Wölfe
APA/dpa/Armin Weigel
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Gericht

Wolfsabschüsse vorerst nicht vollstreckbar

Das Landesverwaltungsgericht hat den geplanten Abschuss von fünf Wölfen – darunter zwei Welpen des ersten Rudels im Alpenraum – gestoppt. Das Land sieht unter anderem den Gleichheitsgrundsatz verletzt und fordert eine Klarstellung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Anfang September hatte das Land zum dritten Mal Abschussbescheide für Wölfe erlassen. Diesmal ging es um vier Wölfe, die in Osttirol über 100 Schafe gerissen haben sollen. Bisher wurden solche Abschussbescheide vom Landesverwaltungsgericht aufgehoben – mehr dazu in Erneut Abschussbescheide erlassen.

Das Gericht erteilte am Dienstag den Einsprüchen der Naturschutzorganisation WWF und des Ökobüros eine aufschiebende Wirkung. Zugleich stellte es klar, dass es keine Entscheidung geben werde, bis der Europäische Gerichtshof zum vorgelegten Fall entschieden hat. Damit dürfen die Abschussbescheide nicht vollstreckt werden, sagte Umweltjurist Gregor Schamschula.

Land sieht Gleichheitsgrundsatz verletzt

Das Landesverwaltungsgericht folgte einem Ersuchen des Landes und legte dem EuGH mehrere Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Entnahme von Wölfen zu einer Vorabentscheidung vor. Dabei gehe es um den Gleichheitsgrundsatz, sagte Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP). Vom strengen Schutzregime der FFH-Richtlinie ausgenommen sind Wölfe in Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Bulgarien sowie in Teilen Finnlands, Griechenlands und Spaniens.

„Wir pochen auf Gleichbehandlung etwa mit ost- und nordeuropäischen Mitgliedsstaaten und fordern, dass die Almwirtschaft als Besonderheit anerkannt wird. Als Österreich 1995 der EU beigetreten ist, war der Wolf bei uns noch weit weg, weshalb wir keine Ausnahmeregelungen haben“, so Geisler.

Länderübergreifende Betrachtung der Population

Da der Wolf keine Grenzen kenne, habe eine nationalstaatliche Betrachtungsweise der Population keinen Sinn. Der Weg zu einer effektiven und praktikablen Regulierung führe über die gemeinsame Betrachtung der Wolfspopulation, so Geisler. Im Alpenraum geht man derzeit von 200 Rudeln aus. Aus fachlicher Sicht hat die Tierart Wolf in Europa insgesamt und auch in den einzelnen biogeografischen Regionen wie in den Alpen einen günstigen Erhaltungszustand erreicht.

Zwei weitere Vorabentscheidungsfragen des Landesverwaltungsgerichts an den EuGH betreffen die Definition von Schäden sowie die Prüfung von Alternativen zum Abschuss von Schadwölfen. Der Wolf sei eine ernste Bedrohung für die Almwirtschaft. Ohne Weidetiere auf den Almen steige die Lawinengefahr, gehe die Artenvielfalt verloren und verbusche die Landschaft.

WWF fordert Kurswechsel der Landesregierung

Anlässlich der Gerichtsentscheidungen forderte der WWF einen Kurswechsel der künftigen Tiroler Landesregierung. „Die Landespolitik muss die Entscheidungen unabhängiger Gerichte in Zukunft respektieren. Denn der Kurs der rechtswidrigen Abschussforderungen ist mehrfach gescheitert und hat in der Praxis nichts verbessert“, sagte Christian Pichler vom WWF.

Wolf steht neben einem Baum
APA/dpa/Lino Mirgeler

WWF: Hirten müssen ausgebildet werden

Der WWF machte sich für die Verankerung einer umfassenden Herdenschutzoffensive im neuen Regierungsprogramm stark. Die nächste Landesregierung müsse die Zeit bis zur nächsten Almsaison unbedingt nützen. Der Herdenschutz müsse stärker gefördert und mehr Hirtinnen und Hirten ausgebildet werden. Das schütze Schafe auch vor Krankheiten und Unwettern, den mit Abstand häufigsten Todesursachen während der Almsaison, betonte der WWF.

Schafhirten mit Herde und Schutzhunden
Max Rossberg
Der WWF fordert eine bessere Ausbildung von Hirten

Das Landesverwaltungsgericht argumentiere in seinem Erkenntnis zu den Bescheiden unter anderem mit dem erhöhten Risiko von Fehlabschüssen. Bevor ein Wolfsabschuss zulässig ist, schreibt europäisches Recht überdies den Einsatz gelinderer Mittel vor, darunter insbesondere fachgerechte Herdenschutzmaßnahmen. Hier seien Tirol und mehrere weitere Bundesländer allerdings säumig, erklärte der WWF. Die meisten Schafherden seien immer noch ungeschützt.

Wölfe sind wichtig für Ökosysteme

Wölfe würden die Artenvielfalt bereichern und hätten einen großen Mehrwert für Ökosysteme. Als „Gesundheitspolizei des Waldes“ würden sie den Wildbestand in guter Kondition halten und könnten die Ausbreitung von Krankheiten eindämmen.

Sie würden die viel zu hohe Zahl an Wildschweinen, Rehen und Hirschen, die für massive Verbissschäden in den Wäldern verantwortlich sind, reduzieren. Außerdem hinterließen Wölfe wichtige Nahrungsreste für andere Schlüsselarten wie Adler. Wenn diese Interaktionen fehlten, wirke sich das negativ auf die Zusammenhänge in der Natur und damit auch auf den Menschen aus.