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Greenpeace: Gletscherschutz mangelhaft

Greenpeace kritisiert, dass trotz Gesetzen Gletscher in Österreich nicht ausreichend geschützt seien. Lift- und Pistenprojekte würden fast immer genehmigt. Von 14 Projekten in Gletschergebieten wurde nur in einem Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) angeordnet. Das Land Tirol wies die Kritik am Donnerstag zurück.

„Gletscher gelten in Österreich so lange als unantastbar, solange kein wirtschaftliches Interesse besteht“, so Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner. Für neue Projekte würden aber beide Augen zugedrückt, hieß es bei der Präsentation einer entsprechenden Analyse am Donnerstag.

Greenpeace habe alle eingereichten Bauprojekte seit 2017 in den Datenbanken des Umweltbundesamtes durchgesehen, bei denen eine UVP im Raum stand oder ein Feststellungsbescheid, der klärt, ob Projekte auf Gletschern UVP-pflichtig sind oder nicht.

Keine Prüfung der Projekte der letzten Jahre

Bei insgesamt 14 Fällen wurde nur einmal eine Prüfung angeordnet. Alle anderen Projekte seien ohne Rücksicht auf die Natur bewilligt worden. Darunter fallen etwa die von Greenpeace aufgedeckte „Megabaustelle“ in Sölden und die Projekte auf dem Kitzsteinhorn in Salzburg.

Screenshot Webcam Rettenbachferner Juli 2023, Bauarbeiten am Gletscher
Sölden
Im Herbst machte Greenpeace die Baustelle am Söldener Gletscher publik.

Elf Feststellungsbescheide betrafen Tirol und zwei Salzburg. Bei drei Feststellungsbescheiden wurden betroffene Flächen auffällig knapp unter 20 Hektar ausgewiesen – ab 20 Hektar wären sie UVP-pflichtig gewesen.

Land weist Kritik zurück

In einer Stellungnahme des Landes zur Kritik von Greenpeace hieß es, dass es keine Mindestschwelle an Geländeveränderungen für UVP-Verfahren gebe. Seien erheblich schädliche, belastende Auswirkungen auf Schutzinteressen wahrscheinlich, so unterliege das Projekt einer UVP-Pflicht, unabhängig von der Größe des Projekts. Der zuständige Landesrat René Zumtobel (SPÖ) ergänzte auf Nachfrage des ORF Tirol: „Jede Baumaßnahme auf einem Gletscher braucht eine behördliche Bewilligung. Das kann eine UVP sein, es kann aber auch ein Naturschutzrechtliches Verfahren sein. Daran müssten sich die Betreiber von Skigebieten halten.“

Gerade im Hinblick auf den Klimawandel, wenn Gletscher sich zurückziehen, seien Instandhaltungsmaßnahmen oft notwendig, um die Sicherheit von Skifahrerinnen und Skifahrern und den Bahnbetrieb zu gewährleisten.

Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die in Österreich zugelassenen NGOs jeden Bescheid, der feststellt, dass ein Vorhaben keiner UVP zu unterziehen ist, anfechten können und dann eine Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgt. Von den zitierten Feststellungsbescheiden sei keiner von einer NGO angefochten worden.

Maßnahmen für Skigebiete müssen nicht geprüft werden

Gletscher würden durch unterschiedliche Gesetze und Regelwerke geschützt, die aber Lücken hätten, kritisierte Greenpeace. So würden Gletscher in den Naturschutzgesetzen von Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten unter Schutz gestellt, bei Skigebieten gebe es aber bundesländerspezifische Schlupflöcher, so die Umweltorganisation. Maßnahmen, die für eine Fortführung des Skibetriebs sorgen würden, gelten demnach nicht als „Eingriff“ und können ohne Prüfung durchgeführt werden.

Schutz für Gletscher, aber kein Schutz für Moränen

Ein weiterer Schwachpunkt im Gletscherschutz laut der Greenpeace-Analyse: Im derzeitigen Bundesgesetz werde nur der Gletscher an sich geschützt. Das Vorfeld und die Moränen – die auch zum Teil aus Gletschereis bestehen – seien ausgeklammert. Diese Lücke öffne Bauvorhaben ein Schlupfloch, so Greenpeace.

Für die Novelle des UVP-Gesetzes sei 2023 eine umfassendere Definition eines Gletschergebiets vorgesehen gewesen, in der auch Nähr- und Zehrgebiete sowie Moränen angeführt gewesen seien. Diese Formulierungen, gegen die sich die Wirtschaftskammer dezidiert ausgesprochen hatte, seien allerdings gestrichen worden.

Auf dem Vorfeld wachsen jedoch Pflanzen, die Wasser binden und den Boden verfestigen. Damit seien sie ein natürlicher Schutzschild vor Muren und Steinschlag. Durch die Bau- und Sprengarbeiten werde diese Funktion zunichtegemacht, eine Verödung drohe, so die Greenpeace-Analyse. Damit sich Pionierpflanzen ansiedeln können, brauche es bis zu drei Jahre – ein Zeitraum, in dem oft Bau- und Sprengarbeiten für den Tourismus durchgeführt würden.

In seiner Stellungnahme wies das Land darauf hin, dass im Tiroler Naturschutzgesetz sehr wohl auch die Moränen geschützt seien.

Forderung nach besserem Schutz

Gemeinsam mit dem Biodiversitätsforscher Franz Essl fordert Greenpeace, den Gletscherschutz breiter zu fassen und statt nur den Gletscher an sich auch Moränen und Vorfeld im Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung zu verankern. Außerdem sollen auf Gletschern neue Bagger- und Sprengarbeiten verboten werden, fordern die Naturschützer. Greenpeace erachtet zudem mehr Forschungsförderung als notwendig, um mehr Wissen über spezifische Lebensräume des Hochalpenraumes zu gewinnen.