Rettenbachferner 2023
ÖAV
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Umwelt

Rettenbachferner um 127 Meter geschmolzen

Der Alpenverein hat für den aktuellen Gletscherbericht 93 Gletscher in Österreich vermessen. Dabei zeigte sich, dass 92 Gletscher kleiner geworden sind. Den größten Längenschwund weist die Pasterze in Kärnten mit 203,5 Metern auf – gefolgt vom Rettenbachferner mit 127 Metern.

Der Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins beobachtet seit 133 Jahren die Gletscher in Österreich und registriert deren Längenänderungen. An einigen Gletschern werden zusätzlich Messungen der Fließgeschwindigkeiten und der Veränderung der Oberflächenhöhe durchgeführt. Diese zeigen ebenfalls eine enorme Abnahme der Eismächtigkeit und des Bewegungstempos.

Pasterze schmolz in einem Jahr um 203,5 Meter

Für den aktuellen Gletscherbericht des Alpenvereins wurden im Zeitraum 14. August bis 12. Oktober in Österreich 93 Gletscher beobachtet oder vermessen. Nur das Bärenkopfkees in der Glocknergruppe blieb stationär, alle anderen wurden kleiner.

Den höchsten Längenschwund wies Österreichs größter Gletscher – die Pasterze in Kärnten – mit einem für diesen Gletscher neuen Negativrekordwert von 203,5 Metern auf, gefolgt vom Rettenbachferner im Ötztal mit 127,0 Metern. Der Gepatschferner verlor in der vergangenen Messperiode 67 Meter an Länge.

Rückgang des Gepatschferners in den Sommern 2020 bis 2023

Quelle: Martin Mergili (Uni Graz), Stefan Haselberger (Uni Wien/PHUSICO

Insgesamt verlor die Pasterze an der Gletscherzunge 14,03 Millionen Kubikmeter Eis, das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 241 Metern und damit fast der Höhe des Donauturms in Wien, rechnete der Alpenverein vor.

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Postkarte Pasterze um 1950
OeAV Historische Laternbildsammlung
Die Postkarte zeigt den Stand der Pasterze um das Jahr 1950
Pasterze mit Johannisberg um 1920
OeAV Historische Laternbildsammlung
Pasterze mit Johannisberg um 1920
Glockner Pasterzenzunge 1937
OeAV
Glockner Pasterzenzunge 1937
Pasterze 2023 mit Infotafel zu Gletscherstand 1990
Raich
Pasterze 2023 mit Infotafel zu Gletscherstand 1990
Pasterze 2023 mit Gletscherstand 2005
Alpenverein Praxmarer
Pasterze 2023 mit Gletscherstand 2005
Pasterze mit Messstand 2010
Alpenverein Praxmarer
Pasterze mit Messstand 2010
Pasterze im Jahr 2023
Jürgen Merz IG glacionaut
Pasterze im Jahr 2023
Mensch steht im Pasterzensee
Kellerer-Pirklbauer
Pasterzensee

Außerordentlich ungünstiges Jahr für Gletscher

Generell sei das Gletscherhaushaltsjahr 2022/23 in Österreich außerordentlich gletscherungünstig verlaufen, betonte Gerhard Lieb, der gemeinsam mit Andreas Kellerer-Pirklbauer die wissenschaftliche Leitung des Alpenverein-Gletschermessdienstes bildet.

Gletschermesser am Ochsentalgletscher in der Silvretta
Alexander Fuchs
Die Gletschermesser auf dem Ochsentalgletscher in der Silvretta

Drei Rekordwerte in vergangenen sieben Jahren erreicht

Im Vergleich zum letztjährigen Bericht wurden die Gletscher im Mittel um 23,9 Meter kürzer. Das ist nach Angaben des Alpenvereins nicht nur der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Geschichte des Gletschermessdienstes, sondern zugleich auch der letzten sieben Jahre.

Der Rekord wurde in der Messperiode 2021/22 mit einem Rückgang von durchschnittlich 28,7 Metern beobachtet. Knapp dahinter liegt die Messperiode 2016/17 mit einem Rückgang von 25,2 Metern. Damit wurden alle drei Negativrekordwerte innerhalb der letzten sieben Jahre erreicht.

Die größten Rückgänge der Gletscher - Längenverluste in Metern

1 Pasterze (Kärnten, Glocknergruppe) -203,5
2 Rettenbachferner (Tirol, Ötztaler Alpen) -127,0
3 Sexergertenferner (Tirol, Ötztaler Alpen) -93,7
4 Schlatenkees (Tirol, Venedigergruppe) -92,8
5 Fernauferner (Tirol, Stubaier Alpen) -68,0
6 Gepatschferner (Tirol, Ötztaler Alpen) -67,0
7 Freiwandkees (Tirol, Glocknergruppe) -65,8
8 Marzellferner (Tirol, Ötztaler Alpen) -49,9
9 Frosnitzkees (Tirol, Venedigergruppe) -46,0
10 Alpeinerferner (Tirol, Stubaier Alpen) -43,4

Die höchsten Rückgänge seien im Berichtsjahr 2022/23 deutlich über denen des Vorjahres, in dem sich kein Gletscher um mehr als 100 Meter zurückgezogen hatte, gelegen.

Sehr lange und warme Schmelzperiode im Jahr 2023

„Eine zwar späte, aber sehr lange und warme Schmelzperiode im Jahre 2023 war erneut die Hauptursache für die äußerst gletscherungünstigen Gegebenheiten“, analysierte Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Österreichischen Alpenverein. „Am vergletscherten Sonnblick wurde mit 15,7 Grad am 11. Juli 2023 ein neues absolutes Temperaturmaximum gemessen.“

Rettenbachferner 2023
ÖAV
Der Rettenbachferner wurde um 127 Meter kleiner

Warnsignal für Klimapolitik

Laut dem Gletscherbericht des Alpenvereins gibt es in Österreich keinen Gletscher mehr, der über ein Nährgebiet verfügt, das die bestehende Eismasse auch nur annähernd erhalten könnte.

„Die österreichischen Gletscher existieren nur mehr aufgrund der in der Vergangenheit angesammelten Eisreserven“, betonten Lieb und Kellerer-Pirklbauer. Der aktuelle Bericht könne laut den Leitern des Alpenverein-Gletschermessdienstes als Warnsignal an die Klimapolitik gelesen werden.

Gurgler Gletscher 2023
Jürgen Merz IG glacionaut
Der Gurgler Gletscher im Jahr 2023

Es sei dringend ein Umdenken der Politik notwendig, betonte Nicole Slupetzky, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins. „Wir müssen uns jetzt zu einem naturverträglichen Tourismus hinbewegen – Erschließungen von bisher unberührten Gletscherflächen sind Raubbauten an der Natur.“