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Politik

Harasser fordert mehr Geld und Prävention

Tirols Kinder- und Jugendanwältin, Elisabeth Harasser, hat am Dienstag einmal mehr mit harscher Kritik an der Politik aufhorchen lassen. Anlässlich der Präsentation des Tätigkeitsberichts der Jahre 2022/2023 forderte sie mehr finanzielle Mittel für Kinder und Jugendliche sowie Prävention.

Zudem verwies sie auf einen Anstieg von Beschwerden aus dem Schulbereich und wollte härtere Sanktionen im Lehrerdienstrecht für jene Lehrende, die psychische Gewalt ausüben. Harasser beklagte bei einer Pressekonferenz in Innsbruck, dass der Stellenwert von Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Budgets „verschwindend gering“ sei – vor allem im Vergleich mit jenen Summen, die etwa für Wirtschaft und Tourismus vorgesehen seien. Zudem hielt sie fest: „Es fehlt gänzlich ein politisches Bewusstsein für präventive Maßnahmen.“

Elisabeth Harasser bei Pressekonferenz
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Harasser kritisierte mangelndes Bewusstsein für Prävention

Fremdunterbringung ist „traumatische Erfahrung“

Präventive Maßnahmen würde es beispielsweise insbesondere bei Fremdunterbringungen brauchen. Im Jahr 2022 waren 857 Kinder und Jugendliche von ihren Eltern getrennt (Österreichweit: 12.888), weitere 276 waren Pflegekinder. Dies sei sowohl für Kinder als auch für Eltern eine „unglaublich traumatische Erfahrung“, die etwa mit „gezielter ambulanter Betreuung“ verhindert werden könne. Die Anwältin, die nach 24 Jahren nun ihren letzten Tätigkeitsbericht vorgelegt hatte, räumte ein: „Fremdunterbringung wird es aber immer geben müssen.“

Geringe Entlohnung und Personalmangel

Im Bereich jener, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, liege außerdem „vieles im Argen“, meinte Harasser. „Arbeit mit Kindern wird oft nicht als richtige berufliche Tätigkeit anerkannt“, verdeutlichte sie ihre Wahrnehmung. Aufgrund geringer Entlohnung und Aufstiegschancen würden auch nicht viele Männer für diese Arbeiten gewonnen, was zu einem eklatanten Personalmangel führe: „Die Versäumnisse der Vergangenheit zeigen sich jetzt“ und würden eine „Verzweiflung der politisch Verantwortlichen“ offenbaren, spielte sie auf Quereinsteiger-Programme etwa für Lehrerinnen und Lehrer an.

Mehr Beschwerden im schulischen Bereich

Im schulischen Bereich verzeichnete die Kinder- und Jugendanwaltschaft (Kija) indes ein Plus bei den Beschwerden. Insgesamt 92 Fälle wurden in den vergangenen zwei Jahren registriert, die etwa Mobbing unter den Schülerinnen und Schülern, starke psychische Belastungen aber auch in 21 Fällen Beschwerden über Lehrende beinhalteten, sagte Kija-Juristin Simone Altenberger. Dabei handle es sich zwar um „Einzelfälle“, die aber „große Auswirkungen“ auf die Betroffenen haben. Neben sexistischen und rassistischen Äußerungen wurde etwa das Aufsuchen von Toiletten verboten, Schüler mussten sich in die Ecke stellen um sich zu „schämen“, es wurde ständig geschrien oder Kinder und Jugendliche wurden eingeschüchtert.

Wenig rechtliche Handhabe

Mit diesen Fällen von psychischer Gewalt habe die Anwaltschaft aufgrund mangelnder rechtlicher Handhabe zu kämpfen. „Das Allerschlimmste, das einer Lehrperson passieren kann, ist die Versetzung in eine andere Schule“, ärgerten sich die Juristinnen und forderten eine Änderung des Lehrerdienstrechts, damit künftig neben schnelleren Disziplinarverfahren auch eine Entlassung aus dem Schuldienst möglich werde. Zudem waren Harasser und Altenberger der Ansicht, dass die „Dunkelziffer“ in diesem Bereich sehr hoch sei. Oftmals würden sich Eltern erst dann melden, wenn das Kind die Schule bereits verlassen habe – dann könne man aber nicht mehr eingreifen.

Noch immer Folgen der Corona-Zeit

Die Kija beobachtete indes immer noch „Nachwehen“ aus der Zeit der Corona-Pandemie. Zwar sei mit Projekten wie „Gesund aus der Krise“ inklusive kostenloser Psychotherapie ein guter Schritt gemacht, auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie gebe es aber immer noch eine „lange Warteliste“, sah Harasser hier keine Verbesserungen. Die Zahl der Kontakte der Kija pendelte sich wieder auf dem Vor-Corona-Niveau ein. Im Jahr 2022 wurden 3.750 und im Jahr 2023 4.540 Kontakte registriert.

Lob für Schulsozialarbeit

Als positiv bewertete die Anwältin, dass „Kinderrechte zunehmend bekannter werden“, mittlerweile werde „mehr über Probleme gesprochen“. Zudem lobte sie die Etablierung der Schulsozialarbeit.

Noch einiges zu tun gebe es aber beim Kinderschutz. Sozialarbeiterin Vivien Riedl forderte, dass man verpflichtende Kinderschutzkonzepte „für alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, andenken“ sollte. Diese seien besonders im außerschulischen Bereich – etwa bei Sport-, Kultur-, und Traditionsvereinen wichtig. Diese Konzepte dienen auch dem Schutz von Erwachsenen, da sie ein Handlungsplan bei Verdachtsfällen anleitet und so „dem Gefühl von Überforderung“ entgegen gewirkt werden könne.