Obdachloser auf Parkbank
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Soziales

Wohnungsnot: Offener Brief an die Politik

Sieben Vereine, die sich in Tirol um wohnungslose Menschen kümmern, haben am Donnerstag einen Offenen Brief an die Politik gerichtet. Sie fordern „endlich strukturelle Maßnahmen gegen die Wohnungslosigkeit“. Derzeit seien mehr als 100 Frauen mit 90 Kindern in Tirol ohne Wohnung.

Es sind durchwegs namhafte Vereine und soziale Einrichtungen, die sich das ganze Jahr über, und besonders in den Wintermonaten um Tirolerinnen und Tiroler kümmern, die aus unterschiedlichsten Gründen kein Dach mehr über dem Kopf haben. Und die sich in Tirol ein solches auch nicht mehr leisten können.

Das DOWAS/Chill out Innsbruck, lilawohnt, das Rote Kreuz Tirol, die Teestube Schwaz, die Tiroler Sozialen Dienste (TSD), der Verein für Obdachlose und die Wohnungslosenhilfe der Innsbrucker Sozialen Dienste setzten gemeinsam einen Offenen Brief auf, der an die Politik gerichtet ist. Adressaten sind die Landesregierung wie auch die Abgeordneten des Landtags, die Stadtregierung und Gemeinderäte von Innsbruck, alle Bürgermeister in Tirol als auch die Sozialpartner.

Forderung nach leistbarem Wohnraum

Im Offenen Brief wird die „fehlende Wohnraumversorgung der öffentlichen Hand“ angeprangert. Die Mietpreise würden „explodieren“ in Tirol. Besonders Menschen mit niedrigem Einkommen seien auf den privaten Immobilienmarkt, das teuerste Wohnsegment, angewiesen und würden scheitern.

Sieben Vereine, sieben Veranwtortliche, v.l.: Daren Ranalter (Alexihaus), Antonia Rauch (NoRa), Michael Hennermann (Verein für
Obdachlose), Julia Schratz (lilawohnt), Peter Grüner (DOWAS/Chill Out), Ingo Ullrich
(Mitarbeiter Notschlafstelle Rotes Kreuz) und Andrea Cater-Sax (TSD) vlnr
Alena Klinger
Von links: Daren Ranalter (Alexihaus), Antonia Rauch (NoRa), Michael Hennermann (Verein fürObdachlose), Julia Schratz (lilawohnt), Peter Grüner (DOWAS/Chill Out), Ingo Ullrich

Mehr als 1.200 Menschen mussten abgewiesen werden

Übergangswohnhäuser, Wohngemeinschaften und Betreutes Wohnen haben 2022 insgesamt 286 Wohnplätze zur Verfügung gestellt. „Wenn wir alle unsere Wartelisten zusammenzählen, dann sind es über 100 Frauen mit 90 Kindern, die jetzt einen Wohnplatz brauchen“, berichtet Julia Schratz von lilawohnt. „Wohnungslosigkeit ist kein individuelles Versagen, sondern Ausdruck struktureller Mängel. Die beste Antwort auf Wohnungslosigkeit ist eine Wohnung“, erklärt Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose.

Die Notschlafstellen in Innsbruck, Kufstein, Lienz und NoRa Notraum für Frauen in Innsbruck sowie die Schlafstellen des Roten Kreuzes
seien im Winter „permanent voll“, so die sozialen Einrichtungen. Man habe 574 Menschen eine Notunterkunft mit 84.129 Nächtigungen ermöglicht. „Wir mussten im Laufe des Winters 1.206 Menschen abweisen, weil wir voll waren“, beschrieb Ines Obser vom Roten Kreuz die Situation, die durchaus als prekär zu bezeichnen ist – mehr dazu in Notschlafstelle: Rekordauslastung im Winter.

Obdachlose Menschen sind politisches Randthema

Wohnungslosigkeit dürfe nicht weiterhin ein politisches Randthema bleiben. Denn bereits jetzt könnten sich Tausende Menschen das Wohnen in Tirol mit den hohen Preisen, insbesondere bei Mieten und Betriebskosten, nicht mehr leisten. Und es gebe immer mehr Betroffene. Rund ein Drittel von ihnen brauche keine Unterstützungsleistungen sondern schlicht eine Wohnung, die bezahlbar ist. Es mache keinen Sinn, „weiter Notprogramme auf den Weg zu bringen, wenn leistbare Wohnungen als zentrale Infrastruktur nicht zur Verfügung steht“.

Vereine fordern Taten statt Worte

Die Hilfsorganisationen fordern geschlossen „ein politisches Bekenntnis zu kurzfristigen Lösungen und langfristigen Entwicklungen“. Im aktuellen Regierungsprogramm sei die Rede von „dem Bekenntnis zur Unterstützung der Sozialeinrichtungen“, heißt es in dem Offenen Brief. Einzige Ausnahme bilde die Feststellung „Das Angebot an Notwohnungen tirolweit zu evaluieren und im erforderlichen Ausmaß aufzustocken sowie zu beleuchten, inwieweit das Konzept Housing First implementiert werden kann.“ Doch bisher sei nichts passiert, bilanzieren die Vereine. Das sei zu wenig und entspreche nicht der von Österreich unterzeichneten Lissaboner Erklärung zur Bekämpfung der Wohn- und Obdachlosigkeit in Europa.