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Umwelt

Tiroler Klimaforscher fordert Systemwandel

Der Tiroler Klimaforscher Georg Kaser hat am Dienstag einen Systemwandel gefordert. Mit Anpassungen, Korrekturen und dem Drehen an einzelnen Stellschrauben lasse sich gegen die Erderwärmung nicht mehr ankommen, so Kaser nach der Präsentation des IPCC-Klimaberichts am Montag.

Georg Kaser im Podcast

"Wer heute 30, 40 Jahre alt ist wird die Folgen des Klimawandels massiv spüren, sagt Kaser. Das gesamte Gespräch ist im ORF Tirol Podcast nachzuhören.

Georg Kaser
APA/HANS PUNZ

Rund um die Veröffentlichung der finalen Zusammenfassung des Berichts an die politischen Entscheidungsträger gab es am Montag Verzögerungen. Es sei nachvollziehbar, dass es gerade beim Papier der „Arbeitsgruppe 3“ des Gremiums, wo es um „wirkliche Maßnahmen in allen Sektoren und Ländern der Erde geht“, zu größeren Diskussionen kommen könne, so der Glaziologe und Klimaforscher, der am Report der „Arbeitsgruppe 2“ im Februar als IPCC Review Editor beteiligt war, gegenüber der APA – mehr dazu in Klimabericht: Schon jetzt irreversible Schäden.

Kaser: „Es scheitert am politischen Willen“

Der aktuelle Bericht sei in seinen Botschaften trotzdem „sehr deutlich“ ausgefallen. Es sei schön, dass die Experten nach Durchsicht der verfügbaren Daten „Es geht!“ zu dem Ziel sagen, die Erderwärmung auch noch unter einem Plus von 1,5 Grad Celsius zu halten. Es scheitere „im Prinzip aber am politischen Willen und sozusagen am kulturellen Begreifen“, so der frühere Dekan der Fakultät für Geo-und Atmosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck. Er sehe weiter große Barrieren in vielen Institutionen gegenüber notwendigen Veränderungen.

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Die Emissionen müssen dringend reduiziert werden, so der Klimaforscher Georg Kaser.

Klar sei auch die Botschaft, dass der große Umfang an benötigter erneuerbarer Energie zum Umschwenken nicht so bald bereit stehen wird, und es daher „auch stark um die Reduktion des Energiekonsums geht“. Hier sei erwähnenswert, dass der Bericht stark darauf verweist, dass die finanziellen Mittel für echte Systemveränderungen zwar ausreichend da wären, bisher aber nicht in diese Richtung fließen – mehr dazu in Klimabericht fordert radikale Einsparungen.

Reduktion der Emissionen um mindestens 43 Prozent

Letztlich zeige das Papier auch, dass es schon in den kommenden acht Jahren eine massive Emissionsreduktion um 43 Prozent braucht, um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen. In der Folge müsste man bis in etwa 2050 schon deutlich in Richtung „Netto-Null-Emissionen“ steuern.

Stark in der Pflicht sind hier laut Kaser reiche Industrieländer wie Österreich, die einerseits viel zur aktuellen Situation beitragen, und andererseits mit relativ hohen Pro-Kopf-Einkommen gesegnet sind. Die Reduktion um 43 Prozent sei als globaler Mittelwert anzusehen: „Ich glaube, dass Staaten wie Österreich, schon mehr bieten müssen.“ Denn in vielen anderen Ländern würde eine solche Reduktion große Rückschritte in Richtung Armut bedeuten. Kaser: „Da muss Österreich schon viel, viel mehr stemmen.“

Die „Dringlichkeit kommunizieren“

Der auch im Klimarat der Bürgerinnen und Bürger tätige Forscher macht sich Gedanken darüber, „wie wir die Dringlichkeit kommunizieren“. Viele Menschen seien schon recht gut informiert über die Problematik, viele andere aber sehr überrascht. Hier gelte es „noch einmal einen Gang zuzulegen, ohne aber den zum Großteil sehr offenen Menschen den Mut und die Energie zu nehmen“.

Denn immerhin zeige der Bericht, dass die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und der Nachhaltigkeitsziele der UNO fast überall einen Mehrwert bringe, wenn etwa Ressourcen geschont werden und Ökosysteme bestehen bleiben. Man müsse darauf achten, dass die Veränderung auch sozial gerecht ablaufe. Das zu begreifen, seien Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft einmal mehr gefordert.

Ausbau erneuerbarer Energien

Hilfreiche Technologien würden jedenfalls teils knapp vor der Umsetzung stehen bzw. wären schon viel breiter einsetzbar, „aber die Barrieren sind noch zu groß“. Auch in Österreich könne durchaus mehr geschehen, wenn man etwa in Richtung Ausbau von Solar- oder Windkraft blicke, meinte Kaser. Es brauche das Umlenken der Geldmittel und mehr Bereitschaft zur Durchführung – und zwar umgehend: „Es geht um sehr, sehr schnelles Zurückfahren der Emissionen.“ Will man aber trotzdem weiter Energie in größerem Ausmaß konsumieren, müsse man sich auch klar darüber sein, dass es Maßnahmen braucht, die vielleicht nicht überall für Applaus sorgen, wenn es etwa um die Errichtung neuer Windräder geht.