Helmut Schreiner
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Chronik

Zu Unrecht Doktor: Bahnvorstand beurlaubt

Das unerlaubte Führen eines Doktortitels des Vorstands der Zillertalbahn hat am Donnerstag zu Konsequenzen geführt. Helmut Schreiner wurde auf unbestimmte Zeit beurlaubt, FPÖ und Grüne forderten den Stopp des Wasserstoffprojekts der Zillertalbahn.

Die Entscheidung, Schreiner vorerst zwei Wochen zu beurlauben, habe Franz Hörl, Aufsichtsratschef der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG, gemeinsam mit Schreiner getroffen, betonte Hörl. Im Unternehmen gelte es nun, die Causa umfassend aufzuarbeiten. Dann werde der Aufsichtsrat entscheiden, ob und welche Schritte gesetzt werden.

Hörl betonte aber, dass man Wert darauf lege, einen guten und sehr verdienten Mitarbeiter nicht wegen einer Fehlleistung über Gebühr zu sanktionieren. Schreiner sei schließlich im Jahr 2017 wegen seiner fachlich unbestrittenen Kompetenzen und internationalen Erfahrungen im Eisenbahnbau engagiert worden.

Hörl: „Seine private Angelegenheit“

Zuvor hatte der mächtige Tiroler ÖVP-Wirtschaftsbund-Chef nur den Kopf schütteln können über die Vorgangsweise des Technikvorstands, denn Titel würden für ihn, Hörl, schließlich keine Rolle spielen.

„Aber das ist seine private Angelegenheit, es hat nichts mit dem Unternehmen zu tun“, ließ Hörl zunächst wissen. Mit oder ohne Doktortitel – Schreiner mache einen sehr guten Job, so Hörl. Mittlerweile sah Hörl aber auch weitere Auswirkungen, die der Aufsichtsrat jetzt bewerten müsse.

Seilbahn-Chef Franz Hörl im Interview
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Franz Hörl hat die Beurlaubung gemeinsam mit Schreiner entschieden

Bei Achenseebahn mit sofortiger Wirkung freigestellt

Schreiner ist auch Vorstand der Achenseebahn GmbH, an der das Land Tirol 60 Prozent der Anteile hält. Die Generalversammlung der Achenseebahn habe sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe dazu entschlossen, den Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung vorübergehend vom Dienst freizustellen, bis die Vorwürfe restlos geklärt seien, informierte Landesrat Rene Zumtobel (SPÖ) in seiner Funktion als Mehrheitseigentümervertreter der Achenseebahn GmbH am späteren Donnerstagnachmittag.

Seit 2019 Doktortitel geführt

Wie die „Tiroler Tageszeitung“ („TT“) in ihrer Donnerstag-Ausgabe berichtete, führte Schreiner offenbar seit dem Jahr 2019 zu Unrecht einen Doktortitel.

Mittlerweile habe er aber ein zwischenzeitlich aufgenommenes Doktoratsstudium an der Universität Riga in Lettland abgeschlossen, betonte der Technikvorstand, der als vehementer Verfechter des Projekts Zillertalbahn als „Wasserstoffbahn“, das mittlerweile auf Schiene ist, gilt. Er räumte aber ein, dass ihm die Doktorwürde nach wie vor nicht verliehen wurde: „Doch das ist nur eine Frage der Zeit.“

Doktorarbeit blieb in Anfängen stecken

Dem Bericht in „TT“ zufolge hatte Schreiner beginnend mit 2018 am Institut für Infrastruktur der Universität Innsbruck, Arbeitsbereich Intelligente Verkehrssysteme, dissertieren wollen. Er habe auch Seminare absolviert. Doch über die Planung, wissenschaftliche Fragestellungen und die Abklärung der Methodik sei er mit seinem damaligen Betreuer nicht hinausgekommen.

Es habe unterschiedliche Auffassungen zum Thema Wasserstoff gegeben, führte der Vorstand nunmehr als Grund an. Und Schreiner trat offenbar auch öffentlich mit einer „Dissertationsschrift“ zur künftigen „Wasserstoffbahn“ im Zillertal auf. Diese überreichte bzw. präsentierte er im Jahr 2019 auch dem damals wahlkämpfenden ÖVP-Chef Sebastian Kurz, im Beisein etwa des damaligen LH Günther Platter (ÖVP) und der früheren Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Der „Entwurf“, wie Schreiner die Arbeit jetzt nennt, sei aber dann eingestampft worden.

Seit Donnerstag nur noch Diplomingenieur auf Homepage

Nichtsdestoweniger firmierte Schreiner laut „TT“ seit September 2019 bis diesen Mittwoch offiziell als Doktor – auf Visitenkarten, bei offiziellen Auftritten und im Unternehmen. Am Donnerstag war auf der Homepage der Zillertaler Verkehrsbetriebe hingegen nur mehr von einem Diplomingenieur (DI) Schreiner zu lesen.

Helmut Schreiner sitzt an einem Schreibtisch
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Helmut Schreiner erscheint auf der Homepage der Zillertaler Verkehrsbetriebe nun als Diplomingenieur

Vor sechs Monaten Anzeige bei Stadtmagistrat

Der Sprecher der Universität Innsbruck, Uwe Steger, teilte der APA mit, dass man vor rund sechs Monaten – nach zunächst anonymen Hinweisen und dann solchen aus dem Haus – Anzeige beim Stadtmagistrat Innsbruck gegen Schreiner erstattet habe. Zuvor hatte es seitens der Uni geheißen, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Das war aber offenbar ein Irrtum.

Vom Innsbrucker Stadtmagistrat sei die Causa aber an das Salzburger Magistrat weitergeleitet worden, da der Technikvorstand offenbar dort seinen Hauptwohnsitz hat. Die Anzeige konnte aber inzwischen geklärt werden, zumindest laut Schreiners Angaben.

FP-Obmann Abwerzger will Wasserstoff-Projektstopp

Unterdessen nahm die Landesopposition den Ball in der Causa auf und schoss sich auch einmal mehr auf das Wasserstoffprojekt an sich ein. Den Abgang Schreiners forderte Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger. „Aus meiner Sicht ist so jemand, der derartig lügt und betrügt, in einer solchen Position nicht tragbar“, meinte Abwerzger in einer Aussendung.

Markus Abwerzger
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FP-Obmann Abwerzger für sofortigen Stopp des Wasserstoffprojekts

Der FPÖ-Obmann ging zudem noch einen Schritt weiter und verlangte einen sofortigen Wasserstoff-Projektstopp sowie eine neuerliche externe Überprüfung der Grundlagen des Projektes. Denn wenn eventuell sogar eine nicht vorhandene Dissertation als Basis für das Projekt diente, dann könne man alles Bisherige vergessen, erklärte der Landesparteiobmann.

Auch Grüne stellen Projekt infrage

„Falscher Doktor, falsche Zahlen, falscher Zug“, fasste hingegen Grünen-Klubobmann Gebi Mair die Causa zusammen. Für die Grünen stellen die nunmehrigen Erkenntnisse das überteuerte Projekt grundsätzlich infrage. „Wurde die Öffentlichkeit nicht nur über den Doktortitel getäuscht, sondern auch über die Grundlagen des Wasserstoffprojekts im Zillertal?“, fragte Mair.

Die Landesregierung müsse volle Transparenz walten lassen, ob Grundlagen aus Schreiners angeblichen Dissertationen für die Projektentwicklung herangezogen wurden.

Land will an Wasserstoffbahn festhalten

Dem entgegnete unterdessen das Land Tirol gegenüber der APA: „Die Entscheidung der Tiroler Landesregierung auf Umsetzung einer wasserstoffbetriebenen Schmalspurbahn im Zillertal basiert auf der Grundlage von unabhängigen Gutachten eines renommierten internationalen Fachunternehmens“, wurde betont.

Die angesprochene schriftliche Arbeit des Geschäftsführers liege dem Land nicht vor und sei „zu keinem Zeitpunkt ausschlaggebend für Entscheidungen der Tiroler Landesregierung“ gewesen.

Dominik Oberhofer
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Aus Sicht von Dominik Oberhofer hat Schreiner der Zillertalbahn geschadet

Oberhofer nimmt Dominik Mainusch in Pflicht

„Man muss sich schon fragen, wie die Zillertalbahn geführt wird, wenn der Chef sich einen Doktortitel erschwindeln kann, und niemandem fällt so etwas auf“, pochte unterdessen NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer auf Konsequenzen und nahm dabei Hörl sowie dessen Parteifreund, Aufsichtsrat und Landtagsabgeordneter Dominik Mainusch, in die Pflicht.

Schreiner habe nicht nur Schaden über das Unternehmen gebracht, sondern öffentlich die wissenschaftliche Expertise zur Umrüstung der Zillertalbahn auf Wasserstoff diskreditiert.

Landesregierung für Umstellung auf Wasserstoffantrieb

Am Dienstag hatte das Unternehmen noch mit „Good News“ in Sachen Wasserstoff aufwarten können. Die schwarz-rote Landesregierung fasste einen Grundsatzbeschluss auf Dekarbonisierung und Umrüstung der schmalspurigen Zillertalbahn auf Wasserstoffantrieb – mehr dazu in Regierung „bewusst“ für Wasserstoffbahn – ein Projekt, das zuletzt etwas ins Stocken geraten war und Hörl stets stark vorangetrieben hatte.

Nun soll ein „gesamthaftes Konzept“ ausgearbeitet und Verhandlungen mit dem Bund hinsichtlich der Mitfinanzierung aufgenommen werden. Die Opposition kritisierte hingegen beträchtliche Mehrkosten bzw. einen „sorglosen Umgang mit Steuergeldern“.