Thema „Kindergarten/Kinderbetreuung“: Eine Betreuerin mit Kindern
APA/HARALD SCHNEIDER
APA/HARALD SCHNEIDER
Politik

Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung fixiert

Der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung soll in Tirol gesetzlich verankert werden. Das beschloss die Landesregierung bei ihrer Herbstklausur. Tirol soll das erste Bundesland sein, das ein Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung einführt, sagte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP).

Demzufolge sollen alle Kinder ab zwei Jahren in Tirol ein Recht haben, dass ihnen ein hochwertiger, bedarfsgerechter, erschwinglicher, ganzjähriger und ganztägiger Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird. „Wir starten 2024/2025 mit Pilotregionen, ab dem Herbst 2026 wird das Recht in ganz Tirol greifen“, sagte Mattle. Das schaffe für die Kinder die beste frühkindliche Bildung und für die Eltern echte Wahlfreiheit.

Beschlossen wurde demzufolge ein Zehnpunktemaßnahmenplan. Das Land investiert zunächst 50 Millionen Euro in Personal und Infrastruktur, zudem sollen die Arbeit der Gemeinden und privaten Erhalter erleichtert und die Pädagoginnen und Pädagogen entlastet werden.

Stufenweise Umsetzung des Maßnahmenplans

Der Hintergrund für eine stufenweise Umsetzung liege auf der Hand, wie Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) sagte: „Neue Bauprojekte benötigen eine Planungs- und Umsetzungszeit, Kampagnen müssen ihre Wirkung entfalten können. Eine Ausbildung zur Pädagogin bzw. zum Pädagogen dauert zwei bis drei Jahre, sodass das Mehr an Personen, das für diesen Bereich gewonnen werden soll, erst in ein paar Jahren zur Verfügung steht.“

Zudem müssten neue Strukturen erprobt und nicht blind auf alle Gemeinden übergestülpt werden. Deshalb werde es eine Pilotphase mit Pilotregionen geben, sagte Dornauer.

Konferenz der Regierungsmitglieder
Land Tirol/Die Fotografen
Die Mitglieder der Landesregierung beschlossen einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung

Maßnahmenplan wird in Pilotregionen getestet

Das zehn Punkte umfassende Maßnahmenpaket sieht unter anderem die Einrichtung von Koordinierungsstellen vor. Das soll zunächst in Pilotregionen erprobt werden. Diese werden in weiteren Planungen definiert und sollen mit Beginn des Betreuungsjahres 2024/2025 starten.

Für die Jahre 2024 bis 2026 stellt das Land zusätzlich 20 Millionen Euro für den Ausbau von Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen bereit. Als Ziel definierte das Land, dass wohnortnahe – möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln und in maximal etwa 15 Minuten Fahrtzeit erreichbar – Kinderkrippen und Kindergärten geschaffen, modernisiert bzw. erweitert werden. Mit Frühjahr 2024 soll auf Basis erster Bedarfserhebungen der Plan der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen vorliegen.

Grafik zu Kinderbetreuung
Land Tirol

Imagekampagne zur Personalgewinnung

In drei Wellen soll unter dem Titel „Wir sind elementar“ eine Kampagne ausgerollt werden, die pädagogisches Personal halten und wertschätzen sowie neues Personal ansprechen soll. Die erste Kampagnenphase beginne heuer im Herbst und werde gemeinsam mit den Sozialpartnern und den öffentlichen und privaten Erhaltern umgesetzt.

Zudem soll eine Novelle des Dienst- und Besoldungsrechtes kommen. Dabei werde ein Fokus auf die Teamstunden der Pädagoginnen und Pädagogen gelegt, teilte das Land mit.

Quereinsteiger sollen Fachkräftemangel mildern

Gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) Tirol werden Ausbildungsplätze für Assistenzkräfte, pädagogische Fachkräfte und Tageseltern finanziert. Auch arbeitssuchende Personen sollen entsprechend qualifiziert werden. Zusätzlich soll mit Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern der Fachkräftemangel in diesem Bereich gemildert werden.

Aktuell gibt es in Tirol 30 Kinderbetreuungseinrichtungen, die von Betrieben selbst geführt werden. Diese Zahl soll gesteigert werden. Ein Kinderbetreuungsangebot könne für Unternehmen auch ein Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt sein, darauf machte das Land aufmerksam und verwies auf Förderungsmöglichkeiten.

Tageselternstruktur wird ausgebaut

Um Versorgungsspitzen in Gemeinden abzufedern, soll auch die Tageselternstruktur ausgebaut werden. Dafür schafft das Land weitere Ausbildungsmöglichkeiten. Im Betreuungsjahr 2022/2023 wurden 559 Kinder unter 15 Jahren von insgesamt 133 Tageseltern betreut. Diese flexible Betreuungsform habe großes Potenzial, so das Land.

Für die Umsetzung dieser Maßnahmen will das Land bis zum Jahresende ein Finanzierungskonzept vorlegen. Das Land investiert bereits rund 144 Millionen Euro jährlich in die Kinderbetreuung. Dieser Betrag werde jedenfalls erhöht. Für die Einführung des Rechts auf Kinderbildung und Kinderbetreuung stehen 50 Millionen Euro zur Verfügung. Unter anderem werde die Förderung von Transportkosten zu den Einrichtungen forciert.

Liste Fritz spricht von „Betrug an Tiroler Familien“

Die Oppositionspartei Liste Fritz bezeichnete das nun vorgestellte Modell als „Betrug an Tiroler Familien“ und „politische Nebelgranate“. „Jetzt einen bloßen Anspruch auf Vermittlung umzusetzen, ist Wählertäuschung pur“, sagte Klubobmann Markus Sint. Was geschehe, wenn die Vermittlung erfolglos sei, fragte er.

Auch dass der Anspruch erst ab dem zweiten Lebensjahr gelten soll, war für Sint und Parteichefin Andrea Haselwanter-Schneider nicht nachvollziehbar. Das könnte Eltern dazu zwingen, „ein weiteres Jahr zu Hause zu verbringen. Oder mehrere“, sollte die Vermittlung nicht gleich erfolgreich sein.

Grüne mit Kritik an Konzept

Über ein unausgegorenes Konzept wunderten sich die Grünen. „Wenn Landesrätin Hagele noch nicht einmal weiß, wie hoch der Bedarf ist oder wie viele Arbeitskräfte zusätzlich benötigt werden, wie kann dann eine kompetente Planung erfolgen“, fragte Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan.

Außerdem schrumpfe der Rechtsanspruch, nachdem nur noch ein Anspruch auf Vermittlung geplant sei, kritisierten die Grünen.

NEOS: Geld und Ressourcen werden verschwendet

„Viel Rauch um Nichts“ und eine „drittklassige Polit-Show der Landesregierung“ sah NEOS. „Der Großteil der präsentierten Punkte ist eine reine Beschäftigungstherapie für den Verwaltungsapparat des Landes“, kritisierte LAbg. Birgit Obermüller. Es würden durch einige der vorgestellten Maßnahmen Geld und Ressourcen verschwendet, aber „kein einziger Betreuungsplatz für Kinder neu geschaffen“, so Obermüller.

Wirtschaftskammer sieht Chance für Frauen

Die Tiroler Wirtschaftskammer begrüßte die Pläne der Landesregierung als „großen Schritt“. Die Chancen von Frauen, gleichberechtigt am Erwerbsprozess teilzunehmen, würden dadurch verbessert, außerdem bedeute der Schritt Chancengleichheit für Kinder.

In der Erhöhung der Arbeitsquote von Frauen stecke großes Potenzial zur Bekämpfung des akuten Arbeitskräftemangels, so die Wirtschaftskammer (WK). „Das viel zitierte Schlagwort von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird damit in Tirol zur Lebensrealität und wertet die Attraktivität unseres Standortes deutlich auf“, sagte WK-Vizepräsidentin Martina Entner (ÖVP) in einer Aussendung.