Obwohl Österreich keine Kolonialmacht im klassischen Sinn war, sind in der Geschichte Innsbrucks viele Spuren seiner Vernetzung mit der Welt zu finden. Diese Spuren haben Studierende der Fächer Geschichte und Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck im virtuellen Stadtplan „Innsbruck postkolonial“ zusammengefasst.
„Innsbruck postkolonial“
Der virtuelle Stadtplan entstand in einer Lehrveranstaltung des Globalhistorikers Eric Burton und des Europäischen Ethnologen Konrad Kuhn an der Universität Innsbruck in Kooperation mit der Stadt Innsbruck.
„Menschenzoos“ in den Alpen
Elf sogenannte „Völkerschauen“ zwischen 1880 und 1920 konnte die Südtiroler Geschichtsstudentin Sarah Delvai in Tirol ausfindig machen. In Innsbruck aber auch in Kufstein, Schwaz und Wörgl wurden Menschen aus Afrika, Asien und Amerika zur Schau gestellt. In der Ausstellungshalle bei der heutigen Innsbrucker Messe wurden ganze Modelldörfer nachgebaut.
„Zum Beispiel mit Strohhütten oder Hütten aus Lehm. Dann mussten die Menschen – Kinder, Männer, Frauen – primitive Kleidung tragen. Sie mussten zum Beispiel Kämpfe veranstalten oder Tänze. Oder es wurde auch geheiratet oder Geburten wurden da gemacht“, fasst Delvai ihre Recherchen zu „Völkerschauen“ in Tirol zusammen.
Inszenierung statt Realität
Mit der Realität hatte diese rassistische Zurschaustellung von Menschen nichts zu tun. Es seien klischeehafte Inszenierungen mit europäischen Sichtweisen gewesen, erklärt Delvai. Für die Betroffenen selbst war bereits die Überfahrt nach Europa beschwerlich. „Zudem waren sie nicht an die Essensgewohnheiten angepasst. Viele hatten auch Heimweh. Natürlich auch Krankheiten, wie zum Beispiel Pocken oder die Schwindsucht. Mit denen waren sie natürlich nicht vertraut und viele sind dann auch gestorben“, so die Studentin.
Bierbrauer wollen Kaffee verhindern
Neben solchen abwertenden Zurschaustellungen von Menschen kamen auch Waren aus ehemaligen europäischen Kolonien nach Tirol bzw. nach Innsbruck. So ist etwa in einem Ratsprotokoll von 1713 nachzulesen, dass es Kaffee zunächst als Arzneimittel in Apotheken zu erwerben gab. Nach und nach etablieren sich Kaffeehäuser. „Die Bierbrauerlobby war nicht so begeistert davon“, erklärt Ethnologiestudentin Laura Kogler, „weil die natürlich ihr Geschäft damit ein bisschen in Gefahr gesehen haben.“ Allerdings seien immer mehr Bierbrauer Kaffeeschenker geworden.
Um 1880 habe es in Innsbruck sieben Gast- und Kaffeehäuser und vier Kaffeeschenken gegeben, wobei das Getränk zunächst der bürgerlichen Elite vorbehalten war. Im 20. Jahrhundert wurde er schließlich zum Alltagsprodukt, dessen Herkunft man sich hierzulande durchaus bewusst war. Schließlich wurde auf den Innsbrucker Straßen damit geworben.
„Da sieht man sehr deutlich, wie mit den Herkunftsländern der Arbeiterinnen geworben wird“, erklärt Kogler. Es sind Menschen, die bis heute unter unfairen Arbeitsbedingungen auf Plantagen im globalen Süden leiden. Im Stadtplan „Innsbruck postkolonial“ gehe es in diesem Sinne auch um Machtverhältnisse in der Welt, erklärt Globalhistoriker und Lehrveranstaltungsleiter Eric Burton: „Einfach sehr viel sensibler umzugehen mit Machtverhältnissen und wie diese Machtverhältnisse nicht nur damals die Vergangenheit geprägt haben, sondern auch noch bis heute prägen“, sei Thema des Stadtplans.
Globalhistorische Perspektive weitet den Blick
Solche postkolonialen Perspektiven, wie sie die Studierenden im Stadtplan angewandt haben, könnten den Blick weiten, erklärt Burton. „Und jetzt Innsbruck zum Beispiel nicht nur im Rahmen der europäischen Geschichte zu betrachten, sondern eben auch in der globalen Geschichte zu sehen, zu verorten, zu sehen, wie war Innsbruck involviert und wie hat die Welt zurückgewirkt auf Innsbruck.“ Weitere Themen im Stadtplan sind beispielsweise die Missionierung durch Tiroler Nonnen und Mönche, Alltagsrassismus im Stadtbild und marokkanische Besatzungssoldaten.