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Politik

ÖVP-Vereine müssen CoV-Hilfen zurückzahlen

120 Teilvereine der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend müssen insgesamt 816.752,15 Euro an Coronavirus-Hilfen zurückzahlen. Sie seien dem ÖVP-Bauernbund zuzurechnen, teilte das Ressort von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) mit. Die Tiroler ÖVP sprach im Gegenzug von „Missmanagement im grünen Vizekanzleramt“.

Seit dem Frühjahr 2020 können Non-Profit-Organisationen aus dem bei Kogler angesiedelten Non Profit Organisationen-Unterstützungsfonds Mittel beantragen, um besser durch die Krise zu kommen. Parteien und ihre Teilorganisationen sind von diesem Topf eigentlich ausgeschlossen, dennoch haben mehrere parteinahe, vor allem ÖVP-nahe Organisationen davon profitiert, wie eine NEOS-Anfrage aufdeckte. Kogler kündigte daraufhin vertiefte Prüfungen mit der abwickelnden Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) an, einige weitere davon sind nun abgeschlossen.

Gleichlautende Stellungnahmen von 120 Ortsvereinen

Größtenteils fertig geprüft hat man demnach die Förderungen an die Organisationen der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend. Im Zuge dieser Prüfung hätten 120 Orts- und Bezirksvereine der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend gleichlautende Stellungnahmen und Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass sie dem Tiroler Bauernbund zuzurechnen und damit selbst als Teilorganisation im Sinne des Parteiengesetzes zu qualifizieren seien, hieß es aus Koglers Ressort.

„Insbesondere bezeichnen sich diese Vereine selbst als Zweigvereine des Hauptvereins Tiroler Bauernbund, der sowohl laut Eigenbeschreibung als auch laut Statuten der ÖVP Tirol eine Teilorganisation der ÖVP Tirol ist.“ Den Teilvereinen würden auch wesentliche Elemente ihrer Statuten vorgeschrieben. Von diesen 120 Teilvereinen werden daher die Förderungen des NPO-Fonds in der Höhe von insgesamt 816.752,15 Euro zurückgefordert, hieß es in einer Presseaussendung.

Tiroler ÖVP unterstreicht ehrenamtliches Engagement

Die Tiroler ÖVP reagierte mit einer Gegenattacke auf die Rückzahlungsforderungen. Sie sprach von Missmanagement im „Vizekanzleramt“ von Werner Kogler. Wie andere ehrenamtliche Vereine hätten auch die Ortsorganisationen der Jungbauernschaft/Landjugend um Förderungen aus dem NPO-Fonds angesucht. Diese Anträge seien nach einer ersten Prüfung auch ohne Bedenken ausbezahlt worden. Immerhin würde sich die Landjugend in den Gemeinden „durch ihr ehrenamtliches und wohltätiges Engagement“ auszeichnen, so Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der Anfang Juli die Obmannschaft in der Tiroler Volkspartei abgab. Sein Nachfolger Anton Mattle, er ist ÖVP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 25. September, wollte auf Nachfrage nicht Stellung nehmen.

Günthger Platter steht vor einem Bild mit roter Farbe
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Die Stellungnahme von ÖVP-Seite kam vom früheren Parteiobmann, LH Günther Platter, der seit Juli nicht mehr an der Spitze der Tiroler Volkspartei steht

Für Platter besteht an der Gemeinnützigkeit der Landjugend kein Zweifel. Erst nach öffentlicher Kritik an den Auszahlungen habe Kogler eine neuerliche Prüfung angekündigt. Außerdem kritisierte Platter, dass diese Prüfung ausgerechnet 13 Tage vor der Tiroler Landtagswahl abgeschlossen sei und drei Tage, bevor der Obmann der Tiroler Landjugend, Dominik Traxl, am Donnerstag in Wien vor dem U-Ausschuss erscheinen muss. Fehler sah Platter nicht bei den „ehrenamtlichen Jungbauern, die einen Antrag gestellt haben“, sondern beim „grünen Vizekanzleramt“. Dieses habe die Anträge zum NPO-Fonds unzureichend behandelt. Unfähigkeit bei der Förderabwicklung dürfe „nicht auf Kosten der jungen Generation gehen“, so Platter. Vielmehr müsse man junge Menschen bestärken, sich ehrenamtlich in die Gemeinschaft einzubringen.

Scharfe Kritik von anderen Parteien

Heftige Kritik übte der Tiroler NEOS-Obmann Dominik Oberhofer: „Hätte die ÖVP auch nur einen Funken Anstand, hätten sie das Geld früher zurückbezahlt. Dass die Jungbauern erst jetzt das Geld zurückzahlen, zeigt die fragwürdige Haltung der ÖVP. Das Geld aus dem NPO-Fonds gehört der Zivilgesellschaft und nicht der ÖVP.“ Politiker mit Anstand hätten diese unberechtigten Förderungen viel früher zurückgezahlt und nicht erst die Prüfung abgewartet, so Oberhofer.

Von einer beispiellosen „Schamlosigkeit des ÖVP-Fördergeldmissbrauchs“ sprach der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Christian Hafenecker. Es zeige sich jetzt, dass sich die ÖVP „mit ihrem Teilorganisationen- und Vereinsnetzwerk an Corona-Hilfsgeldern bereichert hat“. Für Hafenecker bleibt die Frage, wer jetzt dafür verantwortlich gemacht werde und „ob sich die Schwarzen an den Orts- und Bezirksfunktionären abputzen werden“. Denn die Abgabe gleichlautender Stellungnahmen und Unterlagen deute auf eine systematische Vorgangsweise und nicht auf das Handeln einzelner Funktionäre hin.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch kritisierte im Zusammenhang mit den Coronavirus-Hilfen „die schamlose Selbstbedienung der ÖVP“. Die SPÖ habe seit Monaten von ÖVP-Chef Karl Nehammer gefordert, „alle zu Unrecht erhaltenen Förderungen aus dem NPO-Topf auf Heller und Pfennig zurückzubezahlen“. Nehammer sei in „Folge der schweren innerparteilichen Turbulenzen“ aber untergetaucht und spiele auf Zeit. Kein Verständnis zeigte Deutsch gleichzeitig, dass die Prüfung bei den Hilfsgeldern für den Seniorenbund so lange dauere.

Grüner Koalitionspartner will lückenlose Transparenz

Mit der Rückforderung sei die unrechtmäßige Bereicherung amtlich geworden, heißt es vonseiten der Grünen als ÖVP-Koalitionspartner in Tirol. Spitzenkandidat Gebi Mair attackierte die Volkspartei: „Die Gelder waren für gemeinnützige Vereine vorgesehen und nicht für politische Parteien und deren Teilorganisationen.“ Das hätten alle Verantwortlichen gewusst, so der Klubobmann der Tiroler Grünen. Niemand brauche jetzt so zu tun, als ob das überraschend gewesen wäre. Als Konsequenz verlangt Mair neben der Rückzahlung „lückenlose Transparenzregeln“ in Tirol.

Sein schwarzes Pendant, ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf, sprach dagegen von „unterirdischen Vorwürfen“ durch SPÖ, FPÖ und NEOS auf Bundesebene. Die Angriffe würden offenbaren, dass man dort keine Ahnung habe, was die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend leiste. Sie würde in vielfacher Art und Weise das Leben in den Dörfern bereichern. Speziell von den Tiroler Parteichefs von SPÖ und FPÖ forderte Wolf ein Bekenntnis zur Arbeit der Jungbauern: „Sich im Wahlkampf auf Jungbauernbällen und -festen herumzutreiben, ist zu wenig.“

Bei einigen Vereinen weitere Unterlagen angefordert

Drei weitere Vereine der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend, die möglicherweise ebenfalls dem Tiroler Bauernbund zuzurechnen seien, hätten anderslautende Stellungnahmen vorgelegt, daher seien weitere Unterlagen angefordert worden, hieß es am Montag aus dem Ressort Koglers. Und von acht weiteren Vereinen der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend seien bereits „aufgrund fehlender Rückmeldungen, die einen Verstoß gegen die vertragliche Verpflichtung zur umfassenden Mitwirkung bei Kontrollen darstellen“, Förderungen in der Höhe von 56.961,62 Euro zurückgefordert worden, 9.088,57 Euro davon wurden bereits zurückgezahlt.

Abgeschlossen sei andererseits die Prüfung des Vereins Vorarlberger Jungbauernschaft/Landjugend. Dieser Verein sei anspruchsberechtigt, weil man nachvollziehbar dargelegt habe, dass er nach einer Statutenänderung 2016 nicht als Partei oder Teilorganisation einer Partei anzusehen sei.

Die Prüfungen der Seniorenbund-Landesorganisationen Oberösterreich, Kärnten, Tirol und Wien, die jeweils umfangreiche Unterlagen übermittelt hätten, seien noch im Laufen – mehr dazu in Konsequenzen bei CoV-Geldern für Vereine. Vom Seniorenbund Vorarlberg wurde bereits im Juli der Förderbetrag von 24.700,33 Euro zurückgefordert.

NPO-Fonds: Mehr als 54.000 Anträge genehmigt

Der NPO-Fonds wurde im Frühjahr 2020 eingerichtet und ist ein europaweit einzigartiges Hilfsinstrument, um den gesellschaftlich wichtigen und auch wirtschaftlich zusehends bedeutsamen gemeinnützigen Sektor in der Covid-Krise zu unterstützen. Bisher wurden über 54.000 Anträge bewilligt und mehr als 766 Mio. Euro an Hilfen ausbezahlt. Anträge über das erste Quartal 2022 sind noch bis 31. Oktober möglich.