Kinder spielen vor einem Fenster
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Politik

Kinderbetreuung: Tirol ließ Förderungen liegen

Der Landesrechnungshof (LRH) kritisiert die frühere Landesregierung von ÖVP und Grünen wegen des Umgangs mit Fördergeldern des Bundes für die Elementarpädagogik. Nach Angaben der Tiroler Tageszeitung sollen für die Kindergartenjahre 2018/2019 bis 2021/2022 rund 21 Mio. Euro nicht abgeholt worden sein. Das Land wies die Kritik zurück.

Nach dem Bericht des Landesrechnungshofs sei außerdem die Bedarfserhebung lückenhaft gewesen. Die Prüfbehörde empfahl laut „TT“, dass die Effizienz und Wirksamkeit der Bedarfserhebung deutlich gesteigert werden müsse, um einen guten Überblick zu ermöglichen.

Dass der Großteil der Förderungen liegen geblieben war, sei insbesondere deshalb problematisch, weil diese maßgeblich für den Ausbau der Betreuung für die Unter-Dreijährigen vorgesehen war. In diesem Bereich hat Tirol großen Aufholbedarf.

Ingrid Felipe und Günther Platter halten das Budget in Händen
Land Tirol/Sidon
Günther Platter und Ingrid Felipe führten die Koalition von ÖVP und Grünen in den Jahren 2013 bis 2022

Land will Millionen beim Bund noch abrufen

Das Land Tirol wies in einer Reaktion darauf hin, dass die genannten Bundesmittel in Höhe von 20,9 Millionen Euro nicht verloren seien, sondern im Zuge der laufenden 15a-Vereinbarung über die Elementarpädagogik weiterhin zur Verfügung stünden und vom Land Tirol noch abgerufen werden würden. Diese Mittel würden gemeinsam mit Mitteln der Landesregierung für den weiteren Ausbau der Kinderbildung- und Kinderbetreuung verwendet.

Man habe die Kinderbildung und –betreuung in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Dafür habe man bereits rund 27 Millionen Euro an Bundesmitteln abgeholt und zusätzliche Landesmittel aufgewendet, so das Land.

Die aktuelle Landesregierung habe sich als erstes Bundesland Österreichs zu einem Recht auf Kinderbildung und –betreuung bekannt – mehr dazu in Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung fixiert.

Kritik auch an aktueller Landesregierung

Auch für die derzeitige, schwarz-rote Landesregierung hatte der Landesrechnungshof Hausaufgaben parat. Diese hatte sich nämlich den Rechtsanspruch auf Vermittlung eines Kinderbetreuungsplatzes ab dem Jahr 2026 zum Ziel gesetzt.

Der Landesrechnungshof bemängelte, dass die Tiroler Förderrichtlinien keine stärkeren Anreize für Kooperationen zur gemeindeübergreifenden Kinderbetreuung enthalte. Außerdem sei das Ziel der „leistbaren“ Kinderbetreuung zu unkonkret. Als Grundlage empfahlen die Prüfer harmonisierte Betreuungsbeiträge unter Berücksichtigung der im Österreich-Vergleich niedrigen Erwerbseinkommen in Tirol. Der Maßnahmenplan für die Kinderbetreuung solle außerdem weiterentwickelt werden.

Politische Reaktionen

Unterdessen folgten einige politische Reaktionen auf Bekanntwerden des Landesrechnungshofberichtes. Die ÖVP wollte „nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft“ blicken, wie Familiensprecher LAbg. Florian Riedl kundtat. Man verwies auf den Meilenstein Rechtsanspruch. Schwarz-Rot habe sich ein ambitioniertes Programm vorgenommen, Tirol in puncto Kinderbildung und -betreuung zum österreichweiten Spitzenreiter zu machen. Dass der Landesrechnungshof bereits jetzt die Kosten für das Recht auf einen Kinderbildungs- bzw. -betreuungsplatz kritisiere, sei „zu kurz gegriffen, angesichts dessen, dass dieses Recht erst bis 2026 erarbeitet wird“, so Riedl.

Die nunmehr regierende SPÖ sah sich in ihrer damaligen Kritik als Oppositionspartei bestätigt. „Jahrelang haben wir immer wieder darauf gepocht, dass Schwarz-Grün den Ausbau der Kinderbetreuung in Tirol in den Mittelpunkt rückt. Dass der Landesrechnungshof unsere Kritik aus diesen Jahren nun mit Hinweis auf viele verschenkte Millionen an Bundesfördermitteln bestätigt, ist kein Anlass zur Freude, aber umso mehr ein Ansporn, diese verlorenen Jahre aufzuholen – und das tun wir“, erklärte SPÖ-Familiensprecherin LAbg. Claudia Hagsteiner.

Kritik auch vom früheren Koaltionspartner

Der frühere Koalitionspartner Grüne nutzte den Bericht, die ÖVP zu kritisieren. „ÖVPler mit veralteten Denkmustern“ würden immer noch bremsen. Dass die Gelder nicht abgeholt worden seien, liege vor allem an „kurzen Öffnungszeiten – genau deshalb drängen die Grünen stets auf Ganztagsöffnung“, ließ Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan in einer Aussendung wissen.

Heftige Kritik hagelte es von den oppositionellen NEOS. „Wie der Ausbau der Kinderbetreuung in Tirol abläuft, ist an Dilettantismus nicht zu überbieten“, meinte Landtagsabgeordnete Birgit Obermüller. Die nicht abgeholten Gelder beweisen für Obermüller „einmal mehr, dass es der ÖVP nie wirklich ernst war mit dem Bekenntnis zum Ausbau der Kinderbetreuung.“ „Vor der letzten Landtagswahl mussten sie schließlich auf den Zug aufspringen, da ihre Rückwärtsgewandtheit zu offensichtlich war, nachdem sich alle anderen Parteien für eine flächendeckende und ganztägige Kinderbetreuung stark gemacht hatten“, so die Mandatarin.

Ins selbe Horn stieß auch Liste-Fritz-Obfrau Andrea Haselwanter Schneider. Der aktuelle Bericht zeige, wie unerheblich und unbedeutend vorschulische Kinderbetreuung für die ÖVP und ihr erzkonservatives Weltbild sei. „Die Familienpolitik der ÖVP war und ist nach wie vor antiquiert und jenseits aller Vernunft“, so Haselwanter-Schneider. Die ehemalige ÖVP-Bildungslandesrätin Beate Palfrader sei für sie der lebende Beweis dieser unsozialen, antifamiliären Politik, so die Liste-Fritz-Obfrau.