Nackte Felsflanke an der Arnspitze
Oliver Sass
Oliver Sass
Chronik

Waldbrände prägen die Tiroler Landschaft

Das Tiroler Landschaftsbild ist teilweise stark von Waldbränden geprägt. Besonders trifft das auf die Kalkalpen zu. Nicht nur Waldbrände in jüngerer Vergangenheit wie vor zehn Jahren auf dem Hochmahdkopf bei Absam, sondern auch lange vergangene Waldbrände hinterließen deutliche Spuren in der Landschaft.

Wer von Seefeld in Richtung Scharnitz fährt, dem fällt die nackte Felsflanke an der Südseite der Großen Arnspitze auf. Dass diese Flanke einst von Latschen bedeckt war, zeigen alte Ansichtskarten von Seefeld.

Alte Ansichtskarten von Seefeld
Uni Bayreuth
Die alten Ansichtskarten zeigen die Arnspitzen im Hintergrund noch vor dem Waldbrand

Brandursache Zigarette

Vermutlich durch eine Zigarette gerieten die Latschen auf der Arnspitze am 2. Mai 1946 in Brand. Das Feuer breitete sich rasch aus und vernichtete etwa 100 Hektar Latschenbestände und fünf, sechs Hektar Kiefernwald, wie Oliver Sass in dem von ihm herausgegebenen Buch „Waldbrände in den Nordtiroler Kalkalpen“ schreibt. Erst am 13. Mai war das Feuer endgültig gelöscht. Jetzt, fast 80 Jahre danach, ist die Flanke immer noch kahl.

Nackte Felslandschaft
Oliver Sass
78 Jahre sind seit dem Brand auf der Arnspitze vergangen, und der Hang ist immer noch nackt

Dass der Waldbrand auf den Arnspitzen mit seinen langanhaltenden Folgen kein Einzelfall ist, zeigt neben einem Blick auf die ebenfalls brandgeschädigte Ostseite auf bayrischer Seite auch ein Blick auf die gegenüberliegende Talseite bei Scharnitz. Unterhalb der Brunnsteinspitze ist der Latschengürtel auffällig unterbrochen, die Folgen eines Waldbrandes von 1949.

Brunnsteinspitze vor und nach Waldbrand
Uni Bayreuth/Hermann Hammer
Auf der Brunnsteinspitze gibt es seit dem Brand von 1949 eine große Lücke im Latschenbestand

Zwei große Brände im Halltal

Auch im Halltal, im Gemeindegebiet von Absam, geben riesige kahle Flächen an den steilen Südhängen Zeugnis von lange vergangenen Bränden, hier waren es vor allem Ereignisse in den Jahren 1909 und 1946. Bis heute sind diese Flächen latschenfrei geblieben.

Halltal mit alten Brandflächen
Oliver Sass
Im Halltal sorgten vor allem zwei Brände für große Lücken in der Vegetation

1705 stand das östliche Karwendel in Flammen

Das Karwendel war auch Schauplatz des größten bekannten Waldbrandes in Tirol. Es war am 16. Oktober 1705, als durch Unachtsamkeit von Schafhirten im Vomper Loch ein Brand ausbrach. Lange Zeit breitete sich der Brand auf großen Flächen fast unbemerkt als Schwelbrand aus und drohte auf das Halltal überzugreifen. Am 31. Oktober setzte ein Föhnsturm ein, der mit Unterbrechungen wochenlang andauerte.

Nackte Felslandschaft mit vereinzelten Bäumen
Oliver Sass
Im Stallental erinnert noch einiges an den Waldbrand vor über 300 Jahren, wie hier unter dem Brentenkopf

Das Feuer breitete sich über die Jöcher hinweg aus, verwüstete das Stallental und legte das Kloster St. Georgenberg in Schutt und Asche, wie ein Bericht über die Klosterbrände von St. Georgenberg wiedergibt.

Buchhinweis

Oliver Sass (Hrsg.): Waldbrände in den Nordtiroler Kalkalpen. Verbreitung – Geschichte – Regeneration. Innsbrucker Geographische Studien, Band 41, Innsbruck 2019.

Die Feuersbrunst erfasste etwa 50 Quadratkilometer, erreichte beinahe die bayrische Grenze und verwüstete auch die westlichen Hänge im Achental. Selbst im Inntal wurden die Ortschaften nördlich des Inns von Vomp bis Jenbach evakuiert, weil brennende Bäume über die Hänge herunterkollerten. Die Sonne war im Inntal über Wochen hinweg nur als schwache, rötlich leuchtende Scheibe sichtbar. Noch heute sind auffällige Kahlflächen, etwa im Stallental, Zeugen dieser über 300 Jahre zurückliegenden Katastrophe.

Unter Umständen kaum Chance auf Regeneration

Die Beispiele zeigen, dass die Regeneration nach Bränden im Gebirge Jahrhunderte dauern kann. So hat sich auf den Arnspitzen seit dem Brand von 1946 nicht viel verändert. Sass führt das auch auf die ungünstige Steilheit des Hanges und die ungünstige Neigung der Gesteinsschichten zurück. Grundlawinen würden da immer wieder alles abschürfen, „und da ist es dann ganz schwer, dass wieder etwas aufkommt“, sagt Sass, der derzeit an der Universität Bayreuth Inhaber des Lehrstuhls für Geomorphologie ist. Experten sehen hier auch in den nächsten Jahrzehnten kaum Chancen auf Besserung.

Halltal mit Plattenflucht
Oliver Sass
Eine ungünstige Gesteinsschichtung wie hier im Halltal kann die Regeneration drastisch verlangsamen

Eine ähnliche Situation zeigt sich im Halltal, wo die Gesteinsschichten ebenfalls hangparallel talwärts zeigen und sich so Vegetation nur schwer festsetzen kann. Dass unter anderen Voraussetzungen die Regeneration wesentlich rascher erfolgen kann, zeigt der Brand in der Kranebitter Klamm im Jahr 2009. Der Brand in einer Seehöhe von 1.000 bis 1.300 Metern breitete sich aber vor allem als Bodenfeuer aus, nur stellenweise waren auch Baumkronen betroffen. Der Untergrund regenerierte sich nach dem etwa 26 Hektar großen Brand innerhalb weniger Jahre, auch sonst sind hier Spuren des Brandes nur noch bei genauem Hinsehen zu erkennen.

Fotostrecke mit 19 Bildern

Kapelle in den Bergen
Hermann Hammer
Blick von der Walder Kapelle zum Hochmahdkopf am 4. März 2024
Gedenktafel an Waldbrand Hochmahdkopf
Hermann Hammer
Gedenktafel auf dem Rädermacherkopf
Schutzbauten
Hermann Hammer
Viel Arbeit wurde stellenweise investiert, es kommen auch Bäume hoch – Bild vom 4. März 2024
Junges Bäumchen bei Schutzbauten
Hermann Hammer
Junge Bäumchen auf dem ehemaligen Waldbrandhang
Eisen und kleines Bäumchen
Hermann Hammer
Mit Eisenstäben wurde der Boden stabilisiert
Lebender und abgestorbener Jungbaum
Hermann Hammer
Nicht immer überleben die jungen Bäumchen
Wildzaun
Hermann Hammer
Wild kann die jungen Bäume gefährden, deshalb wurden einige Wildzäune errichtet
Hoher Zaun und junge Bäume
Hermann Hammer
Ein derart hoher Zaun dürfte für das Wild nicht mehr zu überwinden sein
Junger Ahornbaum
Hermann Hammer
Auch Laubbäume wie Ahorn wurden gesetzt
Verkohlter Baumstumpf
Hermann Hammer
Verkohlter Baumstumpf, zehn Jahre nach dem Brand
Latschengerippe auf Berghang
Hermann Hammer
Gerippe von Latschen und Bäumen weiter oben
Latschengerippe auf Berghang
Hermann Hammer
Trostlos präsentiert sich der Hang unter dem Hochmahdkopfgipfel
Latschengerippe
Hermann Hammer
Ein Bild vom September 2019, bis auf das höhere Gras schaut es hier jetzt kaum anders aus
Baumgerippe
Hermann Hammer
Der Hochmahdkopf im Großraum von Innsbruck. Nähe zur Zivilisation ist ein Risikofaktor für Waldbrände.
Baumgerippe
Hermann Hammer
September 2019
Baumgerippe
Hermann Hammer
Das gleiche Motiv im März 2024
Baumgerippe teilweise verkohlt
Hermann Hammer
Auch zehn Jahre danach sind die Spuren des Brandes recht deutlich
Steile Berghänge
Hermann Hammer
Bei dem Brand wurden große Latschenbestände zerstört
Erosion auf Steilhanbg
Hermann Hammer
Nach dem Brand hatte auch die Erosion leichteres Spiel

Hochmahdkopf zehn Jahre nach dem Brand

Dass die Regeneration sehr unterschiedlich schnell verlaufen kann, zeigt sich offensichtlich auch nach den ersten zehn Jahren auf dem Hochmahdkopf. Der Brand erfasste nach verschiedenen Angaben eine Fläche von etwa 70 bis 120 Hektar. Vor allem in tieferen Lagen kommen mittlerweile wieder Bäume hoch. In höheren Lagen zeigt sich, dass die Regeneration sehr langsam verläuft, was die Gehölze betrifft.

Allerdings bedeckten relativ rasch nach dem Brand Gräser und Kräuter die ehemaligen Latschenflächen, ein Faktor, der die Erosion ebenfalls bremst. Der Brand auf dem Hochmahdkopf war dort nicht der erste: Schon 1923 gab es einen mit 20 bis 50 Hektar Fläche ebenfalls recht großen Brand und 1960 einen kleineren, der etwa 1,5 Hektar Fläche erfasste.

Hüttenspitz und Hohe Fürleg
Hermann Hammer
Der Brand auf dem Hüttenspitz am Eingang zum Halltal im Jahr 1866 hat bis heute kahle Flächen hinterlassen (Bildmitte)

Großer Waldbrand vor zwei Jahren in Pinswang

Ebenfalls im März kam es vor zwei Jahren bei Pinswang im Bezirk Reutte zu einem großen Waldbrand, bei dem etwa 35 Hektar Fläche in Mitleidenschaft gezogen wurden. Tagelang wurde der Brand vom Boden und aus der Luft bekämpft, nach über zehn Tagen flammten erneut Glutnester auf. Der Brand war in der Nähe eines Steiges ausgebrochen und dürfte damit ebenfalls auf den Menschen als Ursache zurückzuführen sein.

Waldbrand Pinswang
zeitungsfoto.at
Der Waldbrand bei Pinswang forderte die Einsatzkräfte über mehrere Tage hinweg

Zivilisation ist Hauptrisikofaktor

Ein Haupteinflussfaktor für Waldbrände ist die Nähe zur Zivilisation. „Da wo Menschen unterwegs sind, brennt es häufiger“, bringt es Sass auf den Punkt. Meistens handle es sich um Fahrlässigkeit, über 90 Prozent der Brände würden auf Menschen zurückgehen. Ein zweiter Faktor sind laut Sass trockene Gebiete und Föhngassen, etwa das Inntal, das Achental und die Scharnitzer Talfurche. Was die Ausbreitung und Schäden von Bränden betreffe, gebe es eine klare Asymmetrie zwischen Süd- und Nordseite. Schwer geschädigte Flächen würden sich überwiegend auf den Südseiten befinden.

Bild der Nordkette mit einigen Waldbränden
Hermann Hammer
Einige der Brände im Großraum Innsbruck

Waldbrandmaximum verschiebt sich in Richtung Sommer

Jahreszeitlich habe man ein Frühjahrsmaximum bei den Waldbränden verzeichnet, wenn der Schnee weggeht und viel Totholz herumliegt, so Sass. In den letzten Jahrzehnten habe sich das Maximum etwas in den Sommer hinein verschoben, da es in den Sommern längere Trockenperioden gebe.

Waldbrandflächen im Halltal
Hermann Hammer
Im Halltal kommt es immer wieder zu Bränden, einer jüngeren Datums war der beim Issanger 2003 – der auffällige offene Bereich links im großen Latschenfeld

Deutlich stärker von folgenschweren Waldbränden betroffen sind die Kalkalpen. In den Zentralalpen kann es aber ebenfalls zu größeren Bränden kommen. So waren im April 2010 in Kals am Großglockner 50 Hektar Wald auf dem „Gorner Berg“ von einem Brand betroffen. Der Brand entstand beim Abbrennen von Lawinenholz.

In Zentralalpen günstigere Bodenverhältnisse

Dass es in den Zentralalpen weniger dokumentierte Brände gibt, führt Sass auf die verschiedenen Böden zurück. Während in Gegenden mit Kristallingestein Ton im Boden vorkomme und die Böden feuchter seien, löse sich reiner Kalk ohne Rückstände auf. Wenn die abgestorbene organische Substanz auf dem Felsen mitbrenne, sei danach nichts mehr da, und man könne die Spuren sehr gut in der Landschaft sehen. In den Zentralalpen würden sich die Flächen schneller regenerieren und fielen damit weniger auf.

Hubschrauber bei Brandbekämpfung
Hermann Hammer
Löscharbeiten aus der Luft sind ein großer Fortschritt gegenüber früher, hier bei einem Brand auf der Hohen Fürleg im Jahr 2019

Häufigere Trockenperioden zu erwarten

Was die Zukunft betrifft, könnte durch häufiger auftretende Trockenperioden im Sommer die Brandgefahr steigen. Zugleich verweist Sass auf die Möglichkeiten der modernen Brandbekämpfung vom Hubschrauber aus. Wenn man die Brände früh erwische, dann würden sie auch nicht so groß werden.