Tacho in Pkw mit Anzeige von Tempo 100
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Verkehr

„Luft-100er“ im Unterland nötig für Lkw-Verbot

Nach dem Aus für den „Luft-100er“ auf der Inntalautobahn zwischen Imst und Landeck fordern die Tiroler Freiheitlichen, auch Tempo 100 im Unterland aufzuheben. Beim Land lehnt man das ab. Der 100er sei Voraussetzung für Beschränkungen bei Transit-Lkws.

Der Landeshauptmann hatte heuer die Verordnung für den „Luft-100er“ zwischen Imst und Landeck für die Wintermonate kurz vor Inkrafttreten aufgehoben – mehr dazu in „Luft-100er“ im Tiroler Oberland aufgehoben. Grund sei die deutliche Einhaltung der Schadstoffwerte im Oberland, so Verkehrslandesrat Rene Zumtobel (SPÖ).

Die Aufhebung beruhe demnach einerseits auf fachlichen und rechtlichen Grundlagen sowie auf der gleichzeitigen Beibehaltung des „Luft-100ers“ im Unterland. Um dort die Einhaltung der Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerte sicherzustellen, seien Verkehrsbeschränkungen notwendig. Dazu gehören neben dem Tempo 100 für Pkws auch Maßnahmen für Lkws wie das Nachtfahrverbot für den Schwerverkehr und das sektorale Fahrverbot für bestimmte Transporte durch Tirol.

Lkw- Kolonne auf der Autobahn
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Der „Luft-100er“ gehört zu einem Maßnahmenpaket, mit dem auch der Lkw-Transit beschränkt werden soll

EU-Jurist sieht Transitbeschränkungen in Gefahr

EU-Rechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck, der die Landesregierung in Transitfragen berät, verwies darauf, dass die Transitbelastungen für Tirol gerade im Unterland und auf der Brennerautobahn entstehen. Dort habe sich die Luftqualität zwar ebenfalls verbessert, aber offenbar nicht in einem solch großen Ausmaß, das die Aufhebung von Schutzmaßnahmen zulasse. Vielmehr sei zu befürchten, dass mit dem Wegfall von Maßnahmen nach dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L) wie dem „Luft-100er“ und dem sektoralen Lkw-Fahrverbot die Limits wieder überschritten werden.

Der EU-Gerichtshof habe die Einführung des sektoralen Fahrverbotes zudem nur als zulässig eingestuft, wenn zuvor auch weniger drastische Maßnahmen wie der „Luft-100er“ eingeführt werden, so der Jurist. Werde Tempo 100 generell aufgehoben, dann falle quasi automatisch auch das sektorale Lkw-Fahrverbot. Dieses gilt für bestimmte Massentransporte wie Müll, Erze, Zement, Stahl, Rundholz und Getreide auf der Brennerroute durch Tirol. Mit dem Wegfall dieser Maßnahmen wäre die Tiroler Transitpolitik zumindest in Teilen infrage gestellt.

FPÖ macht sich für generelles Ende von „Luft-100er“ stark

Die Tiroler Freiheitlichen forderten dagegen neuerlich das generelle Ende von Tempo 100 nach dem IG-L auf den Autobahnen in Tirol. Das Tempolimit sei ein „Irrsinn, wenn immer umweltfreundlichere Motoren entwickelt werden und gleichzeitig nur so schnell gefahren werden darf wie auf einer Landesstraße“, argumentierte FPÖ-Landesobmann Markus Abwerzger. Seine Partei habe einen entsprechenden Antrag im Landtag eingebracht, der aber von der ÖVP-SPÖ-Mehrheit abgelehnt werde.

Abwerzger begrüßte die Aufhebung von Tempo 100 im Oberland. Was dort möglich sei, solle auch im gesamten Bundesland Tirol gelten, meinen die Freiheitlichen.

Transitforum mit starker Kritik an Freiheitlichen

Starke Kritik an der FPÖ-Forderung kam vom Transitforum Austria-Tirol. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid „zum Schutz der menschlichen Gesundheit“ sei im Raum Innsbruck und im Unterland nach wie vor überschritten. Nur aufgrund der geltenden Toleranzmargen konnten die geltenden Limits laut Transitforum-Chef Fritz Gurgiser teilweise eingehalten werden. Allerdings seien die aktuellen Grenzwerte ohnehin deutlich zu hoch und würden weit über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO liegen, so Gurgiser.

Fritz Gurgiser
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Transitforum-Chef Fritz Gurgiser beharrt im Sinne von Bevölkerung und Wirtschaft auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen

Falle das IG-Luft-Maßnahmenpaket in Tirol, dann hätten das die Anrainerinnen und Anrainer entlang der Autobahnen und großen Landesstraßen genauso „sündteuer zu bezahlen“ wie die Tiroler Wirtschaft, meinte Gurgiser. Der Obmann des Transitforums verwies darauf, dass heimische Pendler, Nahversorgerinnen und heimischer Lieferverkehr vielfach im Stau stehen. Schon derzeit komme es bei kleinen Unfällen oder generell wegen Überlastung immer wieder zu kilometerlangen Staus auf den Autobahnen in Tirol. Weichen Betroffene auf Landesstraßen aus, verursache das auch dort schwere Probleme und damit „volkswirtschaftliche Kosten, Zorn, Ärger, Frust und vor allem Unverständnis gegenüber der Politik und den Behörden“. Das Aufweichen von Verkehrsbeschränkungen lehnte das Transitforum deshalb dezidiert ab.

Diejenigen, die jetzt generell die Aufhebung von Tempo 100 fordern, seien dieselben, die die Anrainerinnen und Anrainer im Inntal und im Wipptal der „Freiheit der Nutzung“ ihrer Häuser, Gärten und Terrassen „berauben“, so Gurgiser. Auch die Wirtschaft wäre zusätzlich betroffen, verwies Gurgiser etwa auf Beeinträchtigungen für den Tourismus in der Region. „Weil jeder, der neben einer Straße wohnt, weiß, was es heißt, wenn jemand statt mit 100 mit 130 vorbeifährt“, sieht der Transitforum-Chef in der FPÖ-Forderung eine „untragbare“ Position.