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Soziales

Forscherin: Tirol ist sehr patriarchal

Tirol zeichnet sich durch sehr traditionelle, konservative und patriarchale Geschlechterverhältnisse aus: Das sagt die Tiroler Geschlechterforscherin Gundula Ludwig. Am 8. März, dem internationalen Frauentag, wird weltweit mit Veranstaltungen und Aktionen auf die Anliegen von Frauen aufmerksam gemacht.

An der Universität Innsbruck wird unter anderem am Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung zu dem Thema geforscht. Generell sei Österreich sehr konservativ, was die Geschlechterverhältnisse und Geschlechterbilder anbelangt, sagt Gundula Ludwig, Professorin für Sozialwissenschaftliche Theorien der Geschlechterverhältnisse an der Universität Innsbruck. Innerhalb von Österreich erkennt Ludwig ein Ost-West-Gefälle, Tirol zeichne sich durch sehr traditionelle, konservative und patriarchale Geschlechterverhältnisse aus.

Menschen werden nach Geschlechterrollen sozialisiert

Auf die Frage nach dem Warum, meint die Sozialforscherin, dass Menschen in unserer Gesellschaft sehr früh nach Geschlechterrollen sozialisiert würden. Wenn man in einem Geschäft nach Babybekleidung oder Babyspielzeug frage, werde man sofort auch nach dem Geschlecht des Kindes gefragt. „Dem Kind ist es erst einmal völlig egal, ob es eine rosa, blaue oder grüne Hose anhat“, so Ludwig. Da sehe man, dass man in einer Gesellschaft lebe, in der Menschen von der Stunde null an in Geschlechterrollen gedrängt würden.

Geschlecht schafft Ordnung

Dass verkrustete Rollenbilder nur sehr schwer aufzulösen sind, liege auch daran, dass das Geschlecht eine Ordnungsfunktion habe, sagt die Geschlechterforscherin. Arbeit, Politik, Öffentlichkeit und Privatheit seien nach Geschlecht geordnet, deshalb gebe es so große Beharrlichkeitskräfte. Hätte man diese Geschlechterordnung nicht, müsste man dauernd demokratisch verhandeln, wie man Arbeit organisieren wolle. Dann könne man nicht wie von selbst davon ausgehen, dass die Mütter, die Schwestern, die Töchter, die Schwiegertöchter oder die migrantischen Pflegekräfte quasi wie von selbst einen Großteil der elementarsten Arbeiten übernehmen, die es in einer Gesellschaft gebe: die Sorgearbeit.

Geschlecht ein einengendes Konstrukt

Auch in Tirol gebe es immer mehr auch junge Menschen, die sich in der traditionellen zweigeschlechtlichen Ordnung nicht einordnen wollen. Denn Geschlecht sei für alle Menschen ein Konstrukt, das einengend wirke, stellt Ludwig fest. Frauen werde sehr viel mehr Verantwortung zugeschrieben für das Zuhören, das Dasein und für das Sorgen. Zugleich sei auch eine männliche Sozialisation eine Verengung, etwa wenn Männlichkeit immer etwas mit Stärke, Souveränität oder vermeintlicher Fehlerlosigkeit zu tun habe.

Zur Frage, was es brauche, damit sich bei der Geschlechtergerechtigkeit was ändere, sagt Ludwig, im Idealfall sei es ein Zusammenwirken von Politik von unten und von Politik von oben. Weil Österreich ein so geschlechterkonservatives Land sei, sei einiges erst durch den Rechtsweg ermöglicht worden.

AK: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Anlässlich des internationalen Weltfrauentags fordert die Arbeiterkammer Tirol gleiche Löhne für gleiche Arbeit für Frauen. Von einer echten Gleichstellung seien Frauen in vielen Bereichen weit entfernt, die EU-Lohntransparenzrichtlinie sei eine Möglichkeit, Tempo zu machen, heißt es. Sie ist seit Juni vergangenen Jahres in Kraft und soll bis 2026 in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Das Ziel sei, diskriminierende Lohnunterschiede aufzudecken und Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.

Gewerkschaft: Teilzeitarbeit hat Folgen

Die PRO-GE-Frauen machen anlässlich des Weltfrauentags in den Betrieben auf die Folgen von Teilzeitarbeit auf die Pension aufmerksam. Die massive Altersarmut bei Frauen sei das Resultat von Jahrzehnte langer Ungleichbehandlung und fehlender Rahmenbedingungen, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, kritisieren die Tiroler Gewerkschafterinnen. Die hohe Teilzeitquote von 50,7 Prozent bei Frauen führe unweigerlich in die Teilzeitpension und in die Altersarmut, heißt es. Sie fordern unter anderem den Ausbau der Kinderbetreuung und Pflegeeinrichtungen.