Drei Männer sitzen auf Stühlen
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Chronik

Freispruch für Seilbahnmitarbeiter

Nach dem Tod einer 28-jährigen Skifahrerin am Neujahrstag 2023 sind drei Mitarbeiter der Zillertaler Gletscherbahn am Dienstagabend am Landesgericht Innsbruck vom Vorwurf der grob fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig.

Dem Geschäftsführer war vorgeworfen worden, trotz extrem eisiger Verhältnisse keine Betriebsanweisung zur Pisten-Sperre erteilt zu haben. Zwei Pistenraupenfahrern wurde zur Last gelegt, die Piste nicht selbst sofort gesperrt zu haben. Auf der steilen Abfahrt war eine niederländische Skiurlauberin am Neujahrstag 2023 zu Sturz gekommen. Ein Fangnetz konnte nicht verhindern, dass sie über die Piste hinausrutschte und schließlich gegen einen Baum katapultiert wurde. Sie erlitt dabei tödliche Verletzungen. Sieben weitere Personen kamen im gleichen Bereich damals bei Skiunfällen zu Schaden, sie wurden zum Teil schwer verletzt – mehr dazu in Eisige Piste: Eine Tote, zwei Schwerverletzte.

Die Angeklagten hatten sich im Prozess nicht schuldig bekannt. Im Falle einer Verurteilung hätte den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren gedroht. Der Freispruch für die drei Beschuldigten war vorerst nicht rechtkräftig. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.

Richter in Urteilsbegründung: Freispuch „im Zweifel“

In seiner mehr als halbstündigen Urteilsbegründung führte Richter Norbert Hofer aus, dass der Freispruch ein solcher „im Zweifel“ sei. Man könne nicht von einer Sorgfaltsverletzung der Mitarbeiter ausgehen, sondern müsse auch von einem „außergewöhnlichen Winter mit wenig Schnee und schwierigen Wetterverhältnissen“ ausgehen. „Alles in allem war es eine absolute Ausnahmesituation“, meinte Hofer, der unter anderem argumentierte, dass auch die Sicherungsmaßnahmen am Steilstück, wie zum Beispiel das dort vorhandene Fangnetz, zum Unfallzeitpunkt ausreichend gewesen seien.

Verteidiger sprach von „schwarzem Tag“

Der Verteidiger sprach in der Anfangsphase des zehnstündigen Prozesses von einem „schwarzen Tag für die Zillertaler Gletscherbahn“. Er gab aber zu bedenken: „An diesem Tag kam es durch die relativ warmen Witterungsumstände in der Nacht zu einer regelrechten Metamorphose der Piste.“ Außerdem habe man es in der damaligen Wintersaison mit einem Ausnahmewinter mit sehr wenig Schnee zu tun gehabt.

Angeklagter: Totalsperren selten

Der erstangeklagte 68-jährige Geschäftsführer bekannte sich bei seiner Einvernahme ebenso wie seine Mitangeklagten nicht schuldig. „Totalsperren kommen sehr selten vor“, gab er zu Protokoll, und zwar lediglich bei großen Neuschneemengen. An den folgenschweren Unfalltag erinnerte er sich genau: „Nacht und Tag waren ausnehmend mild.“ Ihm selbst seien an diesem Tag die besonderen Pistenverhältnisse aber so gar nicht zu Ohren gekommen. „Die Mitarbeiter können die Pisten aber an sich sofort sperren, wenn Gefahr in Verzug ist“, strich er heraus. Schriftliche Dienstanweisungen über einen korrekten Dienstweg gebe es nicht, räumte er ein.

Angeklagter: „Diskussionswürdig, aber nicht eindeutig“

Der Drittangeklagte – ein 24-jähriger Pistenraupenfahrer – bezeichnete die Piste bei seiner Einvernahme vor Gericht als hart, aber nicht vereist. Man sei im Zweifel gewesen, ob man die Piste sofort hätte sperren müssen, habe es dann aber trotz grundsätzlicher dienstrechtlicher Möglichkeit nicht getan. „Stattdessen haben wir nach längerem Überlegen den Betriebsleiter verständigt“, erklärte er. Mehrfach verteidigte er sich auf Nachfragen von Richter Norbert Hofer, ob ein unverzügliches Sperren nicht doch notwendig gewesen wäre: „Das Teilstück der Piste war für uns diskussionswürdig, aber nicht eindeutig.“

Der zweite, 34-jährige Pistenraupenfahrer und Zweitangeklagte argumentierte ähnlich. „Bei den Kontrollfahrten mit dem Ski-Doo habe ich gemerkt, dass die Piste etwas rutschig ist“, meinte dieser. Eisplatten und das blanke Eis, seien ihm aber nicht aufgefallen. Die Piste habe sich aber offenbar verändert. „Ich war selbst überrascht, was in der Zeit bis zu den Unfällen mit der Piste passiert ist“, erklärte der Beschuldigte. Die Möglichkeit sofort zu sperren hätte aber auch aus seiner Sicht bestanden.

Zeuge: „Eishockeyfeld mit Skiern“

Mehr als ein Dutzend Zeugen – einige davon wurde bei der Abfahrt zum Teil erheblich verletzt, die meisten kamen aber trotz Fahrproblemen heil ans Ziel – beschrieben im Anschluss wortreich und zum Teil bildhaft die Beschaffenheit des Steilstücks bei der Talabfahrt, auf dem sich der tödliche Unfall ereignete. „Es war pures Eis“, sagte etwa der Lebensgefährte der Freundin der verunglückten 28-Jährigen.

Weitere als Zeugen einvernommene Skifahrer und Snowboarder sprachen beispielsweise von einem Eishockeyfeld mit Skiern oder von einer Situation, in der sie die Fahrt nicht mehr wirklich kontrollieren konnte. Laut Zeugenaussagen war es für die tödlich Verunglückte die erste Wintersaison im Freien, zuvor soll sie nur in Skihallen in den Niederlanden geübt haben.

Gutachter: mangelhaftes Skimaterial

Ein skitechnisches Gutachten fügte noch einen anderen Aspekt hinzu, der sich rund um die tödlich Verunglückte entspann. „Ihr Skimaterial war absolut mangelhaft“, sagte Gutachter Werner Margreiter. Die Vereisung der Piste reiche damit als alleiniger Grund für den Unfall nicht aus, so der Gutachter. Dennoch übte er Kritik an den Sperr- und Sicherungsverhältnissen: „Unmittelbare Gefahren hätten besser erkannt und abgesichert werden müssen.“ Die Piste sei zwar zuvor ordnungsgemäß präpariert, aber durch klimatische Umstände schließlich stark vereist gewesen. Darauf hätte es rasch zu reagieren gegolten.

Gutachter und Meteorologe Karl Gabl beschrieb ergänzend die Wetter- und Schneelage am Unglückstag. Es gab eine „Metamorphose des Schnees“, die es in diesem Fall zu beachten gelte, so Gabl. „In der Nacht bis zum Morgen gab es Föhn und damit einen sehr milden 1. Jänner“, sagte er. „Der Schnee an der Oberfläche ist damit geschmolzen und es hat sich eine Wasserhaut gebildet“, skizzierte Gabl die Situation. Danach sei der Wind abgesackt, Verdunstung und schließlich Vereisung des Pistenstücks folgten.