Portal der Tunnelbaustelle für den Brennerbasistunnel
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Wirtschaft

BBT-Vertragskündigung: Porr will klagen

Der Baukonzern Porr, der federführend für das BBT-Teilstück ist, droht mit einer Klage in Höhe der ursprünglichen Auftragssumme. Wie berichtet, will die BBT-Gesellschaft, den Vertrag auflösen. Auch von der Landespolitik kommt am Mittwoch scharfe Kritik.

Der Baukonzern Porr hält die Rücktrittserklärung der Brenner-Basis-Tunnel-Projektgesellschaft BBT SE für „eindeutig rechtswidrig“, wie es in einer Aussendung hieß. Wie berichtet, hatte die BBT SE Mittwochfrüh bekannt gegeben, den bestehenden Vertrag auflösen zu wollen – mehr darüber in BBT-Gesellschaft kündigt Bauvertrag.

Porr sieht Vertrag als „weiter aufrecht“

Der Bauvertrag zwischen der ARGE H51 Pfons-Brenner, einem Konsortium unter der Leitung der Porr Bau GmbH, und der BBT SE sei weiterhin aufrecht, hielt die Porr als Teil der Arbeitsgemeinschaft fest. Bei dem 966 Mio. Euro schweren Baulos handelt es sich um den größten Bauabschnitt auf österreichischem Projektgebiet. Die Porr ist mit ungefähr der Hälfte der Auftragssumme an der ARGE H51 beteiligt.

Der Baukonzern kündigte an, rechtlich gegen die BBT SE vorzugehen. Dem Tunnelprojekt drohen damit Verzögerungen und höhere Kosten. Porr-Chef Karl-Heinz Strauss verwies auf ein Rechtsgutachten des Universitätsprofessors Andreas Kletecka, das vor doppelten Kosten warnt: „Bei einer rechtswidrigen Auflösung müsste die BBT auf jeden Fall den Vertrag mit der ARGE und allenfalls auch einen zweiten Vertrag mit einem neuen Auftragnehmer erfüllen. Die BBT hätte nicht nur den Gewinnentgang, sondern auch alle Kosten für die permanente Leistungsbereitschaft des gesamten ARGE-Belegschaft und der ARGE-Technik zu bezahlen. Das kann schon in die Nähe der ursprünglichen Auftragssumme kommen“, so Strauss.

Porr: „Millionen an Kosten“ und „jahrelanger Verzug“

Porr bezeichnete die Vertragsauflösung als „höchst unverantwortlich gegenüber den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern“. Der Baukonzern hält nun einen weiteren jahrelangen Verzug und „Kostensteigerungen in vielfacher Millionenhöhe“ für unvermeidlich.

Porr-Generaldirektor Karl-Heinz Strauss wirft der Projektgesellschaft Aufsichtsfehler vor. „Seit nunmehr mindestens zwei Jahren wissen Vorstand und Aufsichtsrat der BBT SE, dass sie bei der Ausschreibung einen Fehler gemacht haben, der die Sicherheit des Tunnels gefährden würde.“ Gestritten wird unter anderem um falsch konstruierte Außenringe des Tunnelschachts, sogenannte Tübbinge.

Arbeiten im Brenner-Basistunnel
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Die Fertigstellung des Tunnels, so Befürchtungen, könnte sich um Jahre verzögern

Platter und Kompatscher wollen Klarheit und Zeitplan

In einer ersten Reaktion forderten Tirols ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter und Südtirols SVP-Landeshauptmann Arno Kompatscher rasche Klarheit und einen konkreten, optimierten Zeitplan von der Brenner-Basis-Tunnel-Gesellschaft. Damit solle den bereits eingetretenen Verzögerungen an besagtem Baulos möglichst entgegengewirkt werden, hieß es.

Die Entscheidung, den Bauvertrag H51 Pfons-Brenner aufzulösen, liege in der operativen Verantwortung des BBT-Vorstandes. Der Tunnel sei jedoch ein Herzstück der Verkehrsverlagerung auf die Schiene: „Der BBT muss so schnell und effizient wie möglich finalisiert werden, um die transitgeplagte Tiroler und Südtiroler Bevölkerung zu entlasten“, so die beiden Landeshauptmänner.

NEOS fordert von Regierung Evaluierungen und Infos

Auch von den Tiroler Oppositionsparteien kam am Mittwochvormittag Kritik. NEOS-Landtagsabgeordneter Andreas Leitgeb kritisierte, dass sich der Rechtsstreit bereits über ein Jahr hinziehe: „Durch diese folgenschwere Entscheidung ist eingetreten, was wir vermutet hatten, der milliardenschwere Bauvertrag wurde aufgelöst, durch eine Neuausschreibung wird sich der Bau um Jahre verzögern, auf den Kosten bleiben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sitzen“, so Leitgeb.

Die BBT-Vorstände gingen seiner Ansicht nach nicht sorgsam mit öffentlichen Geldern um. NEOS forderte daher genaue Auskünfte über die versprochenen Puffer für Bauzeiten und -kosten. Das Ergebnis und die Mehrkosten müsse man akzeptieren, hieß es. Das Vertrauen der Bevölkerung in das Bauprojekt schwinde jedoch. Hier müsse von der Landesregierung gegengesteuert werden, glaubte NEOS und forderte jährliche Evaluierungen, die dem Tiroler Landtag vorgelegt werden sollen, sowie Informationskampagnen.

FPÖ spricht von „Führungsschwäche“ und „Katastrophe“

Die FPÖ sprach von einem „Worst-Case-Szenario“, das eingetreten sei. Die FPÖ-Verkehrssprecherin im Tiroler Landtag, Evelyn Achhorner, sah darin „eine Katastrophe für die Tiroler Verkehrspolitik“ und befürchtete eine Verschiebung der Fertigstellung auf 2035. Achhorner ortete zudem eine Führungsschwäche des Vorstandes der BBT SE. Die BBT-Gesellschaft habe sich „in eine unüberschaubare Situation gebracht“.

Die Situation habe sich seit Längerem angebahnt: "Angefangen damit, dass es seit einem Jahr keinen aktualisierten Bauzeitplan mehr gibt, gibt es auch keine aktuelle Kostenaufstellung, von der ungeklärten Situation der Zulaufstrecken gar nicht zu reden“, so Achhorner. Die FPÖ fordert von der Landesregierung, dass die Bevölkerung bezüglich eines jetzt realistischen Zeitplans transparent informiert werden solle.

SPÖ fordert Politik zum Handeln auf

Auch die Tiroler SPÖ übt heftige Kritik und sieht eine „vorprogrammierte Verzögerung des Projekts“. Man könne nicht Deutschland jahrelang für Verzögerungen kritisieren und dann selbst Teil von Verzögerungen sein, empörte sich der SPÖ-Verkehrssprecher im Tiroler Landtag, Philip Wohlgemuth. Ein überstürztes vorübergehendes Einstellen der Baustelle müsse nun mit allen Kräften verhindert werden, um lange Verzögerungen abzuwenden und den Arbeitsmarkt zu schützen.

Auch wenn es nicht üblich sei, sich in das operative Geschäft einzumischen, dürfe die Politik auf Landes- und Bundesebene jetzt nicht tatenlos zusehen, so Wohlgemuth. Er forderte Initiativen von der Verkehrsministerin und dem Landeshauptmann.