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Deutliches Plus bei Unternehmenspleiten

Im ersten Quartal hat es in Tirol 91 Firmenpleiten gegeben. Im Vergleich zum Vorjahr war das nach Angaben des KSV1870 ein Anstieg um 7,2 Prozent. Österreichweit die größte Firmenpleite betrifft die Pharmazeutische Fabrik Montavit GmbH aus Absam mit rund 45 Mio. Euro an Passiva.

Die heimischen Betriebe sind seit Ausbruch der Pandemie im Krisenmodus verhaftet. Waren es ursprünglich die Covid-Beschränkungen, belasten derzeit insbesondere hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie der akute Personalmangel die Tiroler Wirtschaft.

Anstieg der Firmenpleiten für KSV1870 keine Überraschung

Unternehmen, die bereits vor der Pandemie wirtschaftlich angeschlagen waren und nur durch staatliche Förderungen am Markt bleiben konnten, schlittern nunmehr in die Pleite. „Vor dem Hintergrund der Vielzahl an belastenden Faktoren, mit denen sich die heimische Wirtschaft beschäftigen muss, ist es keine Überraschung, dass die Zahl der Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr wieder leicht angestiegen ist“, erklärt Klaus Schaller, Regionalleiter West des KSV1870.

Nach der Hochrechnung des Gläubigerschutzverbandes waren ersten Quartal in Tirol 91 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Damit sieht der KSV1870 die ruhigen Zeiten während der Pandemie am Landesgericht Innsbruck als vorbei. Das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 wurde um knapp 25 Prozent übertroffen.

Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen

Bundesland 2023 2022 +/- Mio. EUR 2023 Mio. EUR 2022 +/-
Wien 456 325 40,3% 58 45 28,9%
Niederösterreich 255 221 15,4% 50 91 -45,1%
Burgenland 39 40 -2,5% 5 35 -85,7%
Oberösterreich 124 117 6,0% 42 24 75,0%
Salzburg 77 62 24,2% 18 25 -28,0%
Vorarlberg 26 30 -13,3% 15 5 200,0%
Tirol 91 85 7,1% 56 12 366,7%
Steiermark 160 115 39,1% 30 29 3,4%
Kärnten 51 51 0,0% 12 13 -7,7%
Gesamt 1.279 1.046 22,3% 286 279 1,8%

Größte Insolvenz des Jahres bisher in Tirol

In Tirol war das Insolvenzgeschehen im letzten Jahrzehnt von Klein- und Kleinstunternehmen geprägt. Daher sei es bemerkenswert, dass das bisher größte Insolvenzverfahren in Österreich dieses Jahres am Landesgericht Innsbruck abgewickelt wird.

Die Pharmazeutische Fabrik Montavit GmbH aus Absam mit ihren über 200 Mitarbeitern strebt im Rahmen eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung einen finanziellen Neustart an – mehr dazu in Fortbestand von Montavit zunächst gesichert.

Montavit Absam
ORF Tirol

Klar sei bereits jetzt, dass ein Sanierungsplan nur durch den Einstieg eines Investors finanzierbar sein werde, so der KSV1870. Die Gläubiger hätten jedenfalls mit einer deutlichen Wertberichtigung ihrer Forderungen zu rechnen.

Für das restliche Jahr erwartet der KSV1870 wegen der derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingen mit einem Anstieg der Unternehmenspleiten im Vergleich zum Vorkrisenniveau. Allerdings gebe es bei einer Langzeitbetrachtung keinen Anlass zur Sorge, da sich die Insolvenzzahlen immer noch deutlich unter jenen der 2000-Jahre bewegen.

Privatinsolvenzen wieder auf Vorkrisen-Niveau

Nach drei unter besonderen Vorzeichen stehenden Jahren erreichte die Anzahl der Privatinsolvenzen wieder ein Normalmaß. Der KSV1870 erwartet in Tirol in den ersten drei Monaten 171 an den Bezirksgerichten eröffneten Privatinsolvenzverfahren. Das bedeutet im Jahresvergleich einen Anstieg um 14,8 Prozent.

Damit wurde wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht. Im Jahr 2019 gab es in dem Zeitraum 175 Schuldenregulierungsverfahren, 2018 waren es 230 Fälle.

KSV1870 sieht Krisenstabilität von Privatpersonen

Die Anzahl von 171 eröffneten Privatinsolvenzen spricht nach Einschätzung des KSV1870 eindeutig für eine generelle Krisenstabilität von Privatpersonen in Tirol. Denn abseits der aktuellen Insolvenzzahlen falle auf, dass die seit Jahren auf einem hohen Niveau befindliche Zahlungsmoral von Privaten in den letzten Monaten stabil blieb.

„Die aufgrund der vielfältigen Krisen erschwerten Lebensumstände sind in den seltensten Fällen der Grund für nachhaltige Zahlungsschwierigkeiten oder gar einen Privatkonkurs. Die Menschen haben insbesondere während der Pandemie gelernt, mit ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten hauszuhalten“, so Klaus Schaller.

Rückzahlung der Kredite durch steigende Zinsen erschwert

Mit den Abrechnungen zu den Betriebskosten und der Valorisierung von Mieten kommen gerade in den nächsten Wochen weitere außerordentliche Belastungen auf Privatpersonen zu. Wer einen vernünftigen Umgang mit Geld pflegen, sei bei Investitionsentscheidungen vorsichtiger geworden. Hier habe der Sparstift Einzug gehalten, erklärt Klaus Schaller.

Schwierig werde die Situation für jene Menschen, die bereits vor dem Anstieg der Lebenserhaltungskosten am oder sogar über dem finanziellen Limit gelebt und keinerlei finanzielle Reserven aufgebaut hätte. Eine Rückführung der offenen Kredite werde zudem aufgrund der wieder anziehenden Zinsen deutlich erschwert.

Mehr Insolvenzfälle im Lauf des Jahres erwartet

Der Anstieg der Lebenserhaltungskosten wird nach Einschätzung des Gläubigerverbandes mit einer gewissen Verzögerung bei der Anzahl der Insolvenzen spürbar werden. Über den Jahresverlauf 2023 sei zu erwarten, dass das Insolvenzniveau von 2019 leicht überschritten werde. Einen Ansturm hoch verschuldeter Privatpersonen wird es bei den Bezirksgerichten in Tirol jedoch nicht geben, so der KSV1870.