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Politik

Fernpass-Paket: Land schlug erste Pflöcke ein

Tirols Regierungsparteien ÖVP und SPÖ haben am Mittwoch in einer Landtagssitzung erste Pflöcke für das „Fernpass-Paket“ inklusive Straßentunnelbau und Mautplänen eingeschlagen. Eine Einhebung der Maut bzw. die Gründung einer Mauteinhebungsgesellschaft wurden gegen die Stimmen der Opposition beschlossen.

„Es geht nicht um die drei Minuten“, in denen laut Berechnungen die transitgeplagte Fernpassstrecke im Außerfern schneller bewältigt werden könne, sagte der ressortzuständige LHTSv. Josef Geisler (ÖVP) in der stundenlangen Debatte. Vielmehr habe die Landesregierung die Sicherheit – vor allem bei Baustellen – im Blick.

In Sachen Bemautung hielt Geisler fest, dass man versucht habe, eine intelligente Lösung zu finden und sah eine solche auch in dem für Außerferner konzipierten Gutscheinsystem. Sie sollen nämlich über ein Regionalwirtschaftsprogramm Gutscheine in Höhe von 150 bis 290 Euro bekommen. Geisler meinte, dass die zur Gründung anstehende Mautgesellschaft Fernpassstraße GmbH im alleinigen Eigentum des Landes stehen werde und damit keine Privatisierung darstelle.

Zumtobel (SPÖ) betonte Verkehrssicherheit

Die „Wurzel der Belastung“ verortete Verkehrslandesrat Rene Zumtobel (SPÖ) in der individuellen Anreise der Urlauberinnen und Urlauber und „weil wir generell auch im grenznahen Bereich in Deutschland eine nicht gerade hervorragende Bahninfrastruktur haben.“

Er wolle mit dem Vorgehen eine verkehrssichere Anbindung des Bezirks Reutte in das Inntal schaffen und dabei berücksichtigen, dass das 7,5-Tonnen-Limit für Lkw halte, übte er den Schulterschluss mit Geisler und verteidigte die beschlossene Novelle des Tiroler Straßengesetzes sowie das Gesetz zur Gründung der Mautgesellschaft. SPÖ-Verkehrssprecher Philip Wohlgemuth beteuerte, dass entsprechende Gutachten der Politik bescheinigt hätten, dass das Lkw-Limit halten werde.

NEOS und Liste Fritz für Volksbefragung

Doch gerade das 7,5-Tonnen-Limit für Lkw sah die Opposition durch die Pläne massiv in Gefahr. Es sei „sehr fraglich“, ob dieses dann noch halten werde, sagte Landtagsabgeordnete Birgit Obermüller (NEOS). Auch dem Regionalwirtschaftsprogramm erteilte sie eine Absage: „Die Bevölkerung will keine Gutscheine, weil sie weiß, dass sie sich diese Geschenke selbst finanziert“. Das 500 Millionen schwere Infrastrukturpaket wolle nur die Landesregierung: „Ich verstehe definitiv nicht, warum man sich gegen so viel Widerstand durchsetzen will“, wähnte sie die Außerferner Bevölkerung auf ihrer Seite und forderte eine Volksbefragung.

Fernpass Winter Kehre
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Die Pläne für einen Scheiteltunnel auf der Fernpassstraße sorgten am Mittwoch im Landtag für heftige Diskussionen

Eine solche wollte auch Liste Fritz-Klubobmann Markus Sint umgesetzt wissen und ärgerte sich über dahingehend abgelehnte Dringlichkeitsanträge. Seine Partei sage „klipp und klar Nein zu dieser Maut am Fernpass. Die Maut ist unsozial, unfair und ungerecht. Die Außerferner wollen auch nicht mit Gutscheinen gekauft und mit Almosen abgespeist werden“, meinte er.

Sint war außerdem der Meinung, dass die Pläne EU-rechtlich nicht haltbar seien und erinnerte an die gescheiterte Lkw-Maut in Deutschland. „Dass eine Klage von einem Deutschen kommt, ist wie das Amen im Gebet“, prophezeite er. Der Fernpassscheiteltunnel würde zudem nur mehr Belastung statt Entlastung bedeuten.

Grüne für Bahntunnel, FPÖ auch für Volksbefragung

Der Klubobmann Gebi Mair von den Grünen sprach gar von einer der größten verkehrspolitischen Fehlentscheidungen in Tirol überhaupt. Es sei ungerecht, dass wenn jemand aus dem Außerfern beispielsweise nach Innsbruck ins Landeskrankenhaus oder einfach in die Landeshauptstadt fahren wolle, eine Maut zu berappen habe. Mit dem heutigen Tag sei Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) für ihn „nicht mehr Landeshauptmann aller Tirolerinnen und Tiroler“, sondern ein Landeschef „von Gnaden der Hoteliers von Ischgl“, ortete er die eigentlichen Nutznießer in Tourismushochburgen südlich des Fernpasses. Mit dem Fernpass-Paket werde eine neue Transitroute geschaffen, war Mair überzeugt und forderte einmal mehr einen Bahntunnel.

Auch die FPÖ wehrte sich gegen das Großvorhaben und schloss sich der Forderung nach einer Volksbefragung an. Verkehrssprecherin Evelyn Achhorner fragte die Landesregierung: „Warum fürchten sie sich vor dem Volk?“. ÖVP und SPÖ hätten sich in „kürzester Zeit für die schlechteste Variante entschieden“ ganz in der Manier „Speed kills“. Die FPÖ habe immer eine Großtunnellösung gefordert, erinnerte die Landtagsabgeordnete.

Mit Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP) ergriff ein Landtagsmitglied aus dem betroffenen Bezirk Reutte das Wort. Sie warnte eindringlich vor den Folgen eines großen Tunnels, damit würde das 7,5-Tonnen-Limit jedenfalls fallen. „Den Menschen wird immer das Bild vermittelt, dass es mit einem großen Tunnel keine Probleme mehr gibt“, mahnte sie mehr „Ehrlichkeit“ ein. Ledl-Rossmann gestand ein, dass es „die perfekte Lösung“ aufgrund der Gegebenheiten „nie geben“ werde.

Auch Transitforum übte massive Kritik

In der Außerferner Bevölkerung hatte sich zuletzt Unmut über das Fernpass-Paket geregt, auch das Transitforum Austria-Tirol hatte dagegen mobil gemacht – mehr dazu in Widerstand gegen das Fernpass-Paket. Obmann Fritz Gurgiser hatte im Vorfeld der Landtagssitzung die Abgeordneten aufgefordert, die Regierungsvorlagen zum Verkehrsvorhaben „vorläufig auszusetzen“.

Die Bürgerbewegung rief die Abgeordneten dazu auf, noch fehlende Zweckmäßigkeitsprüfungen bei dem „umfassenden Beschleunigungsprojektes“ einzufordern. „Der alleinige ‚Scheiteltunnelblick‘ ist für diese Gesamtbetrachtung unzureichend“, hieß es. Das Transitforum kritisierte u.a. die „Auslagerung der Straßenkompetenz in eine Fernpassstraßen GmbH, die keinen demokratischen Regeln verpflichtet und politische Einflussnahmen de facto nicht möglich sind.“

„Fernpass-Paket“ um rund 500 Mio. Euro

Die Landesregierung hatte Anfang des Jahres in Reutte das rund 500 Mio. Euro schwere „Fernpass-Paket“ präsentiert. Die zweite Röhre für den Lermoosertunnel soll 250 Mio. Euro kosten, der vier Jahre dauernde Bau 2026 starten. Der Spatenstich für den 160 Mio. Euro teuren Fernpasstunnel soll ebenfalls 2026 erfolgen, mit einer Inbetriebnahme wurde im Jahr 2028 gerechnet. Weitere 90 Mio. Euro werden für Maßnahmen an der Strecke aufgewendet.

Der Tunnel wird 1,4 Kilometer lang sein und ersetzt 4,8 Kilometer Passstrecke. Für die Einhebung der Maut (rund 14 Euro/Pkw) wird eine Maut- und Erhaltungsgesellschaft gegründet.