So klein und zierlich Flussregenpfeifer und Flussuferläufer sind, so flink sind sie auch. Mit ihren dünnen Beinen trippeln sie durch den Uferschlamm und suchen nach Insekten. Zum Brüten brauchen sie flache Sandkuhlen, geschützt von Steinen, von denen sie sich kaum noch unterscheiden, wenn sie einmal stillsitzen.
Geburtenstation und Kinderstube auf der Schotterbank
Die Hobby-Vogelbeobachterin Ingrid Bistan verbringt viele Stunden mit ihrer Kamera hier am Inn, um sie zu fotografieren. Dank Teleobjektiv und Fernglas kann sie gebührend Abstand halten und stört die Vögel nicht. Noch ist der Flussregenpfeifer im Balzmodus. „Es dauert etwa 21 bis 28 Tage, bis die Eier in den Sandkuhlen ausgebrütet sind. Dann schlüpfen die Küken, die auch gleich laufen können und sich ihre Nahrung selbst suchen. Fliegen können sie aber erst nach weiteren 28 Tagen,“ weiß die Vogelbeobachterin, die ihre Bilder auch für die Datenbank der Vogelschutzorganisation birdlife zur Verfügung stellt.
„Die Eier sind winzig klein und zwischen den Steinen fast unsichtbar. Sie können leicht zertreten werden, wenn jemand über die Schotterbänke läuft. Die Jungvögel, die noch nicht wegfliegen können, sind leichte Beute für freilaufende Hunde,“ bedauerte die Vogelfreundin. Wenn sie mit ihrer Kamera unterwegs ist, spricht sie immer wieder Menschen an, um sie auf die vom Land aufgestellten Schilder und den notwendigen Schutz der seltenen Vögel aufmerksam zu machen. Oft erntet sie dafür viel Interesse und Einsicht, manchmal aber auch nur böse Beschimpfungen.
Der vom Land Tirol eingesetzte Schutzgebietsbetreuer Anton Vorauer kennt das Problem. „Wir wollen die Menschen nicht ausgrenzen. Die aufgestellten Schilder sollen nur zeigen, bis wohin ich gehen kann, ohne die Vögel zu gefährden. Die Schilder werden oft zerstört, ausgerissen oder sogar verbrannt, dann müssen wir sie wieder neu aufstellen. Die Schotterbänke und Inseln am Inn sind die Geburtenstation der Vögel. Das müsste man doch einsehen, dass man sie dort nicht stören darf. Ihr Leben hängt am seidenen Faden bzw. an der Hundeleine.“
Ausgleichsmaßnahme mit Bruterfolg
Die der TIWAG vom Bundesverwaltungsgericht verordnete Ausgleichsmaßnahme für das Speicherkraftwerk Kühtai im Umweltverträglichkeitsverfahren hat 13 Millionen Euro gekostet. Der neu geschaffene Lebensraum wurde erstaunlich schnell von seltenen Vögeln und Pflanzen angenommen. Auch der Zwergrohrkolben, der hier ausgesät wurde ist offenbar angewachsen. Seine Halme, die derzeit wie Schnittlauch aussehen, sprießen schon durch den Ufersand.
TIWAG-Ökologe Martin Schletterer ist vom Erfolg der Renaturierung überzeugt. „Die Baumaßnahmen liefen von Herbst 2021 bis Frühjahr 2023. Schon im vergangenen Jahr konnten wir einen Bruterfolg von Flussregenpfeifer und Flussuferläufer dokumentieren. Die Tiere haben den neuen Lebensraum also sofort angenommen. Auch heuer sind die Vögel nun zurückgekehrt und beginnen gerade mit dem Nisten und Brüten.“
Brüten am Inn und an der Autobahn
Die nahe Autobahn und der Straßenlärm scheinen die Vögel nicht zu stören. Auch Radler und Spaziergänger entlang des Begleitwegs können ihnen nicht gefährlich werden. Anders ist es mit Menschen oder Hunden, die sich direkt auf den Schotterinseln und Sandbänken bewegen. Sie können für die winzigen Eier oder die Jungvögel, die noch nicht fliegen können, das Aus bedeuten. Vom Uferdamm aus lassen sich die besonders hübsch gezeichneten, etwa handtellergroßen Vögel mit Glück und Geduld gut beobachten. Es ist als würde man einen Naturschatz entdecken, der aber unberührt bleiben soll. Mit Rücksicht und Zurückhaltung von uns Menschen können hier neue Generationen von seltenen Vögeln heranwachsen.