Sabine Scholl-Bürgi, Emilia Ölz, Teresa Ölz, Johannes Zschocke und Coco
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Gesundheit

Seltene Krankheit über Ernährung behandelt

An der Innsbrucker Kinderklinik werden sechs Kinder und Jugendliche, die unter der extrem seltenen Stoffwechselstörung „GLUT1-Defizienzsyndrom“ leiden, mit einer speziellen Ernährungstherapie – einer fettreichen Ernährung mit kaum Kohlenhydraten – betreut und behandelt.

Die Symptome der genetisch bedingten und damit angeborenen Erkrankungen können damit deutlich gelindert werden, betonten am Dienstag Verantwortliche bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

Das sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, betonte Sabine Scholl-Bürgi, geschäftsführende Oberärztin an der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. Die Symptome seien zahlreich und sowohl für die Eltern als auch für die Kinder und Jugendlichen überaus unangenehm: „Diese reichen von zerebralen Krampfanfällen bis hin zu Bewegungs- und Entwicklungsstörungen.“

Sabine Scholl-Bürgi
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Sabine Scholl-Bürgi

Ernährungstherapie als Gamechanger

Die Gründe – vor allem für die Krampfanfälle – seien leicht benannt: „Durch die Störung fehlt wegen genetischer Veränderungen der Glukose-Transporter, der Glukose aus dem Blut ins Gehirn transportiert.“ Das Gehirn habe damit zu wenig Energie zur Verfügung, erklärte Scholl-Bürgi.

Die Ernährungstherapie bei der Behandlung der Krankheit – die 1991 erstmalig diagnostiziert worden war – sei in dieser Hinsicht ein wichtiger Gamechanger. „Damit gelingt es nämlich, natürlich nur durch viel Disziplin und strenger Einhaltung dieser Diät, die notwendigen Blutwerte zu erreichen.“ Der Schlüssel dazu: „Ernährung mit nur sehr wenigen Kohlenhydraten, die dafür aber sehr fettreich ist.“

Ketogene Ernährung:

Bei der ketogenen Ernährung liegt der Fokus auf stark reduzierten Kohlenhydraten, einer erhöhten Proteinzufuhr und einem hohen Anteil an gesunden Fetten.

Richtige Diagnose vor Therapie

Vor der ketogenen Ernährungstherapie müsse aber stets die richtige Diagnose stehen, hielt Johannes Zschocke, Direktor des Instituts für Humangenetik an der Medizinischen Universität Innsbruck, fest. „Bei seltenen Krankheiten ist das freilich die größte Herausforderung“, betonte er. "Die Einordnung fällt oft schwer und ohne Einordnung gibt es auch keine spezifischen Therapien wie in diesem Fall bei „GLUT1-DS".“

Emilia Ölz und ihre Mutter Theresa Ölz
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Teresa Ölz berichtet über den Alltag ihrer Tochter Emilia

Krampfanfälle durch Ernährungstherapie verschwunden

Über ebenjene Diagnose, die in Innsbruck erfolgte, zeigte sich die ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesende Mutter einer betroffenen 14-jährigen Emilia erfreut. „Obwohl es natürlich schwer und herausfordernd für meine Tochter und uns als Familie ist, die Diät einzuhalten, können wir die Krankheit jetzt endlich benennen“, sagte sie.

Assistenzhund Coco
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Assistenz- und Signalhund Coco

Durch die Ernährungstherapie seien die Krampfanfälle fast verschwunden und ihre Tochter, die die Diagnose mit sechs Jahren erhielt, sei deutlich energiereicher. Zudem helfe ein Assistenz- und „Signalhund“ dabei, zu erschnüffeln, wenn ihre Tochter wieder problematische Blutwerte habe.

Gen-Therapie als möglicher nächster Schritt

Die Ernährungstherapie – derzeit Stand der Dinge in der Forschung – sei aber wohl nicht das Ende der Fahnenstange bei der Behandlung und Betreuung von „GLUT1-DS“ Patienten, stellte Scholl-Bürgi in den Raum. „Es ist denkbar, dass es irgendwann eine Gen-Therapie gibt“, meinte sie. Es werde eifrig geforscht, zumal man gegenwärtig davon ausgehe, dass die Krankheit häufiger sei als bisher angenommen: „Eine von 20.000 Personen ist wohl davon betroffen.“

Johannes Zschocke
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Johannes Zschocke

Überhaupt seien seltene Krankheiten – an die am 29. Februar erinnert wird – gar nicht so selten, betonte man unisono. Von selten spreche man, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Einwohnern an einer Krankheit leiden.

Rund 500.000 Betroffene in Österreich

Da aber rund 7.000 unterschiedliche seltene Krankheiten existierten, seien in der Gesamtheit etwa sieben Prozent der weltweiten Bevölkerung davon betroffen. In Österreich könne man also von rund 500.000 Patienten ausgehen, hieß es.