Zwei Graureiher in ihrem Nest in Arzl im Pitztal
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Wirtschaft

Graureiher verhindern Gewerbegebiet

In Arzl im Pitztal (Bezirk Imst) will die Gemeinde das bestehende Gewerbegebiet erweitern. Genau dort, wo der Wald gerodet werden sollte, haben sich seit drei Jahren aber mehrere Graureiher Brutpaare-angesiedelt. Die Vögel sind geschützt. Die Bauarbeiten müssen weiter warten.

Das bestehende Gewerbegebiet liegt am Eingang des Pitztals. Um zwei Hektar will es die Gemeinde ausbauen. Nach ihren Angaben bestehe an den neuen Flächen großes Interesse von heimischen Firmen. Alle behördlichen Genehmigungen würden vorliegen. Aber mit dem Roden des Waldes wird es vorerst nichts. Denn schon in den vergangenen Jahren haben sich fünf Graureiher-Brutpaare genau dort niedergelassen, heuer sind es vier.

Gewerbegebiet Arzl im Pitztal
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Das bestehende Gewerbegebiet in Arzl im Pitztal, links hinten sieht man das Waldstück, das für die Erweiterung gerodet werden soll. Dort nisten die Graureiher

Gewerbegebiet ist derzeit Brutgebiet

„Schon mein Vorgänger wollte das Gewerbegebiet erweitern. Es sind Jahre vergangen, bis alle behördlichen Genehmigungen vorlagen. Jetzt dachten wir, dass wir endlich loslegen können. Und dann haben sich genau dort die Graureiher niedergelassen,“ sagte der Arzler Bürgermeister Josef Knabl beim Besuch des ORF Tirol. Sie bauten ihre beeindruckend großen Nester genau in jene Bäume, die gerodet werden müssten.

Dächer des bestehenden Gewerbegebiets, dahinter der Wald, der gerodet werden soll. Hier haben sich die Graureiher angesiedelt
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Dächer des bestehenden Gewerbegebiets in Arzl im Pitztal, dahinter der Wald, der gerodet werden soll. Hier haben sich die Graureiher angesiedelt

Warum sich die gefiederten Gäste just in jenen zwei Hektar so wohlfühlen, auf denen das Gewerbegebiet entstehen soll, wissen wohl nur sie selbst. Der gesamte Verkehr ins und aus dem Pitztal muss direkt an ihren Brutplätzen vorbei. Dazu kommen die ständigen Aus- und Zufahrten auch großer Lkws zu den Gebäuden. Das scheint die Tiere nicht im Mindesten zu stören: „Es ist eigentlich ein ganz normaler Fichten- und Föhrenwald. Nichts daran ist besonders und auch der Standort ist ja nicht gerade ruhig. Ein Vorteil für die Graureiher ist sicher der nahe Inn. Und die steilen freien Hänge können sie mit den Aufwinden gut nutzen, um zurück zu ihren Nestern zu kommen,“ erklärte der Ornithologe Manfred Föger, der das Projekt des Gewerbegebiets aus vogelkundlicher Sicht von Anfang an begleitet. Das Gebiet in andere freie Grünflächen zu verlegen, sei keine Lösung. „Da haben wir noch mehr wertvolle Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten.“ Was das Pitztal als Naturraum auszeichnet, lässt also jetzt die Bagger stillstehen.

Nestangebot dankend abgelehnt

Auch wenn man Graureiher in Tirol vor allem in Inntal immer wieder sieht, sie gelten als vom Aussterben bedroht und sind damit geschützt. Etwa 100 Brutpaare leben derzeit in Tirol, sagte der Ornithologe Manfred Föger und bezog sich dabei auf die neuesten Daten aus dem Brutvogel-Atlas. . Die Kolonie im Pitztal ist die westlichste, die dokumentiert wurde. Auch eine List der Gemeinde, ihnen gerade ein paar Bäume weiter, ein Nest anzubieten, schlug fehl.

Künstliches Nest für die Graureiher im Pitztal
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Dieses schöne Nest hat die Gemeinde den Graureihern extra gebaut, um sie vom Gewerbegebiet wegzulocken. Die Vögel wollten dort aber nicht einziehen

„Wir haben den Reihern in diesem Winter ein schönes Nest gebaut, direkt neben dem künftigen Gewerbegebiet. Sie haben dann zwar das Material herausgenommen, gebaut haben sie dann aber selbst und wieder genau in die betreffenden Hektar hinein,“ kann sich der Bürgermeister ein Lachen nicht verkneifen. „Wir wollen den Tieren nicht an den Kragen. Wir würden halt nur gern das Gebiet für unsere Firmen erweitern,“ stellte Bürgermeister Knabl pragmatisch fest.

Graureiher sind geschützt, aber jagdbar

Weil Graureiher als Fischfresser immer wieder mit der heimischen Fischerei in Konflikt geraten, dürfen sie in den Bezirken Imst und Landeck sogar bejagt werden. Sie deshalb von den Nistplätzen zu schießen, oder einfach die Bäume umzuholzen auf denen sie brüten, ist dennoch gesetzlich verboten. Das wolle auch die Gemeinde gar nicht, betonte der Bürgermeister: „Die Bevölkerung im Pitztal hat sie natürlich im Auge. Die einen freuen sich, dass sie da sind, die anderen weniger. Es gibt eine klare Gesetzeslage und an die halten wir uns.“ Ob Graureiher bei uns als heimisch anzusehen sind? Der Ornithologe Manfred Föger: „Graureiher wurden seit den neunzehnsiebziger Jahren in Tirol dokumentiert. Davor wurden sie bei uns jahrzehntelang nicht mehr gesehen, weil sie vermutlich abgeschossen wurden. Seit sie vom Aussterben bedroht und deshalb geschützt sind, kehren sie langsam zurück.“

Graureiher sind das ganze Jahr in Tirol heimisch, großteils überwintern sie bei uns auch. Sie ernähren sich von Kleinsäugern wie Mäusen, aber vor allem im Winter auch von Fischen. Für heuer ist die Erweiterung des Gewerbegebiets jedenfalls schon gelaufen. Jetzt wird gebrütet, in einigen Wochen schlüpfen die Jungvögel. Die Gemeinde hofft nur, dass sich die Vögel im nächsten Jahr einen anderen Brutplatz suchen. Sonst wird das mit dem Gewerbegebiet wieder nichts.