Noch im Katastrophenjahr wurde in Galtür der steinerne Schutzwall errichtet, doch das Unglück hatte auch Auswirkungen auf ganz Tirol. Der Leiter der Wildbach- und Lawinenverbauung der Sektion Tirol Gebhard Walter sagt, man habe umgehend die Kriterien für die Gefahrenzonenplanung geändert und die rote Gefahrenzone verschärft. Ziel sei gewesen, zu verhindern, dass Siedlungsräume und Gebäude in höher gefährdete Bereiche gebaut werden und hinrücken.
Die geänderten Gefahrenzonenpläne führten auch zu Spannungen in diversen Gemeinden und zu einigen Kuriositäten. So fanden sich beispielsweise 2005 in St. Leonhard im Pitztal, Ortsteil Zaunhof, Kirche, Widum und Friedhof plötzlich in der roten Zone wieder.
380 Kilometer Stahlstützwerke in Tirol
Seit dem Unglück wurden viele Daten gesammelt, auch Wetterdaten, und in die Pläne eingearbeitet. Lawinen können so punktgenau simuliert werden. Man habe genauere Informationen, wie viel Schnee in Anbruchgebieten niedergehen kann, welche Höhen man langjährig zu verzeichnen habe, betont Walter. Das seien Daten und Fakten, die man besser für eine treffsichere Voraussage nutzen könne. Die Daten sind auch Grundlage für weitere Verbauungen. Tirol hat mittlerweile insgesamt 380 Kilometer an Stahlstützwerken. Das entspricht der Strecke von Innsbruck nach Wien.
Lawinenwarner nutzen 400 Wetterstationen
Auf eine Datenflut kann auch der Leiter des Lawinenwarndienstes Tirol, Patrick Nairz, zurückgreifen. 1999 habe man auf 30 Wetterstationen zurückgreifen können. Man habe sich danach um einen Datenaustausch mit den angrenzenden Lawinenwarndiensten bemüht und könne jetzt auf knapp 400 Stationen zugreifen, so Nairz.
Seit ein paar Jahren wird auch länderübergreifend zusammengearbeitet. Seit 2018 kooperiere man mit den Kollegen aus Südtirol und dem Trentino, erzählt Nairz. Das sei weltweit ein Meilenstein gewesen. „Noch nie hat es so ein Projekt gegeben, dass Lawinenwarndienste grenzüberschreitend mit einem einheitlichen System, das mehrsprachig ist, zusammenarbeiten“, so Nairz.
Jeder Winter ist anders. Unterschiedlich hoch ist auch die Anzahl an Lawinen-Warnungen und Lawinenauslösungen. An einem schönen Wochenende mit einer kritischen Situation bekomme man von der Leitstelle 60 bis 70 Meldungen über Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung, so Nairz.
Übergreifende Leitstelle geschaffen
Die Leitstelle Tirol ist ein direktes Produkt der Lawinenkatastrophe von Galtür. Hier werden alle Notrufe entgegengenommen und disponiert. Damals habe es für jede Notrufnummer eine eigene Anlaufstelle gegeben, erzählt der Geschäftsführer der Leitstelle Tirol, Bernhard Noggler. Es sei passiert, dass die gleichen Informationen in unterschiedlichen Zentralen eingegangen seien und gleiche Aktivitäten drei Mal gestartet worden seien.
Funksysteme wurden einheitlich
Galtür war auch der Anlass für den Digitalfunk. Es habe unterschiedlichste digitale Funksysteme gegeben, die untereinander nicht kompatibel waren. Rotes Kreuz, Bergrettung, Behörden, Polizei oder Militär hatten jeweils unterschiedliche Funksysteme, berichtet Noggler. Ein Einsatzleiter habe fünf oder sechs verschiedene Funkgeräte irgendwie bedienen müssen, falls diese überhaupt vorhanden gewesen seien.
Seit 1999 kein Personenschaden im Siedlungsgebiet
Lawinen sind im alpinen Raum alltäglich und lassen sich in kein Korsett stecken. Seit dem Lawinenwinter von Galtür sind sie allerdings aufgrund der Vorhersagen weniger tödlich geworden. Seit 1999 habe es keine Personenschäden mehr im Siedlungsraum gegeben, sagt Gebhard Walter. Seit damals seien im Siedlungsraum nur mehr randliche Objekte betroffen gewesen. Dennoch wird es eine hundertprozentige Sicherheit im alpinen Raum nie geben.