Der Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins beobachtet seit 133 Jahren die Gletscher in Österreich und registriert deren Längenänderungen. An einigen Gletschern werden zusätzlich Messungen der Fließgeschwindigkeiten und der Veränderung der Oberflächenhöhe durchgeführt. Diese zeigen ebenfalls eine enorme Abnahme der Eismächtigkeit und des Bewegungstempos.
Pasterze schmolz in einem Jahr um 203,5 Meter
Für den aktuellen Gletscherbericht des Alpenvereins wurden im Zeitraum 14. August bis 12. Oktober in Österreich 93 Gletscher beobachtet oder vermessen. Nur das Bärenkopfkees in der Glocknergruppe blieb stationär, alle anderen wurden kleiner.
Den höchsten Längenschwund wies Österreichs größter Gletscher – die Pasterze in Kärnten – mit einem für diesen Gletscher neuen Negativrekordwert von 203,5 Metern auf, gefolgt vom Rettenbachferner im Ötztal mit 127,0 Metern. Der Gepatschferner verlor in der vergangenen Messperiode 67 Meter an Länge.
Rückgang des Gepatschferners in den Sommern 2020 bis 2023
Quelle: Martin Mergili (Uni Graz), Stefan Haselberger (Uni Wien/PHUSICO
Insgesamt verlor die Pasterze an der Gletscherzunge 14,03 Millionen Kubikmeter Eis, das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 241 Metern und damit fast der Höhe des Donauturms in Wien, rechnete der Alpenverein vor.
Außerordentlich ungünstiges Jahr für Gletscher
Generell sei das Gletscherhaushaltsjahr 2022/23 in Österreich außerordentlich gletscherungünstig verlaufen, betonte Gerhard Lieb, der gemeinsam mit Andreas Kellerer-Pirklbauer die wissenschaftliche Leitung des Alpenverein-Gletschermessdienstes bildet.
Drei Rekordwerte in vergangenen sieben Jahren erreicht
Im Vergleich zum letztjährigen Bericht wurden die Gletscher im Mittel um 23,9 Meter kürzer. Das ist nach Angaben des Alpenvereins nicht nur der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Geschichte des Gletschermessdienstes, sondern zugleich auch der letzten sieben Jahre.
Der Rekord wurde in der Messperiode 2021/22 mit einem Rückgang von durchschnittlich 28,7 Metern beobachtet. Knapp dahinter liegt die Messperiode 2016/17 mit einem Rückgang von 25,2 Metern. Damit wurden alle drei Negativrekordwerte innerhalb der letzten sieben Jahre erreicht.
Die höchsten Rückgänge seien im Berichtsjahr 2022/23 deutlich über denen des Vorjahres, in dem sich kein Gletscher um mehr als 100 Meter zurückgezogen hatte, gelegen.
Sehr lange und warme Schmelzperiode im Jahr 2023
„Eine zwar späte, aber sehr lange und warme Schmelzperiode im Jahre 2023 war erneut die Hauptursache für die äußerst gletscherungünstigen Gegebenheiten“, analysierte Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Österreichischen Alpenverein. „Am vergletscherten Sonnblick wurde mit 15,7 Grad am 11. Juli 2023 ein neues absolutes Temperaturmaximum gemessen.“
Warnsignal für Klimapolitik
Laut dem Gletscherbericht des Alpenvereins gibt es in Österreich keinen Gletscher mehr, der über ein Nährgebiet verfügt, das die bestehende Eismasse auch nur annähernd erhalten könnte.
„Die österreichischen Gletscher existieren nur mehr aufgrund der in der Vergangenheit angesammelten Eisreserven“, betonten Lieb und Kellerer-Pirklbauer. Der aktuelle Bericht könne laut den Leitern des Alpenverein-Gletschermessdienstes als Warnsignal an die Klimapolitik gelesen werden.
Es sei dringend ein Umdenken der Politik notwendig, betonte Nicole Slupetzky, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins. „Wir müssen uns jetzt zu einem naturverträglichen Tourismus hinbewegen – Erschließungen von bisher unberührten Gletscherflächen sind Raubbauten an der Natur.“