Chefredakteur David Runer im Gespräch mit Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe
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Politik

Transit: Felipe sieht „überschaubaren Erfolg“

Beim Transitverkehr, einem Kernthema der Tiroler Grünen, sieht Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe im ORF Tirol Sommergespräch sehr eingeschränkte Erfolge. Ob sie die Grünen in den nächsten Landtagswahlkampf führen wird, ließ sie weiter offen.

Als Kämpfer für die Umwelt, aber auch als Kontrollpartei wurden die Grünen in Österreich gegründet. Seit 2013 sitzen die Grünen auf der Tiroler Regierungsbank – seit damals wird ihnen oft vorgeworfen, sich zu viel gefallen zu lassen und kaum Kritik am Regierungspartner ÖVP zu äußern.

Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe wird oft als „das freundliche Gesicht“ an der Seite der ÖVP bezeichnet. Für Felipe ist das nichts Negatives: In der Politik sei es auch eine wichtige Aufgabe, Zuversicht und Hoffnung zu vermitteln. Die Pandemie habe man jetzt „halbwegs im Griff“, jetzt stehe bereits die Klimakrise vor der Tür. Da brauche es „freundliche Gesichter, die anpacken und Lösungen suchen“, so Felipe im ORF Tirol Sommergespräch mit Chefredakteur David Runer.

„Tirol heute“-Sommergespräch mit Ingrid Felipe

Teil der Regierung zu sein, sei es wert, auch wenn vieles langsamer vorangehe als erhofft, erklärte die Grüne Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe im ORF Tirol Sommergespräch.

In kleinen Schritten zum Wahlversprechen

Die Kritik, dass gerade beim Umweltschutz vieles zu langsam gehe, verstehe sie – auch ihr gehe vieles zu langsam, so Felipe. Allerdings müsse man darauf achten, dass Veränderungen für den Klimaschutz auch sozial verträglich seien und von allen mitgetragen werden können. Das sei es in jedem Fall wert, in der Regierung zu sein. Nur weil es nicht schnell genug vorangehe, werde sie nicht damit aufhören, die Themen der Grünen weiter voranzutreiben, so Felipe.

Viele Kompromisse, wenig Widerstand

Die Tiroler Grünen müssen sich als kleiner Regierungspartner oft einiges gefallen lassen, ihre Themen können sie nicht immer durchsetzen. Das erzeugt Unmut bei vielen Tirolerinnen und Tirolern.

Im vergangenen Jahr waren die Grünen in Tirol oft wenig präsent. Die Pandemie sei im Vordergrund gestanden, im Hintergrund hätten die Grünen stark gegen den Transit gekämpft, so Felipe. Große Erfolge ließen allerdings auch da auf sich warten, so ging etwa die Abstimmung im EU-Verkehrsausschuss mehrheitlich für die in Österreich sehr umstrittene Eurovignette aus – mehr dazu in Knappes Ja für Eurovignette in EU-Ausschuss.

Weit entfernt von Transit-Zielen

Generell seien die Erfolge im Transit, dem Kernthema der Tiroler Grünen, bisher „leider überschaubar“, so Felipe, die Verlagerung von der Straße auf die Schiene habe nicht so funktioniert, wie sie es sich erhofft habe. Trotz Pandemie stiegen die Lkw-Fahrten über den Brenner im Vorjahr nach einem kurzen Einbruch auf 2,3 Millionen Fahrten an. Um hier etwas zu bewirken, brauche man Partner in der EU und bei den Nachbarländern, betonte Felipe einmal mehr.

Als Teilerfolg sah Felipe aber die Haltung zum Transit in Tirol. Sie habe sich in der Landesregierung und im Landtag stark verändert. Mittlerweile gebe es Allparteien-Anträge gegen den zunehmenden Transit. Das Bewusstsein dafür, dass die Tirolerinnen und Tiroler mit der Zahl der Lkw, ihrem Lärm und ihren Abgasen überlastet seien, sei jetzt bei allen da. Das sei nicht immer so gewesen, so Felipe. Dass sich mittlerweile alle Parteien den Klimaschutz auf die Fahnen heften wollen, begrüßte Felipe. Die Grünen brauche es dennoch – ohne sie würde der Klimaschutz schnell wieder ein zweit- oder drittrangiges Thema werden, zeigte sich die Landeshauptmann-Stellvertreterin überzeugt.

Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe im ORF Tirol Sommergespräch
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Beim Transit gehe es nicht ohne die EU, betonte Felipe einmal mehr

Kaum Rückgang bei Abgasen

Auch im Wirkungsbereich der Grünen gab es allerdings kaum messbare Erfolge. Seit die Grünen in der Regierung sind, stagnierten die Treibhausgase in Tirol in vielen Bereichen oder nahmen sogar zu. Hier gebe es einige unangenehme Themen, wie etwa die Landwirtschaft. Dort müsse man über Gewohnheiten wie etwa den Fleischkonsum sprechen. „Nicht jeder muss Vegetarier werden, ein bewussterer Umgang mit Lebensmitteln wäre aber wichtig“, meinte Felipe. Hier könne jeder einzelne etwas bewirken. Auch die Rahmenbedingungen im Handel müssten geändert werden, darauf ziele derzeit auch der Green Deal der EU ab.

Wie so oft sei auch bei den Treibhausgas-Emissionen der Verkehr das Sorgenkind, hier habe der zunehmende Verkehr alle positiven Effekte „aufgefressen“. Mit der Bundesregierung habe man allerdings einen guten Verbündeten im Kampf gegen den Verkehr, brach Felipe eine Lanze für die Regierung der Grünen mit der ÖVP im Bund.

Asylpolitik der ÖVP „unbarmherzig“

Weniger friedlich ist die Stimmung zwischen den Grünen und der ÖVP, wenn es um die Asylpolitik geht. Hier gehen die Vorstellungen und Parteiprogramme weit auseinander. Für Felipe seien Abschiebungen „ein sehr emotionales Thema“. Es sei völlig falsch, Menschen die vor Klimakrisen oder dem Krieg fliehen und vor Waffen, mit denen auch Österreich handle, abzuschieben. Die Haltung der ÖVP-Spitze in Wien bezeichnete Felipe hier als „unerbittlich und unbarmherzig“, das sei bedauerlich.

Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe im ORF Tirol Sommergespräch
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Wenig erfreut zeigte sich die Grüne Landeshauptmannstellvertreterin über die Linie der Bundes-ÖVP in der Asylpolitik

Bei Asylwerbern, die schwer straffällig werden, sei eine Abschiebung allerdings durchaus zweckmäßig und angebracht, erklärte Felipe. Es müsse aber darauf geachtet werden, wohin diese Menschen gebracht werden, das würden die Menschenrechte gebieten. Bei Rückführungen nach Afghanistan, wo derzeit „mehr oder weniger Bürgerkrieg herrsche, müsse man sich Zwischenstationen überlegen“, so Felipe.

Rücktritt von Anschober brachte Zweifel

Themen wie die Asylpolitik mit viel Zündstoff hätten auch für einen Wandel in der Politik gesorgt. Felipe sprach hier von einem „politischen Klimawandel“, bei dem vieles schnell zugespitzt werde und stark polarisiere. Der Rücktritt von Gesundheitsminister Rudi Anschober habe auch sie zum Nachdenken gebracht, wie lange sie das noch machen wolle, so Felipe. Auf der anderen Seite gebe es viele dringende und dringliche Angelegenheiten, gerade mit dem Klimawandel. Da könne sie ihre Erfahrungen der letzten Jahre mit einbringen.

Eine Entscheidung über ihre weitere Zukunft bei den Grünen habe sie noch nicht getroffen, erklärte die Landeshauptmannstellvertreterin im Sommergespräch. Ihre Funktionen innerhalb der Partei hatte sie bereits Anfang des Jahres zurückgelegt. Wer die Grünen bei der nächsten Landtagswahl in Tirol anführen wird, entscheide ohnehin die Grüne Basis. Diese Entscheidung werde allerdings erst im Sommer nach der Gemeinderatswahl 2022 fallen. Für diese Wahlen seien „Zuwächse erwünscht“, man wolle zumindest die beiden Vizebürgermeister halten, erklärte Felipe.