Joseph Oshakuade
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Soziales

Asylwerber will arbeiten, darf aber nicht

Seit heuer gibt es in Tirol eine Stelle, um Asylwerbende und Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Hürden sind nach wie vor hoch. Ein Nigerianer, der seit Jahren hier lebt und mit seiner Schwester in einem Supermarkt arbeitete, wollte seine Arbeitserlaubnis verlängern. Das AMS lehnte dies aber ab.

Der 20-jährige Joseph Oshakuade und seine 21-jährige Schwester Victoria sind vor sieben Jahren als Jugendliche von Nigeria nach Tirol geflüchtet. Sie haben zuerst in Scharnitz und später in einer Einrichtung von SOS Kinderdorf in Hall in Tirol eine Bleibe gefunden, studieren jetzt beide und leben in einer Flüchtlingsunterkunft in Innsbruck.

Voll integriert mit guter Ausbildung

Die Geschwister haben zuerst die Mittelschule und danach die International School des Akademischen Gymnasiums Innsbruck besucht und dort auch maturiert. Nach der Schule jobbte Joseph ehrenamtlich und unentgeltlich in einem Seniorenheim. Er und seine Schwester sind längst in Tirol integriert, haben hier ihren Freundeskreis, sprechen fließend Deutsch und wollen unbedingt arbeiten und hier bleiben.

Joseph Oshakuade mit Schulfreundinnen
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Joseph Oshakuade mit Schulfreundinnen während seiner Zeit im Gymnasium in Innsbruck

AMS erteilte keine Arbeitsbewilligung

Von August bis Dezember 2023 haben die Geschwister bei einer Tiroler Supermarktkette gearbeitet. Die Arbeitsgenehmigung dazu hatte das Ausländer_innenfachzentrum des AMS in Innsbruck erteilt. Als diese Genehmigung mit Jahresende ablief, beantragte das Unternehmen eine Verlängerung, um Joseph weiter beschäftigen zu können. Diese nötige Bewilligung wurde jedoch – wider Erwarten – nicht erteilt. „Mein Arbeitgeber war überrascht, ich war auch überrascht. Es ist natürlich sehr schade, weil ich bereit und willens bin, zu arbeiten. Ich möchte arbeiten und auf eigenen Beinen stehen“, betonte Oshakuade. Der negative Bescheid, freilich, macht das unmöglich.

Arbeitende Asylwerber

Laut AMS hatten Ende Februar 2024 ingsgesamt 434 Asylwerberinnen und Asylwerber in Tirol eine Beschäftigungsbewilligung mit aufrechter Arbeitsstelle. Im Februar des Vorjahres waren es 154. Im gesamten Jahr 2022 waren es durchschnittlich nur 93. In Innsbruck würden laut AMS rund 90 Prozent der Ansuchen auch genehmigt.

In der Begründung des AMS heißt es: „Der Regionalbeirat hat im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet. Darüber hinaus liegt nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens auch keine der sonstigen im Paragraph 4 Absatz 3 (Ausländerbeschäftigungsgesetz) genannten Voraussetzungen vor.“

Der Regionalbeirat ist ein Verwaltungsgremium des AMS. Er besteht aus Vertretern von Arbeiterkammer und ÖGB sowie von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und AMS. Sie erteilen Asylwerberinnen und Asylwerbern nur dann eine Zusage, wenn der Job nicht für vorgemerkte arbeitslose Inländer in Frage kommt.

Genaue Ablehnungsgründe bleiben unklar

Welche Bedenken die Mitglieder des Tiroler Regionalbeirats gegen den Arbeitsantrag hatten, erfuhr Joseph im Schreiben nicht. „Die Entscheidung unterliegt der Verschwiegenheit“, hieß es auch auf Nachfrage des ORF Tirol beim AMS.

Joseph Oshakuade und seine Schwester Victoria
Privat
Joseph Oshakuade und seine Schwester Victoria flüchteten als Jugendliche aus Nigeria

Offenbar entmutigt von diesem negativen Bescheid versuchte die Supermarktkette erst gar nicht, auch eine Beschäftigungsbewilligung für Victoria einzureichen, obwohl auch sie ebenfalls gerne weiter gearbeitet hätte. Nun sind beide wieder auf Arbeitssuche.

Viele bürokratische Hürden

Joseph Oshakuade studiert derzeit am MCI Innsbruck die Studienrichtung Business & Management in Vollzeit. Er vermutet, dass seiner Beschäftigungsbewilligung nicht statt gegeben wurde, da er studienbegleitend nur geringfügig arbeiten kann.

Die Landesgeschäftsführerin des AMS Tirol, Sabine Platzer-Werlberger, möchte zwar nichts zum konkreten Fall sagen, bestätigte diese Vermutung aber indirekt: „Ein gewichtiges Argument kann durchaus auch einmal für die Geringfügigkeit sprechen, und diese wird dann bewilligt, meistens ist das aber nicht möglich, da wir keine geringfügigen Stellen vermitteln, sodass wir da keine sinnvolle Arbeitsmarktprüfung machen können. Vollstudierende Menschen sind per Definition auch keine arbeitslosen Menschen.“

AMS Tirol: Ausländerfachzentrum AFZ
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Das Fachzentrum wickelt die Zulassung zur Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen ab

Joseph überlegt jetzt, wohl oder übel sein Studium abzubrechen, obwohl er die Semestergebühr bereits bezahlt hat und die Ausbildung gerne abschließen würde. Alternativ muss er neben dem Vollzeitstudium genug Arbeitsstunden absolvieren, um die Beschäftigungsbewilligung zu bekommen: „Das hieße, ich muss probieren, die nötigen 20 Stunden oder mehr zu arbeiten und irgendwie versuchen, alles gleichzeitig zu schaffen – Arbeit und Studium. Eigentlich hat der Tag dafür aber nicht genug Stunden.“

Tim Ausserhuber, Rechtsberater, Verein Legal Focus
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Rechtsberater Tim Ausserhuber

Arbeitsplatz gibt Ausschlag bei Asylverfahren

Der Rechtsberater von Joseph Oshakuade kritisiert, dass der bürokratische Aufwand zu hoch ist, um zugewanderte Menschen schnell und erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, obwohl das so wichtig für das Asylverfahren wäre: „Die Höchstgerichte sehen das so, dass ich nur wirklich integriert bin, wenn ich am Arbeitsmarkt integriert bin. Es ist gut und recht, wenn ich freundlich bin, gut vernetzt, perfekt Deutsch spreche, mich ehrenamtlich engagiere oder eine gute Ausbildung habe. Worauf es aber wirklich ankommt in Österreich, ist die berufliche Integration. Die steht bei Joseph total auf der Kippe“, unterstrich der Experte.

Josephs nächster Gerichtstermin ist bereits diesen Monat. Eine Job-Bewilligung zu bekommen, dauert aber oft viele Wochen, kritisierte Josephs ehemalige Betreuerin, Petra Falkner: „Das schreckt immer wieder Betriebe ab, den Antrag auszufüllen und einzureichen. Es ist ein administrativer Aufwand und es dauert, bis das Gremium grünes Licht gibt. Die Arbeitgeber brauchen ihr Personal meist aber recht zügig. In Zeiten des Personal- und Fachkräftemangels könnte man das durchaus noch verbessern“, forderte sie.

Joseph Oshakuade mit seiner ehemaligen Betreuerin Petra Falkner
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Joseph Oshakuade und seine ehemalige Betreuerin Petra Falkner sind erschüttert über die Ablehnung des AMS

Josephs Fall liegt jetzt in zweiter Instanz beim Asylgericht, das noch im April über sein Aufenthaltsrecht in Österreich entscheiden wird. Die politische Situation in Nigeria hat sich unterdessen verschlechtert, das Leben dort ist gefährlich. Ein Job in Tirol würde Josephs Chancen, laut seinem Rechtsberater, sehr erhöhen, humanitäres Bleiberecht zugesprochen zu bekommen. Ob er alle bürokratischen Hürden zu einer Arbeitserlaubnis rechtzeitig überwindet, ist aber noch offen.