Ein Auto überfährt auf einem Trainingskurs einen Pylon
ORF
ORF
Verkehr

Diskussion um Fahrtauglichkeit von Senioren

Nach dem tödlichen Unfall in Ellmau, bei dem ein Kleinkind im Kinderwagen von einem Auto erfasst wurde, laufen noch die Ermittlungen zur genauen Ursache. Unabhängig davon steht die Frage im Raum, warum es in Österreich keine regelmäßigen Fahrtauglichkeitstests gibt.

Nach ersten Erhebungen soll die 86-jährige Autolenkerin in Ellmau Gas- und Bremspedal bei ihrem Automatikwagen verwechselt haben. Ihr Pkw erfasste den Kinderwagen mit dem Einjährigen vor dem Supermarkt und durchbrach die Frontscheibe, das Kleinkind wurde dabei tödlich verletzt – mehr dazu in Gas- und Bremspedal verwechselt: Kind tot. Ermittelt wird in diesem Fall wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Unabhängig davon muss die Bezirkshauptmannschaft entscheiden, ob für die 86-Jährige eine Überprüfung der Fahrtüchtigkeit angeordnet wird.

Tödlicher Verkehrsunfall in Ellmau
ZOOM.TIROL
Nach dem tödlichen Unfall in Ellmau laufen die Ermittlungen noch

Regelmäßige Tests in anderen Ländern

In Österreich gibt es im Gegensatz zu einer Reihe anderer europäischer Staaten keine verpflichtenden, regelmäßigen Fahrtauglichkeitstests. In Italien etwa sind Führerscheine grundsätzlich befristet. Für die Pkw-Lenkberechtigung muss bis zum Alter von 50 Jahren bei der Verlängerung alle zehn Jahre eine Arztvisite mit Sehtest absolviert werden, zwischen 50 und 70 Jahren ist das alle fünf Jahre vorgesehen, danach bis 80 alle drei Jahre und ab dem 80. Lebensjahr müssen Führerscheinbesitzer jedes zweite Jahr zum Medizincheck.

Auf EU-Ebene gab es zwar wiederholt Vorstöße in diese Richtung, in Österreich ist eine amtliche Überprüfung der Fahrtauglichkeit in der Regel bei Verdachtsfällen vorgesehen, etwa nach Unfällen oder nach Anzeigen wegen auffälliger Fahrweise. Ansonsten setzt das österreichische System bislang auf Eigenverantwortung. Das Gesetz besagt sinngemäß, dass sich nur hinter das Steuer setzen darf, wer in der entsprechenden körperlichen und geistigen Verfassung ist.

Höhere Unfallraten bei Jungen und bei Lenkern ab 80

Wie das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) betont, gebe es statistisch gesehen bei jungen Lenkerinnen und Lenkern und bei Autofahrerinnen und -fahrern über 80 Jahren höhere Unfallraten, also Unfälle pro gefahrenen Kilometern. Während bei Jungen mangelnde Erfahrung und oft auch höhere Risikobereitschaft eine Rolle spielen, sind es laut KfV bei Seniorinnen und Senioren abnehmende Seh- und Hörfähigkeit, kognitive Einschränkungen und nachlassende Reaktion und Beweglichkeit. Ältere Menschen könnten diese Defizite zum Teil aber auch ausgleichen, etwa durch defensiveren Fahrstil oder Lebenserfahrung.

Wie der Innsbrucker Umweltmediziner Heinz Fuchsig erklärt, trage man bei den Jungen mit dem Probeführerschein den erhöhten Unfallraten durchaus Rechnung. Er kann sich deshalb auch für die älteren Führerscheinbesitzer spezielle Regelungen wie regelmäßige Überprüfungen von Seh- und Reaktionsvermögen vorstellen. Für Maßnahmen, die einerseits die Schwächen bei der Fahrtauglichkeit aufdecken, andererseits aber auch die Stärken fördern, spricht sich Armin Kaltenegger vom KfV aus. Ziel müsse es letztlich sein, dass Betroffene freiwillig erkennen, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, mit dem Auto zu fahren.

Ein Pensionist fährt auf einem Übungsplatz
ORF
Für Seniorinnen und Senioren werden spezielle Fahrsicherheitstrainings angeboten

Auch ÖAMTC plädiert auf Freiwilligkeit

Ähnlich argumentiert der ÖAMTC als größte Autofahrervertretung in Österreich. Internationale Studien würden belegen, dass regelmäßige Medizinchecks bei älteren Lenkerinnen und Lenkern keine positiven Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit gebracht hätten. Der ÖAMTC betont die Eigenverantwortung und verweist auf Fahrtrainings für Seniorinnen und Senioren.

Auch aufgrund der Erfahrungen bei solchen Trainings zeige sich, dass ältere Verkehrsteilnehmer durch ihre Erfahrung, ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre vorsichtige Fahrweise allenfalls vorhandene körperliche Mängel gut ausgleichen können. Sie würden zudem problematischen Verhältnissen wie Nacht, Regen oder Schnee, dichten Verkehr oder auch längere Fahrten meiden, argumentiert der ÖAMTC.