Material der Schuldnerberatung
APA/BARBARA GINDL
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Wirtschaft

Viel weniger Pleiten im ersten Halbjahr

Trotz der angespannten Wirtschaftslage sind in Tirol im ersten Halbjahr sowohl die Unternehmenspleiten als auch die Privatkonkurse deutlich zurückgegangen. Der Kreditschutzverband (KSV) 1870 rechnet nächstes Jahr mit deutlich mehr Pleiten.

Zu Jahresbeginn lief der Motor der Tiroler Unternehmen noch auf Hochtouren. Die Betriebe aus nahezu allen Branchen erwirtschafteten in dieser Zeit durchaus zufriedenstellende Ergebnisse. Die Tiroler Insolvenzzahlen lagen im Jänner und Februar 2020 deutlich unter den Zahlen des Vorjahres, informierte Klaus Schaller, Regionalleiter West des KSV. Doch wenige Monate später sahen sich so gut wie alle Unternehmen mit einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, die zum Teil existenzbedrohend ist, konfrontiert.

Grafik der monatlichen Entwicklung der Insolvzen
KSV1870

Allerdings spiegelt sich diese Entwicklung nicht in den Insolvenzzahlen wider. „Aufgrund von gesetzlichen Vorgaben haben öffentlich-rechtliche Gläubiger seit Mitte März 2020 nur mehr in Ausnahmefällen Insolvenzeröffnungsanträge bei den Gerichten eingebracht. Dadurch gab es in Tirol in den Monaten März und April sehr wenige Pleiten. Die Steuern und Beiträge werden von den öffentlichen Stellen gestundet, nicht aber erlassen“, so Schaller.

Fast 30 Prozent weniger Pleiten im Jahresvergleich

In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden in Tirol 102 Unternehmen insolvent, ein Jahr zuvor waren es noch 144. Die Schulden dieser Unternehmen beliefen sich auf 48 Mio. Euro.

CPH Gastronomie u. Betriebs GmbH Kufstein Euro 14.000.000
Stahl- und Metallbau Hörburger GmbH Roppen Euro 5.600.000
Winkler Steinmetz-Gesellschaftm.b.H. & Co KG Schwaz Euro 4.300.000
Consilio ZT GmbH Schwaz Euro 2.700.000

Das Minus von 29,2 Prozent bei der Anzahl der Fälle gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 ist aus Sicht des KSV allerdings trügerisch. Es sei zu befürchten, dass eine große Anzahl von eigentlich notwendigen Insolvenzverfahren nur hinausgezögert wird. Es bleiben durch das Stillhalten der öffentlich-rechtlichen Gläubiger Unternehmen am Markt, welche de facto nicht mehr lebensfähig sind, meint Schaller.

Er sehe die Gefahr, dass diese strauchelnden Betriebe in weiterer Folge durch ihre erfolglosen Rettungsversuche – etwa Angebote zu Dumpingpreisen – die noch wirtschaftlich stabilen Unternehmen in ihrer Existenz bedrohen, erklärte Schaller im ORF-Interview.

Rasche Sanierungsverfahren für KSV wünschenswert

Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei es wünschenswert, dass strauchelnde, aber sanierbare Unternehmen rasch den Weg einer gerichtlichen Sanierung einschlagen würden. Die österreichische Insolvenzordnung ermögliche Sanierungsschritte innerhalb weniger Wochen. Nach Abschluss des Sanierungsprozesses könnten diese Unternehmen wieder durchstarten, so Schaller.

Daher sei ein langes Zuwarten und Hoffen auf Besserung oft fatal. Denn dadurch werden die letzten Vermögensreserven von den Betrieben verbraucht, und damit bleibt keine betriebliche Substanz mehr, die eine Sanierung eines Unternehmens noch zulässt, so der KSV-Experte. Im zweiten Halbjahr rechnet der Kreditschutzverband mit einem Anstieg bei den Unternehmenspleiten. „Es wird letztlich entscheidend sein, ab welchem Zeitpunkt die öffentlich-rechtlichen Stellen wieder beginnen, ihre Forderungen nachhaltig zu betreiben“, so Schaller. Vor allem im nächsten Jahr glaubt der Experte an deutlich steigenden Insolvenzzahlen.

Zahl der Privatkonkurse im ersten Halbjahr beinahe halbiert

Die Coronavirus-Pandemie traf eine große Anzahl von Tiroler Haushalten wirtschaftlich schwer. Ein reduziertes Einkommen aufgrund von Kurzarbeit oder gar eine Arbeitslosigkeit schwächen die finanziellen Reserven der Betroffenen. Obwohl er davon ausgeht, dass die Anzahl der hochverschuldeten Haushalte in Tirol in den letzten Wochen und Monaten zugenommen hat, ist im ersten Halbjahr auch die Zahl der Privatinsolvenzen deutlich zurückgegangen, so Schaller. Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren sank in Tirol im ersten Halbjahr um 42,6 Prozent auf 186 Fälle.

Schaller macht hier das deutlich eingeschränkte Angebot der Schuldnerberatung Tirol verantwortlich. Allerdings wäre es aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, dass möglichst viele Privatpersonen ihre Verbindlichkeiten regulieren, sodass sie wieder möglichst rasch am regulären Wirtschaftsleben teilnehmen können. Daher unterstützt der KSV1870 Pläne, wonach Stellen wie die Schuldenberatung Tirol mit zusätzlichen Mitteln aus Töpfen der öffentlichen Hand ausgestattet werden – mehr dazu in Mittel für Schuldenberatung aufgestockt.

Für das gerade begonnene zweite Halbjahr rechnet Schaller durch das gestiegene Beratungsangebot mit einer leichten Zunahme der Privatinsolvenzen.