dpa/Julian Stratenschulte
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Wissenschaft

Experte zu Impfung: „Enorm hoher Schutz“

Ab wann schützt mich die Corona-Impfung? Wie lange bin ich dann immun? Kann ich andere weiterhin anstecken? Was sind mögliche Nebenwirkungen? Der Impfexperte Reinhard Würzner der Innsbrucker Medizinuni beantwortet diese Fragen im ORF Tirol-Interview.

Am 27. Dezember starteten im Altenheim Mieming (Bezirk Imst) die ersten Covid-19-Impfungen. Am Tag darauf folgten sechs weitere Pflegeheime, im Jänner wird das Impfprogramm auf die übrigen Tiroler Altenheime ausgeweitet. Bis alle Menschen Zugang zur Impfung haben, dürfte es noch dauern. Das Land arbeitet derzeit an einer breitangelegten Informationskampagne – mehr dazu in Mehr Informationen rund um die Impfung, denn noch ist die Unsicherheit bei vielen Menschen groß.

Reinhard Würzner ist Arzt für Laboratoriumsmedizin, Hygiene und Mikrobiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, Mitglied des Coronavirus-Befundungsteams der Virologie und stellvertretender Direktor des Hygiene-Instituts. Er hat im Gespräch mit ORF Tirol die häufigsten Fragen zur neuen Impfung beantwortet:

ORF Tirol: Welchen Schutz bietet die Impfung? Man hört von einem Impfschutz von über 90 Prozent. Was bedeutet das?

Würzner: Der Schutz ist, für eine Impfung, enorm hoch. Viele andere Impfungen liegen deutlich darunter. Viele der Corona-Impfstoffe haben sogar eine Wirksamkeit deutlich über 90 Prozent. Das heißt, dass neun von zehn Infizierten nicht an Covid-19 erkranken.

Es wird aber auch, wie bei anderen Impfungen, Geimpfte geben, die trotzdem krank werden. Das kann viele Gründe haben und zum Beispiel an der Lagerung des Impfstoffs liegen. Manche Menschen können den Impfstoff auch besser verarbeiten, bei anderen springt das Immunsystem nicht so schnell und gut an. Bei denen hofft man, dass sie zumindest einen milderen Krankheitsverlauf durchmachen.

ORF Tirol: Die Entwicklung des Impfstoffs ging sehr schnell. Auch bis zur Zulassung verging wenig Zeit. Viele Menschen beunruhigt das. Wie sicher ist die Impfung?

Würzner: Es ist gut, dass sich die Menschen mit der Impfung auseinandersetzen und sich informieren. Nur dann kann man sich am Ende sicher sein, dass man sich für das Richtige entscheidet. Die Corona-Impfung ist so sicher wie eine Impfung sein kann, wenn sie auf den Markt kommt. Sie wurde ausreichend getestet. In der letzten Phase vor der Zulassung wurden mindestens genauso viele Menschen getestet, wie bei anderen Impfungen, eher sogar noch mehr.

Virologe Reinhard Würzner von der Innsbrucker MedUni
ORF
Impfexperte Reinhard Würzner von der MedUni Innsbruck

ORF Tirol: Die derzeitige Corona-Impfung geschieht mit einem mRNA-Impfstoff, eine relativ neue Technologie. Wie funktioniert diese?

Würzner: Bei früheren, „herkömmlichen“ Impfungen haben wir ein Eiweiß in den Muskel gespritzt, das dem eines Virus entsprach. Der Körper konnte dann anhand dieses Eiweißes erkennen, um welches Virus es sich handelt und dagegen Antikörper bilden.

Bei RNA-Impfstoffen injiziert man nicht die Eiweiße selbst, sondern gibt dem Körper sozusagen eine Bauanleitung. Die Zelle kann dann körpereigenes Eiweiß produzieren, das aber dem des Virus entspricht. Und die Immunzelle kann dann erkennen: Dagegen muss ich jetzt Antikörper bilden.

ORF Tirol: Wie verträglich ist so eine Impfung?

Würzner: In der Krebsforschung nutzt man RNA-Impfstoffe häufiger. Sie sind super verträglich. Die RNA wird in Fett verpackt injiziert, damit sie sozusagen nicht unterwegs vom Körper verdaut wird. Sie kommt dann in die Zelle hinein und überlebt dort nur Stunden bis wenige Tage, ehe sie abgebaut wird. Davor hat die RNA aber die Eiweiß-Produktion in Gang gesetzt. Auch diese Eiweiße überleben nur wenige Wochen.

Die RNA ist dann also schon lange weg, die Eiweiße werden auch abgebaut. Was bleibt sind die Immunzellen, die gegen das Virus trainiert wurden und bereits Antikörper gebildet haben. Und wenn dann das Coronavirus kommt, kann der Körper sich dagegen wehren.

ORF Tirol: Manche haben Angst, dass die injizierte RNA unser Erbgut verändern könnte. Wie berechtigt ist diese Sorge?

Würzner: Es gibt Viren, sogenannte Retroviren, die ihre Erbinformation in unsere einbauen können. Diese Viren haben ein eigenes Enzym, mit dem sie das umschreiben können. HI-Viren können das zum Beispiel.

Die RNA, die wir injizieren, entspricht aber nur einem ganz kleinen Teil des Virus und sie gelangt nicht in den Zellkern, sondern nur in die Zelle. Sie geht auch nicht in den Zellkern, wo die DNA ist. Das kann diese RNA nicht. Man kann diese Befürchtung also ausschließen.

ORF Tirol: Die Impfung besteht aus zwei Teilimpfungen. Warum?

Würzner: Man bekommt exakt dasselbe nochmal. Für das Immunsystem ist es eine Auffrischung. Viele Impfungen funktionieren so, weil das Immunsystem mit jeder Impfung wieder trainiert wird und lernt. Die Immunantwort ist nach der zweiten Impfung viel besser.

Impfung
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Für den vollen Impfschutz sind zwei Teilimpfungen nötig

ORF Tirol: Wie lange muss ich nach der Impfung warten, bis die Immunität eintritt? Und wie lange hält diese an?

Würzner: Bereits nach der ersten Impfdosis reagiert das Immunsystem, aber man rechnet, dass man erst zehn bis vierzehn Tage nach der zweiten Impfung einen super Immunstatus bezüglich Covid-19 hat.

Wie lange man dann immun bleibt, kann man noch nicht beantworten. Wir wissen von Studien, auch durch Ischgl, dass Antikörper und Immunzellen monatelang überleben. Falls nötig, kann man dann auffrischen. Auch, wenn das Virus etwa so mutiert, dass die Impfstoffe es nicht mehr erfassen. Das ist derzeit noch nicht so. Die Corona-Impfung könnte aber eine jährliche, saisonale Impfung werden.

ORF Tirol: Wer sollte sich impfen lassen? Wer nicht?

Würzner: Ältere Menschen müssen als erstes geimpft werden, also Über-80-Jährige, aber auch schon Über-60-Jährige, da die Sterblichkeit hier besonders groß ist. Auch bei älteren Menschen sind mindestens neun von zehn nach der Impfung vor schweren Verläufen geschützt. Das ist ein grandioses Ergebnis. Natürlich sollte auch das Gesundheitspersonal geimpft werden, weil es immer wieder mit dem Virus in Kontakt kommt. Danach die restliche Bevölkerung.

Bei Allergikern wartet man derzeit noch ab weil es zu allergischen Reaktionen kommen kann. Das sind allerdings keine Menschen, die einen einfachen Heuschnupfen haben, sondern welche, die schon einmal einen schweren allergischen Schock hatten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das auch bei dieser Impfung passiert, aber um das Risiko nicht einzugehen, wartet man da mit der Impfung zu.

ORF Tirol: Kann ich das Coronavirus auch nach einer Impfung an andere weitergeben?

Würzner: Das kann man jetzt noch nicht hundertprozentig sagen. Eine wahrscheinliche Theorie ist: Wenn das Virus in einen geimpften Körper kommt, muss es sich dort mit dem Immunsystem auseinander setzen, bekommt also kräftig Prügel, wenn man so will. Wenn es dann weitergegeben wird, ist es angeschlagen. Entweder es sind dann weniger Viren oder nicht so viele intakte.

Virologie der Medizinischen Universität in Innsbruck
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Das Hygiene-Institut an der Medizinischen Universität Innsbruck

ORF Tirol: Welche Nebenwirkungen können nach der Impfung auftreten?

Würzner: Es kann passieren, dass mein geimpfter Arm über Nacht schwer wird und weh tut oder ich Fieber bekomme. Das alles ist bei dieser Impfung ein bisschen häufiger. Diese Nebenwirkungen zeigen auch, dass das Immunsystem lernt. Wenn sie aber ausbleiben, heißt das nicht, dass die Impfung nicht gewirkt hat. In den meisten Fällen schafft das Immunsystem das nämlich sogar ohne Nebenwirkungen.

ORF Tirol: Kann man eventuelle Langzeitfolgen jetzt überhaupt schon absehen?

Würzner: Man muss ganz offen sagen, dass wir jetzt höchstens Folgen nach einem dreiviertel Jahr beobachten können, aber nicht länger. Bei der Schweinegrippe-Impfung traten damals Langzeitfolgen, nämlich Narkolepsie, durch einen Zusatzstoff auf, die jetzt aber alle fehlen. Ich kann mir keine Langzeitfolgen vorstellen, weil sowohl mRNA, als auch die gebildeten Eiweiße nicht dauerhaft im Körper verbleiben. Es bleibt also nichts übrig, was Jahre überdauern und dann noch eine Nebenwirkung auslösen könnte. Ganz ausschließen kann man es nicht, aber ich halte es für unwahrscheinlich.

ORF Tirol: Auch andere Corona-Impfstoffe werden auf den Markt kommen. Wie unterscheiden sich diese von den jetzigen?

Würzner: Weltweit sind derzeit elf Impfstoffe in der letzten Entwicklungsphase. In China sind über eine Million Menschen bereits mit einem Impfstoff nach dem althergebrachten Prinzip geimpft, wo ein zerteilter Virus verimpft wird. Die Erfolgsraten sind da aber nicht ganz so hoch.

Es gibt also sehr viele andere Impfstoffe. Wir müssen schauen, welche auf den Markt kommen, dann können wir sie vergleichen. Manche werden vielleicht deutlich besser wirken als andere. Darüber können wir jetzt nur spekulieren. Der RNA-Impfstoff, den wir jetzt haben, sieht aber sehr sehr gut aus.