Justizanstalt: Das Gefängnis in Innsbruck
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Chronik

Bericht zeigt Missstände in Gefängnissen auf

Teilweise 23 Stunden pro Tag in der Zelle und fehlendes Personal – das sind zwei der Missstände in österreichischen Haftanstalten, wie aus einem Bericht des Europarats hervorgeht. Darin werden die Zustände in ausgewählten Gefängnissen beschrieben, etwa auch in der Justizanstalt Innsbruck. Einige Bereiche werden positiv hervorgehoben.

Der „Anti-Folter-Bericht“ stammt vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Committee for Prevention of Torture, CPT). Im November und Dezember 2021 besuchte eine Delegation mehrere österreichische Haftanstalten. Dazu gehören etwa in Tirol die Justizanstalt (JA) Innsbruck und das Gefängnis der Landespolizeidirektion (LPD). Diese Woche wurden die Ergebnisse präsentiert.

Als „weiterhin äußerst schlecht“ bezeichnet der Bericht die Haftbedingungen für nicht arbeitende männliche Strafgefangene. Das betrifft neben anderen Einrichtungen etwa auch die Justizanstalt Innsbruck. Das liege daran, dass diese Häftlinge teilweise nur für sehr kurze Zeit Bewegung im Freien bekommen würden. 23 Stunden seien sie pro Tag in ihren Zellen eingeschlossen. „Ein derartiger Zustand ist nicht hinnehmbar“, heißt es in dem Bericht.

Diese lange Zeit in der Zelle sei ein großes Problem für die Häftlinge, weiß auch Kristin Henning, Leiterin des Vereins Neustart Innsbruck, die in der Bewährungshilfe tätig ist. „Die langen Einschlusszeiten sind natürlich sehr frustrierend, weil sehr viel Langeweile herrscht“, sagt sie. Man könne die Zeit nicht konstruktiv nutzen und etwa Strukturen lernen oder sich weiterbilden. „Von daher ist das sicher etwas, das sehr negativ erlebt wird.“

Bildungsniveau und Sprachbarrieren ausschlaggebend

Der Grund für die langen Einschlusszeiten in der Zelle sei etwa die angespannte Personalsituation, heißt es auf Anfrage vom Leiter der Justizanstalt Innsbruck, Reinhard Potocnik, gegenüber dem ORF Tirol. Darüber hinaus würden das „derzeitige Bildungsniveau unter den Insassinnen und Insassen, aber auch die sprachlichen Barrieren“ erst gezielte Bildungsmaßnahmen erfordern. Erst dann könne eine Beschäftigung aufgenommen werden, so Potocnik.

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Der CPT-Bericht kritisiert unter anderem, dass manche Häftlinge 23 Stunden lang in ihrer Zelle eingesperrt seien

Zusätzlich sei die vorhandene Betriebsstruktur maßgeblich für die derzeitige Situation verantwortlich. Aktuell ermögliche diese die tägliche Beschäftigung von zumindest der Hälfte der Häftlinge. „Trotzdem sind wir durchaus in der Lage, unseren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen“, meint der Anstaltsleiter. Neben Sprachkursen biete man mittlerweile auch Sport-, Bastel- und Entspannungsgruppen an.

Aktivitäten wichtig für Zeit nach Haft

Angesichts der teils sehr geringen Zeiten außerhalb der Zelle empfiehlt der CPT-Bericht den österreichischen Behörden, das Angebot der Aktivitäten zu verbessern. „Besonderes Augenmerk sollte auf die Situation von Untersuchungshäftlingen gelegt werden“, heißt es. Das Ziel sollte es demnach sein, sämtlichen Insassen angemessene und zweckmäßige Beschäftigungen zu ermöglichen. Das bedeute konkret, acht Stunden oder mehr mit Aktivitäten wie Arbeit, Ausbildung, Sport oder Freizeit einzuräumen.

Möglichst viele Aktivitäten seien in jedem Fall sehr wichtig für die Gefangenen, sagt auch Henning. Denn mehr Abwechslung auf dem Gelände der Haftanstalt anstelle in der Zelle wirke sich vor allem positiv auf die Zeit nach der Haft aus: „Da soll man dann ja auch aktiv sein Leben gestalten und muss viele Dinge neu machen, und wenn man da so eine gewisse Zeit auf einem ‚Abstellgleis‘ war, fällt das dann umso schwerer.“ Umso aktiver der Aufenthalt in der Justizanstalt genutzt werden könne, umso besser sei das auch unmittelbar nach der Entlassung.

Keine körperlichen Misshandlungen, aber Beschimpfungen

Der Bericht des Europarats geht auch auf die Frage von körperlichen Misshandlungen in den österreichischen Haftanstalten ein. Durch das Personal seien in der Justizanstalt Innsbruck während der Erhebung keine Vorwürfe aufgekommen. Stattdessen hätten mehrere Häftlinge ausdrücklich erklärt, dass der Umgang seitens des Personals respektvoll sei.

Der Delegation kamen laut dem Bericht jedoch „einige Vorwürfe wegen Beschimpfungen zu Ohren“, so auch in der Justizanstalt Innsbruck. Dazu gehörten Beschimpfungen rassistischer oder fremdenfeindlicher Art. Solche Vorkommnisse seien „nicht hinnehmbar“ und sollten „entsprechend bestraft werden“, empfiehlt das CPT.

Infrastruktur und medizinische Versorgung positiv

Die materiellen Bedingungen in der JA Innsbruck, das heißt die Infrastruktur, seien bereits in einem früheren Bericht aus dem Jahr 2009 beschrieben worden. Diese seien „weiterhin gut“. In den separaten, neueren Trakten seien diese überhaupt „auf einem hohen Niveau“. Dort werden unter anderen Frauen und Jugendliche untergebracht.

Justizanstalt Innsbruck von außen mit Gittern und Stacheldrahtzaun
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Beschäftigung und Freizeit während der Haft seien laut Bewährungshilfe besonders wichtig für die Häftlinge

Auch die medizinische Versorgung sei für die Häftlinge „in vielerlei Hinsicht zufriedenstellend“. Das CPT würdigt dabei vor allem die Bemühungen des Personals, um den Insassen „eine hochwertige medizinische Versorgung anzubieten“. Insgesamt zeige der Bericht laut Anstaltsleiter Potocnik, dass verschiedene Maßnahmen der vergangenen Jahre „Früchte tragen“, zum Beispiel in der Beschäftigung und im Rückgang der Gewalt unter den Insassinnen und Insassen.

Rund 470 Insassen in JA Innsbruck

Nichtsdestoweniger bestehen Mängel auch bei der medizinischen Versorgung, so der Bericht. Vor allem bei der Personalsituation in den Bereichen Allgemeinmedizin, psychiatrische Versorgung und Pflege gebe es Aufholbedarf. Zu den Haftbedingungen in der Landespolizeidirektion Innsbruck hält der Bericht fest, dass während des Besuchs Damenbinden nicht unmittelbar verfügbar gewesen seien. Das CPT empfiehlt daher, diesen Mangel zu beheben.

Der Personalmangel selbst beschäftigt die JA Innsbruck bereits seit mehreren Jahren. Bei einem Besuch von Justizministerin Alma Zadic im Jahr 2020 wurden hier Maßnahmen und Investitionen angekündigt – mehr dazu in Zadic verspricht Jobs für Justizanstalt. Bisherige Kampagnen für Stellenbesetzungen hätten laut Potocnik noch keine Ergebnisse gebracht.

Totale der Innsbrucker Justizanstalt von oben
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Die Justizanstalt Innsbruck wurde 1967 eröffnet, im Jahr 2000 renoviert und 2020 um ein weiteres Gebäude ergänzt

Aktuell sind in der JA Innsbruck rund 470 Häftlinge untergebracht. Platz ist für maximal 475 Insassen. Der Gesamtstand inklusive des elektronisch überwachten Hausarrests („Fußfessel“) und der Belegung in psychiatrischen Anstalten belaufe sich auf rund 540 Personen. Dem stehen 162 Planstellen im Exekutivdienst gegenüber. Dazu kommen 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betreuungsbereich (Psychologinnen, Sozialarbeiter, Ärztinnen etc.).

Österreichweit starke Kritik

Auf Bundesebene lösten die Ergebnisse des CPT Kritik von Menschenrechtsorganisationen und seitens der Politik aus. Amnesty International forderte die Regierung dazu auf, Maßnahmen zu setzen. Sie könne „nicht länger die Augen verschließen“ – mehr dazu in Schlechtes Zeugnis für Maßnahmenvollzug.

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim strich erneut den Personalmangel hervor. „In den Justizanstalten sind nach wie vor viele Stellen nicht besetzt und können offensichtlich auch nicht besetzt werden, weil sich kein Personal findet. Aber auch im Maßnahmenvollzug ist die Situation dramatisch“, meinte sie in einer Aussendung. Yildirim forderte eine Personaloffensive, eine Attraktivierung der Arbeitsbedingungen sowie bessere Bezahlung.