Gebirgsbach im Wald
APA/THEMENBILD/HELMUT FOHRINGER
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Klima und Umwelt

Gebirge spüren Klimawandel besonders stark

In den Gebirgen führt der Klimawandel zu einem besonders schnellen Temperaturanstieg. Ein Grund ist, dass bei höheren Temperaturen weniger Schnee fällt, dunkles Gestein zum Vorschein kommt und weniger Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird.

Der Temperaturanstieg und seine Folgen passieren in den Alpen ebenso wie im Himalaya in Asien, den Anden in Südamerika und anderen Gebirgsregionen. „Die größte Herausforderung für Wissenschaft und Gesellschaft ist es, mit den momentan enorm schnell ablaufenden Veränderungen umzugehen“, sagte Nadine Salzmann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) anlässlich des Internationalen Tages der Berge.

Erfahrungen mit Extremereignissen fehlen

Es gebe aus der Vergangenheit kaum Erfahrungen mit extremen meteorologischen Ereignissen wie Trockenheit und Starkniederschlägen. „Wir müssen auch versuchen, das ‚Undenkbare‘ zu denken, um auf plausible, aber höchst unwahrscheinliche schlimmste Szenarien vorbereitet zu sein, ohne aber zu alarmistisch zu wirken“, ergänzte Salzmann, die am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos arbeitet. Hier sind drei Folgen des Klimawandels für Gebirge zusammengefasst:

Felsstürze wie auf dem Fluchthorn

Hochgebirge werden auch vom Permafrost zusammengehalten, der dafür sorgt, dass das Gestein ganzjährig gefroren ist. Der Permafrost taut, und das Gebirge wird instabiler. Das zeigte sich im Juni am Fluchthorn (Bezirk Landeck). Dort brach ein ganzer Gipfel weg, und gewaltige Gesteinsmassen, insgesamt eine Million Kubikmeter, rutschten ab – mehr dazu in Silvretta: Bergsturz auf Fluchthorn.

Die Region war abgelegen, es ist nichts passiert, aber andernorts kann so etwas ganze Dörfer bedrohen. Und die Bergsportler: Beim Schweizer Alpen-Club (SAC) heißt es, dass früher oft gegangene Touren heute im Sommer „Todesfallen“ seien. Loses Geröll und abgerutschte Blöcke „so groß wie Einfamilienhäuser“ machten das Gelände zu gefährlich.

Südseite des Fluchthorns samt Abbruchstelle
Land Tirol
Im Bereich der Nordwestflanke des südlichen Fluchthorns donnerten im Juni Gesteinsmassen hinab

Artensterben: Tirols Flüsse werden wärmer

Die größte Artenvielfalt außerhalb der Meere ist in Gebirgsregionen: Sie beherbergen nach einer Studie 85 Prozent aller Amphibien-, Vogel- und Säugetierarten der Welt. Viele kommen ausschließlich in den Bergen vor. Der Klimawandel bedroht ihre Lebensräume. Gebirgsflüsse werden durch den Klimawandel immer wärmer, nicht nur im Sommer, wie eine Studie der Universität Innsbruck dieses Jahr zeigte.

Ausgewertet wurden langfristige Temperaturmessungen an der Großache in Tirol und am Inn, der durch die Schweiz, Österreich und Bayern fließt. Wissenschafter haben gezeigt, dass höhere Temperaturen den Sauerstoffgehalt verändern, was auch zum Aussterben von Fischarten führen kann. Die Temperatur hat auch Auswirkungen darauf, wann und wo Fische laichen und welche Parasiten sich ausbreiten.

Gletschersterben: Einfluss auf Trinkwasserversorgung

Überall schwindet Eis, und mangels Schnees bekommen die Gebirgsgletscher zu wenig Nachschub. Aus Sicht der Weltwetterorganisation (WMO) ist der Kampf um Gebirgsgletscher schon verloren. Sie dürften bis Ende des Jahrhunderts verschwunden sein, sagt WMO-Chef Petteri Taalas. Die Schweizer Gletscher haben zwischen 1931 und 2016 die Hälfte ihres Volumens verloren. 2022 und 2023 waren dann Extremjahre. Das Gletschervolumen schrumpfte nach Angaben der Schweizerischen Kommission für Kryosphärenbeobachtung um weitere zehn Prozent. In Deutschland ist ihre Zahl sogar schon von fünf auf vier geschrumpft. Der Südliche Schneeferner verlor 2022 seinen Status als Gletscher.

In Österreich hat es laut dem Gletscherbericht des Alpenvereins noch nie in der bis 1891 zurückreichenden Geschichte seines Gletschermessdienstes einen größeren Gletscherschwund gegeben als im vergangenen Jahr. Die Pasterze, noch der größte Gletscher hierzulande, habe im Vorjahr allein im Bereich der Gletscherzunge ein Volumen von 14,7 Millionen Kubikmeter Eis verloren.

Gletscherschwund mit dramatischen Folgen

Zum einen können sich als Folge davon Schmelzwasserseen bilden, die sich dann plötzlich ins Tal ergießen, wie im Mai 2022 in Pakistan. Die Wassermassen mit Geröll haben im Tal darunter Häuser und Felder zerstört.

Aber ohne Gletscher ist auch die Trinkwasserversorgung gefährdet: Mehr als eine Million Menschen hängen vom Wasser aus den Flüssen Indus, Ganges und Brahmaputra ab, die von Schnee- und Gletscherwasser des Himalaya genährt werden.