Wohnungstür in Haus in Ottakring – Gasexplosion verhindert
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Soziales

Immer mehr Menschen vor Wohnungsverlust

Die Delogierungsprävention Tirol verzeichnet einen starken Anstieg an Erstkontakten und Beratungen. Die Teuerungswelle habe die ohnehin angespannte Situation noch einmal verschärft. Bestehende Förderungen würden in akuten Fällen helfen, langfristige Lösungen würden aber fehlen.

55 Haushalte haben im letzten Jahr monatlich die Delogierungsprävention Tirol aufgesucht. In diesem Jahr waren es bis jetzt durchschnittlich 85. Ein starker Anstieg, auch im Vergleich zu dem während der Corona-Pandemie, sagt Michael Hennermann, der Geschäftsführer vom Verein für Obdachlose: „In der Corona-Zeit hatten wir einen Anstieg um 20 Prozent. Wirklich dramatisch hat die Situation die Teuerung gemacht.“

Die Menschen, die momentan zur Beratung kommen, kämpfen mit Mehrfacherhöhungen der Miete und mit extrem hohen Vorschreibungen für Energie- und Betriebskosten. „Es gibt da teilweise Steigerungen von bis zu 350 Prozent, was Energie- und Heizkosten betrifft. Das ist für viele Haushalte nicht mehr stemmbar“, so Hennermann. Speziell Einzelpersonen ohne Erspartes oder mit einem laufenden Kredit seien betroffen.

Viele nutzen Förderungen nicht

Dabei gibt es laut Hennermann gute Förderungen, um Mietrückstände auszugleichen. So hat das Land Tirol vor zwei Jahren aufgrund der Corona-Pandemie einen Mietrückstandsfonds eingerichtet. Der Bund hat vor einem Jahr mit einem ähnlichen Fonds nachgezogen. Gemeinsam mit der Mindestsicherung können so in den meisten Fällen die Rückstände übernommen werden.

Viele Menschen würden Ansprüche wie Mietzinsbeihilfe oder Wohnbeihilfe aber nicht geltend machen. „Dafür gibt es verschiedene Gründe. Das sind Nicht-Wissen oder der Glaube, man falle nicht in eine Fördergruppe. Außerdem ist es für viele Menschen sehr verwirrend, wo sie welche Förderungen bekommen. Und dann geht es freilich um Scham. Dabei sollte sich wirklich niemand genieren, wenn es sich nicht mehr ausgeht. Es ist wichtig, dass man Hilfe sucht – und die gibt es auch“, erklärt Michael Hennermann.

Längerfristige Maßnahmen fehlen

Jedoch seien die bestehenden Maßnahmen, wie der Mietrückstandsfonds, nur kurzfristig wirksam und könnten das Problem längerfristig nicht lösen, so Hennermann: „Es bringt nichts, wenn man immer nur Löcher stopft und punktuell zuschießt, sich an der Gesamtsituation aber nichts ändert.“

Das Land Tirol hatte erst in der jüngsten Sitzung einen 7-Punkte-Plan für leistbares Wohnen beschlossen. Mehr dazu unter Mehr Geld für leistbares Wohnen. Ab 1. Juni soll damit auch die Mietzinsbeihilfe steigen. Das ist laut Hennermann zumindest eine Maßnahme, die monatlich hilft: „Man muss sich aber schon die Frage stellen: Wen fördert man eigentlich? Das Geld geht im Grunde direkt auf die Vermieterseite und die Preise werden dadurch nicht günstiger.“

Hennermann wünscht sich einen Mietpreisdeckel bzw. eine Mietpreisbremse. Die Bundesregierung hat aber dieser erst kürzlich eine Absage erteilt und stattdessen die Wohnkostenhilfe als Einmalzahlung angekündigt. Es wurde scharf kritisiert, dass diese Maßnahme nicht nachhaltig sei. Mehr dazu unter Scharfe Kritik an Aus für Mietpreisbremse.

Von 1. April bis 31. Oktober kann außerdem ein Wohn- bzw. Heizkostenzuschuss vom Land beantragt werden. Auch der sei einmalig und damit laut Hennermann nicht nachhaltig, für Menschen in finanzieller Schieflage aber dennoch wichtig.