Helmut Schreiner
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Chronik

Aus für Schreiner bei Zillertalbahn

Der Technikvorstand der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG, Helmut Schreiner, verlässt nach Bekanntwerden einer offenbar abgeschriebenen, an der Universität Riga in Lettland eingereichten Doktorarbeit endgültig die Zillertaler Verkehrsbetriebe.

Das teilte Aufsichtsratschef und ÖVP-Abgeordneter Franz Hörl am Dienstag nach einer Sitzung mit. Laut Hörl ist sich Schreiner seines Fehlers bewusst. Er gehe nun, weil er mit seiner verlorenen Glaubwürdigkeit das Projekt Wasserstoffbahn im Zillertal nicht gefährden wolle, so Hörl. Man habe das Dienstverhältnis im Einvernehmen aufgelöst.

Die Arbeit war laut der „Tiroler Tageszeitung“ offenbar ein komplettes Übersetzungsplagiat einer im Jahr 2020 an der Technischen Hochschule in Aachen genehmigten Dissertation.

Auch als Geschäftsführer der Achenseebahn entlassen

Auch als Geschäftsführer der im Mehrheitseigentum des Landes stehenden Achenseebahn muss Schreiner seinen Hut nehmen. „Aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe und des damit massiv geschädigten Vertrauensverhältnisses habe ich in meiner Funktion als Mehrheitseigentümervertreter der Achenseebahn GmbH bereits einen Rechtsanwalt damit beauftragt, das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer fristlos und unverzüglich aufzulösen“, ließ Verkehrslandesrat Rene Zumtobel (SPÖ) die APA wissen. Das Vertrauensverhältnis sei auf null gesunken, heißt es aus dem Büro des Landesrats.

Originalarbeit wurde 2020 genehmigt

Die Originalarbeit war im Jahr 2020 an der Technischen Hochschule in Aachen als Dissertation genehmigt worden. Schreiner hatte die Aachener Dissertation offenbar einfach kopiert und die ursprüngliche Dissertation über Mobilität im deutschen Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen ins Englische übersetzt oder übersetzen lassen – vom Inhaltsverzeichnis über den Forschungsgegenstand und die Analysen bis zu den vermeintlichen Interviewpartnern. Die deutschen Gemeinden und Städte wurden dabei mit den Orten im Zillertal ausgetauscht.

In der Arbeit, die der APA vorliegt, geht es um die „Implementierung von Smart Mobility in ländlichen Regionen“. Auch die Zillertalbahn als künftige „Wasserstoffbahn“, als deren Verfechter Schreiner gilt, ist Thema „seiner“ Doktorarbeit.

„Plagiatsjäger“ Weber kam ihm auf die Schliche

Auf die Schliche kam Schreiner der als „Plagiatsjäger“ bekannte Salzburger Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber. Dieser hatte „über Umwege“, wie er sagte, ein Exemplar erhalten, nachdem Schreiner selbst die neue Dissertation aus Riga an eine Teilöffentlichkeit disseminiert habe, um seinen Anspruch auf den Doktortitel nach den ursprünglichen Vorwürfen nachzuweisen. Dabei stieß Weber auf Ungereimtheiten im empirischen Teil bei Schreiners Interviewpartnern.

„Schwerwiegender Fall von Wissenschaftsbetrug“

„Ich habe das nahezu komplette Übersetzungsplagiat über Umwege mit der Plagiatssoftware Turnitin entdeckt“, so der Wissenschaftler. Das Plagiat erstrecke sich vom Inhalts- bis zum Literaturverzeichnis, urteilte Weber. Es handle sich um einen „schwerwiegenden Fall von Wissenschaftsbetrug, der alle Formen wissenschaftlichen Fehlverhaltens – Plagiat, Datenfälschung und Datenerfindung – auf einmalige Weise in sich vereint.“ Rund 22.000 Euro kostete laut Weber das Doktorat in Riga, das von der „University of Salzburg Business School“ angeboten wird.

Seit 2019 Doktortitel zu Unrecht geführt

Vergangene Woche war bekanntgeworden, dass der Technikvorstand der Zillertalbahn seit 2019 zu Unrecht einen Doktortitel führte. Schreiner selbst bestätigte schließlich, dass er über den Anfangsprozess für eine Dissertation zum Thema Wasserstoff an der Universität Innsbruck nicht hinausgekommen war. Gleichzeitig verwies er darauf, dass er zwischenzeitlich ein Studium an der Universität Riga abgeschlossen habe. Es fehle nur noch die Verleihung der Doktorwürde – mehr dazu in Zu Unrecht Doktor: Bahnvorstand beurlaubt.

Schreiner behauptet in seiner Arbeit übrigens, mit dem Regionalmanager der ÖBB ein Interview geführt zu haben. Das war damals der jetzige Verkehrslandesrat Zumtobel. Mit ihm sei aber nie ein Interview geführt worden, hieß es von Zumtobel.

Land hält an Wasserstoffbahn fest

Darüber hinaus entbrannte eine politische Debatte. Die Landesopposition nahm die Causa zum Anlass, einmal mehr das Projekt Zillertalbahn als „Wasserstoffbahn“, für das kürzlich von der ÖVP-SPÖ-Landesregierung der Grundsatzbeschluss gefallen war, infrage zu stellen. Das Land betonte indes, dass die Wasserstoffentscheidung einzig und allein auf unabhängigen Gutachten eines internationalen Unternehmens basiere und nicht auf der nicht beendeten Dissertationsschrift Schreiners.

Grüne fordern Stopp des Wasserstoffprojekts

Von den Grünen kam am Dienstag die Forderung, das Wasserstoffprojekt zu stoppen. Es sei eindeutig, dass die Grundannahmen für das Wasserstoffprojekt falsch sind. Deshalb sei zu befürchten, dass auch die entstehenden Mehrkosten noch einmal deutlich über den bereits jetzt berechneten 85 bis 180 Millionen Euro liegen. „Wir brauchen das Geld dringend für den Öffi-Ausbau in Tirol. Es in Franz Hörls Lieblingsprojekt zu versenken liegt bestimmt nicht im Interesse der Tiroler*innen", hieß es von Klubobmann Gebi Mair in einer Aussendung der Grünen.

FPÖ fordert Einstellung von Förderungen

Der Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abwerzger forderte eine vorläufige Einstellung sämtlicher Förderungen an die Zillertalbahn seitens des Landes und eine Untersuchung der Mittelverwendungen in den vergangenen Jahren. Zu Schreiner heißt es, „so jemand, der einen klaren Betrug an der Wissenschaft begangen hat, ist nicht mehr als Geschäftsführer einer Bahn, die Millionen Steuergelder bekommt, tragbar“.

Abwerzger ortet auch die Gefahr, dass die Causa „Wasserstoffbetrieb der Zillertalbahn“ zu einem unermesslichen Problemfall werden könne. „Alles, was wir derzeit wissen, ist, dass die Bahn ein Milliarden-Euro-Grab wird, wenn die Kosten auf dreißig Jahre berechnet, bereits eine Milliarde an Euros ausmacht“, so Abwerzger.

Liste Fritz spricht von „Kriminalfall“

Bei der Liste Fritz sprach man von einem „Kriminalfall“. Die Verantwortlichen hätten selbstverständlich die Reißleine zu ziehen, alle möglichen und notwendigen Konsequenzen zu veranlassen und sich bei Schreiner natürlich auch finanziell schadlos zu halten, so Klubobmann Markus Sint. Es solle für den Aufsichtsrat der Zillertalbahn und für die schwarz-rote Landesregierung selbstverständlich sein, dass das millionenteure Wasserstoffzugsprojekt der Zillertalbahn komplett neu zu bewerten sei. Sint forderte, das Projekt Wasserstoffzug zu stoppen.

Oberhofer fordert umfassende Prüfung

NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer forderte eine umfassende Prüfung „nicht nur des gesamten Wasserstoffprojekts, sondern auch von allen Unternehmen, bei denen Schreiner in Verantwortung war. Jemandem, der seine Doktorarbeit auf solch dreiste Art und Weise fälscht, ist auch an der Unternehmensspitze nicht zu trauen.“ Dass in der Zwischenzeit keine weiteren Zahlungen öffentlicher Gelder an das Unternehmen erfolgen und das Projekt Wasserstoffbahn vorerst auf Eis liege, verstehe sich hoffentlich von selbst, so der Klubobmann.