Wer von Seefeld in Richtung Scharnitz fährt, dem fällt die nackte Felsflanke an der Südseite der Großen Arnspitze auf. Dass diese Flanke einst von Latschen bedeckt war, zeigen alte Ansichtskarten von Seefeld.
Brandursache Zigarette
Vermutlich durch eine Zigarette gerieten die Latschen auf der Arnspitze am 2. Mai 1946 in Brand. Das Feuer breitete sich rasch aus und vernichtete etwa 100 Hektar Latschenbestände und fünf, sechs Hektar Kiefernwald, wie Oliver Sass in dem von ihm herausgegebenen Buch „Waldbrände in den Nordtiroler Kalkalpen“ schreibt. Erst am 13. Mai war das Feuer endgültig gelöscht. Jetzt, fast 80 Jahre danach, ist die Flanke immer noch kahl.
Dass der Waldbrand auf den Arnspitzen mit seinen langanhaltenden Folgen kein Einzelfall ist, zeigt neben einem Blick auf die ebenfalls brandgeschädigte Ostseite auf bayrischer Seite auch ein Blick auf die gegenüberliegende Talseite bei Scharnitz. Unterhalb der Brunnsteinspitze ist der Latschengürtel auffällig unterbrochen, die Folgen eines Waldbrandes von 1949.
Zwei große Brände im Halltal
Auch im Halltal, im Gemeindegebiet von Absam, geben riesige kahle Flächen an den steilen Südhängen Zeugnis von lange vergangenen Bränden, hier waren es vor allem Ereignisse in den Jahren 1909 und 1946. Bis heute sind diese Flächen latschenfrei geblieben.
1705 stand das östliche Karwendel in Flammen
Das Karwendel war auch Schauplatz des größten bekannten Waldbrandes in Tirol. Es war am 16. Oktober 1705, als durch Unachtsamkeit von Schafhirten im Vomper Loch ein Brand ausbrach. Lange Zeit breitete sich der Brand auf großen Flächen fast unbemerkt als Schwelbrand aus und drohte auf das Halltal überzugreifen. Am 31. Oktober setzte ein Föhnsturm ein, der mit Unterbrechungen wochenlang andauerte.
Das Feuer breitete sich über die Jöcher hinweg aus, verwüstete das Stallental und legte das Kloster St. Georgenberg in Schutt und Asche, wie ein Bericht über die Klosterbrände von St. Georgenberg wiedergibt.
Buchhinweis
Oliver Sass (Hrsg.): Waldbrände in den Nordtiroler Kalkalpen. Verbreitung – Geschichte – Regeneration. Innsbrucker Geographische Studien, Band 41, Innsbruck 2019.
Die Feuersbrunst erfasste etwa 50 Quadratkilometer, erreichte beinahe die bayrische Grenze und verwüstete auch die westlichen Hänge im Achental. Selbst im Inntal wurden die Ortschaften nördlich des Inns von Vomp bis Jenbach evakuiert, weil brennende Bäume über die Hänge herunterkollerten. Die Sonne war im Inntal über Wochen hinweg nur als schwache, rötlich leuchtende Scheibe sichtbar. Noch heute sind auffällige Kahlflächen, etwa im Stallental, Zeugen dieser über 300 Jahre zurückliegenden Katastrophe.
Unter Umständen kaum Chance auf Regeneration
Die Beispiele zeigen, dass die Regeneration nach Bränden im Gebirge Jahrhunderte dauern kann. So hat sich auf den Arnspitzen seit dem Brand von 1946 nicht viel verändert. Sass führt das auch auf die ungünstige Steilheit des Hanges und die ungünstige Neigung der Gesteinsschichten zurück. Grundlawinen würden da immer wieder alles abschürfen, „und da ist es dann ganz schwer, dass wieder etwas aufkommt“, sagt Sass, der derzeit an der Universität Bayreuth Inhaber des Lehrstuhls für Geomorphologie ist. Experten sehen hier auch in den nächsten Jahrzehnten kaum Chancen auf Besserung.
Eine ähnliche Situation zeigt sich im Halltal, wo die Gesteinsschichten ebenfalls hangparallel talwärts zeigen und sich so Vegetation nur schwer festsetzen kann. Dass unter anderen Voraussetzungen die Regeneration wesentlich rascher erfolgen kann, zeigt der Brand in der Kranebitter Klamm im Jahr 2009. Der Brand in einer Seehöhe von 1.000 bis 1.300 Metern breitete sich aber vor allem als Bodenfeuer aus, nur stellenweise waren auch Baumkronen betroffen. Der Untergrund regenerierte sich nach dem etwa 26 Hektar großen Brand innerhalb weniger Jahre, auch sonst sind hier Spuren des Brandes nur noch bei genauem Hinsehen zu erkennen.
Hochmahdkopf zehn Jahre nach dem Brand
Dass die Regeneration sehr unterschiedlich schnell verlaufen kann, zeigt sich offensichtlich auch nach den ersten zehn Jahren auf dem Hochmahdkopf. Der Brand erfasste nach verschiedenen Angaben eine Fläche von etwa 70 bis 120 Hektar. Vor allem in tieferen Lagen kommen mittlerweile wieder Bäume hoch. In höheren Lagen zeigt sich, dass die Regeneration sehr langsam verläuft, was die Gehölze betrifft.
Allerdings bedeckten relativ rasch nach dem Brand Gräser und Kräuter die ehemaligen Latschenflächen, ein Faktor, der die Erosion ebenfalls bremst. Der Brand auf dem Hochmahdkopf war dort nicht der erste: Schon 1923 gab es einen mit 20 bis 50 Hektar Fläche ebenfalls recht großen Brand und 1960 einen kleineren, der etwa 1,5 Hektar Fläche erfasste.
Großer Waldbrand vor zwei Jahren in Pinswang
Ebenfalls im März kam es vor zwei Jahren bei Pinswang im Bezirk Reutte zu einem großen Waldbrand, bei dem etwa 35 Hektar Fläche in Mitleidenschaft gezogen wurden. Tagelang wurde der Brand vom Boden und aus der Luft bekämpft, nach über zehn Tagen flammten erneut Glutnester auf. Der Brand war in der Nähe eines Steiges ausgebrochen und dürfte damit ebenfalls auf den Menschen als Ursache zurückzuführen sein.
Zivilisation ist Hauptrisikofaktor
Ein Haupteinflussfaktor für Waldbrände ist die Nähe zur Zivilisation. „Da wo Menschen unterwegs sind, brennt es häufiger“, bringt es Sass auf den Punkt. Meistens handle es sich um Fahrlässigkeit, über 90 Prozent der Brände würden auf Menschen zurückgehen. Ein zweiter Faktor sind laut Sass trockene Gebiete und Föhngassen, etwa das Inntal, das Achental und die Scharnitzer Talfurche. Was die Ausbreitung und Schäden von Bränden betreffe, gebe es eine klare Asymmetrie zwischen Süd- und Nordseite. Schwer geschädigte Flächen würden sich überwiegend auf den Südseiten befinden.
Waldbrandmaximum verschiebt sich in Richtung Sommer
Jahreszeitlich habe man ein Frühjahrsmaximum bei den Waldbränden verzeichnet, wenn der Schnee weggeht und viel Totholz herumliegt, so Sass. In den letzten Jahrzehnten habe sich das Maximum etwas in den Sommer hinein verschoben, da es in den Sommern längere Trockenperioden gebe.
Deutlich stärker von folgenschweren Waldbränden betroffen sind die Kalkalpen. In den Zentralalpen kann es aber ebenfalls zu größeren Bränden kommen. So waren im April 2010 in Kals am Großglockner 50 Hektar Wald auf dem „Gorner Berg“ von einem Brand betroffen. Der Brand entstand beim Abbrennen von Lawinenholz.
In Zentralalpen günstigere Bodenverhältnisse
Dass es in den Zentralalpen weniger dokumentierte Brände gibt, führt Sass auf die verschiedenen Böden zurück. Während in Gegenden mit Kristallingestein Ton im Boden vorkomme und die Böden feuchter seien, löse sich reiner Kalk ohne Rückstände auf. Wenn die abgestorbene organische Substanz auf dem Felsen mitbrenne, sei danach nichts mehr da, und man könne die Spuren sehr gut in der Landschaft sehen. In den Zentralalpen würden sich die Flächen schneller regenerieren und fielen damit weniger auf.
Häufigere Trockenperioden zu erwarten
Was die Zukunft betrifft, könnte durch häufiger auftretende Trockenperioden im Sommer die Brandgefahr steigen. Zugleich verweist Sass auf die Möglichkeiten der modernen Brandbekämpfung vom Hubschrauber aus. Wenn man die Brände früh erwische, dann würden sie auch nicht so groß werden.