koalitionsvariante war zunächst eine Mitte-Links-Konstellation mit Grünen, SPÖ und der Anzengruber-Liste, die auf Anhieb zweitstärkste Kraft wurde.
Eine solche Dreier-Koalition könnte auf 22 von 40 Gemeinderatssitzen zählen – mehr dazu in Vermutlich Mitte-Links-Bündnis in Innsbruck. Willi und Anzengruber wird auf persönlicher Ebene auch ein intaktes Verhältnis attestiert, sie stehen sich in der Stichwahl allerdings als Konkurrenten gegenüber.
Eine Variante rechts der Mitte wäre nur als Viererbündnis aus „JA“, FPÖ, „das Neue Innsbruck“ und Liste Fritz denkbar. 21 Mandate würde Letzteres zusammen ausmachen. Eine Zweierkoalition ist arithmetisch nicht möglich.
FPÖ-Kritik an „Fortsetzung der Ausgrenzung“ durch Willi
Die Sondierungsgespräche Willis mit den anderen Listen und Parteien wurde von den Freiheitlichen als „Fortsetzung der Ausgrenzungspolitik“ kritisiert. Der Bürgermeister hatte in der Vergangenheit stets eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen und im Wahlkampf auch vor Schwarz-Blau gewarnt.
„Jedem der geladenen Fraktionen muss klar sein, dass es Willi nur einzig und allein darum geht, sich eine Mehrheit für die Stichwahl zu sichern“, so der freiheitliche Bürgermeisterkandidat Markus Lassenberger. Mit der Ausgrenzung sei der erste Schritt zur Fortsetzung des Streits getan, spielte die FPÖ auf die Turbulenzen der vergangene sechs Jahre im Innbrucker Gemeinderat an.
Van Staa sieht Anzengruber-Rauswurf als Fehler der ÖVP
Nach dem Wahldebakel der Tursky-Liste, die als Wiedervereingung von ÖVP und ÖVP-Abspaltung „Für Innsbruck“ den Bürgermeistersessel für das bürgerliche Lager zurückbringen sollte, übte der frühere Landeshauptmann und vorherige Innsbrucker Bürgermeister Herwig van Staa Kritik an den ÖVP-Verantwortlichen und damit an seiner eigenen Partei. Der Umgang mit dem früheren Innsbrucker Vizebürgermeister Anzengruber sei „ein schwerer Fehler“ gewesen.
Er habe den Ausschluss Anzengrubers aus der ÖVP nicht verstanden, so Van Staa gegenüber der Austria Presse Agentur. Immerhin hatte Van Staa selbst vor 30 Jahren die ÖVP-Abspaltung „Für Innsbruck“ gegründet und damit den damaligen Bürgermeister Romuald Niescher (ÖVP) aus dem Amt gehoben. Mit der Volkspartei bildete Van Staa im Gemeinderat in der Folge aber eine gemeinsame bürgerliche Achse. Die Abspaltung war auch kein Hindernis dafür, dass er später sogar zum Landeshauptmann und ÖVP-Landesobmann aufstieg.
Das Abschneiden seiner Partei bei der jetzigen Gemeinderatswahl bewertete Van Staa als „herbe Niederlage“ und „schmerzlichen Verlust“. Im Wahlkampf hatte er sich mit einer Empfehlung per Brief an die Innbruckerinnen und Innsbruck für Tursky stark gemacht und als symbolische Unterstützung auch ganz hinten für die Liste „Das Neue Innsbruck“ kandidiert.
Zu Koalitionspräferenzen wollte sich Van Staa nicht äußern, eine mögliche Mitte-Rechts-Koalition aus Anzengruber, „Das Neue Innsbruck“, FPÖ und der Liste Fritz wäre angesichts der „Situation“ im Gemeinderat aber „schon eine fragwürdige Konstellation“. Sie würde nur eine knappe Mehrheit aufweisen, was das Regieren sehr erschweren würde.