Polizisten mit Pfefferspray
APA/Tobias Steinmaurer
APA/Tobias Steinmaurer
Chronik

Gaskonferenz: Tiroler Polizisten befragt

Am Verwaltungsgericht Wien ist am Montag die Verhandlung rund um den großflächigen Pfefferspray-Einsatz der Polizei im Zuge der Proteste gegen die Gaskonferenz 2023 fortgesetzt worden. Zum Einsatz wurden etliche Beamte aus Tirol mittels Videoübertragng befragt.

Eine Aktivistin hatte vergangenes Jahr am hinteren Ende eines spontan formierten Protestzuges in der Innenstadt das Reizgas ins Gesicht bekommen. Rechtsanwalt Clemens Lahner argumentiert, der Reizgas-Einsatz sei nicht notwendig gewesen, da der Demozug bereits angehalten hatte.

Tiroler Kommandant gab „Pfefferspray“-Befehl

Das Innenministerium hatte allein für den ersten Tag der Konferenz am 27. März 2023 insgesamt 1.326 Beamtinnen und Beamten aus Wien und sechs weiteren Bundesländern zusammengezogen. Gegen 08.00 Früh waren dann mehr als 150 Aktivistinnen und Aktivisten von der U-Bahn-Station Stadtpark über die Johannesgasse in Richtung des Marriott-Hotels am Wiener Parkring marschiert. Dort hatte der nicht angemeldete und spontane Protestzug versucht, eine polizeiliche Sperrkette zu durchbrechen.

Der Kommandant der für den Abschnitt zuständigen Tiroler Einsatzeinheit hatte daraufhin den Einsatz des Pfeffersprays angeordnet. „Ich hatte keine andere Möglichkeit, es war ein massives Gedränge“, sagte er beim zweiten Verhandlungstermin am 29. Jänner 2024.

Etwa eine Stunde später beteiligte sich die junge Frau erneut an einem Versuch, in die Nähe des Marriott-Hotels zu gelangen und wurde wieder eingenebelt. „Ich hatte Kopfschmerzen den ganzen Tag über, die Wangen und das Gesicht haben gebrannt.“ Die Demonstrierenden seien zu diesem Zeitpunkt aber bereits angehalten gewesen, für die Polizei habe keine Gefahr mehr bestanden, erklärte sie.

Zeugin empfand Vorgehen der Polizei als übertrieben

Die Richtern ließ am Vormittag weitere Zeugen befragen. Darunter war unter anderem eine Juristin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die den unangemeldeten Protest in der Johannesgasse in der Wiener Innenstadt am 27. März beobachtet hatte. Sie schilderte das Bild eines insgesamt unverhältnismäßig aggressiven Vorgehens der Beamten. „Ich habe beobachtet, wie ein Polizist einem Demonstranten in die Nierengegend geboxt hat“, sagte sie. Auch seien Schlagstöcke gegen bereits aus der Menge flüchtende Aktivistinnen und Aktivisten verwendet worden.

Der Pfefferspray sei von der Polizei „gegen sehr viele Demonstrantinnen und Demonstranten eingesetzt worden“, sagte die Juristin vor der Richterin aus. „Später hat die Polizei sie eingekesselt und willkürlich auf alle Demonstrantinnen und Demonstranten gesprüht“, erklärte die Zeugin über den zweiten Anwendungsfall. Wahrnehmungen über Waffen oder gefährliche Gegenstände bei den Protestierenden habe sie im Gegenzug jedoch keine gemacht.

Polizeibeamte widersprechen Aktivistin

Der Darstellung der Aktivistin widersprachen am Montag elf Beamte der Tiroler Einsatzeinheit, die per Video zugeschaltet waren und damals die Sprühstöße abgegeben hatten. Die Beamtinnen und Beamten seien per Funk darüber informiert worden, dass sich einige Demonstranten rund um das Platzverbot bereits mit Pflastersteinen ausgerüstet hätten. Waffen oder gefährliche Gegenstände hätten sie keine bei den Protestierenden gesehen, berichteten die Beamten. „Sie hatten jedoch Regenschirme“, sagte einer von ihnen.

Die Tiroler Beamten skizzierten einen – in Folge des Verhaltens der Protestgruppe – ruppigen bis chaotischen Einsatz und beriefen sich großteils auf Notwehr. „Wir haben es mit Körperkraft versucht, aber das hat nicht mehr ausgereicht“, erinnerte sich einer von ihnen. Die rund 50 Einsatzkräfte in der Johannesgasse seien den mehr als 150 Demonstranten zahlenmäßig klar unterlegen gewesen, hieß es. „Die ganze Masse ist auf meine Kollegen losgegangen“, erklärte ein anderer Beamte im Zeugenstand. Trotz offensichtlicher Zeichen habe der Pulk nicht angehalten.

Gewalt sei nicht von exekutive ausgegangen

„Der Schlagstock zeigte keine Wirkung“, sagte ein weiterer Beamter vor der Richterin. Die Aktivistinnen und Aktivisten zu Beginn des Protestzuges hätten ein verstärktes Transparent getragen, das der Polizei das Aufrechterhalten der Sperrkette erschwert habe, hieß es.

In Folge dieser Eindrücke sei dann der erste Einsatz durch den Kommandanten angeordnet worden. Der zweite Einsatz Pfefferspray-Nebel sei dann aus eigener Entscheidung abgegeben worden. Die Gewalt sei jedenfalls klar von den Protestierenden ausgegangen und nicht von der Exekutive, hieß es.

Die Polizei hatte damals mindestens 143 Personen wegen des Verdachts der schweren gemeinschaftlicher Gewalt, des Widerstands gegen die Staatsgewalt und der schweren Körperverletzung festgenommen, die Staatsanwaltschaft Wien im Februar jedoch das entsprechende Verfahren gegen alle beschuldigten Klimaaktivistinnen und Klimaaktivsten aus Beweisgründen eingestellt.

Unrichtige Informationen für Anwalt keine Rechtfertigung

Lahner berief sich darauf noch einmal am Montag. „Die Information über angebliche Wurfgeschosse stammt von der Landespolizeidirektion Wien (LPD) selbst und erwies sich als unzutreffend“, so Lahner. Er verwies in diesem Zusammenhang auf den Ermittlungsakt. Die von der LPD angeführten Pyrotechnika seien außerhalb des Kessels gefunden worden, so Lahner. „Das ist also auch kein Argument dafür, die Menschen im Kessel großflächig zu pfeffern“, sagte Lahner der APA. Die Behörde könne die Maßnahmen nicht mit unrichtigen Informationen rechtfertigen.

Urteil ergeht schriftlich

Die Richterin erklärte die Verhandlung am Nachmittag kurz vor 16.00 Uhr für beendet. Ein Urteil in der Causa wird nun schriftlich in mehreren Wochen erwartet.

Die Taktik der Polizei im Zuge der Demonstrationen gegen die Europäische Gaskonferenz hatte vergangenes Jahr breite Diskussionen ausgelöst. Amnesty International zeigte sich damals „besorgt über die Kriminalisierung friedlicher Proteste“. Die Grünen, die FPÖ sowie die NEOS brachten daraufhin Anfragen an das Justiz- sowie an das Innenministerium ein.