Galtür mit Steindamm im Winter
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Chronik

Galtür: Katastrophe mit Konsequenzen

Die Lawinenkatastrophe von Galtür hat in vielerlei Hinsicht einen Modernisierungsschub bewirkt. Die Funksysteme der Einsatzkräfte wurden vereinheitlicht, Gefahrenzonenpläne geändert oder eine einheitliche Leitstelle geschaffen.

Noch im Katastrophenjahr wurde in Galtür der steinerne Schutzwall errichtet, doch das Unglück hatte auch Auswirkungen auf ganz Tirol. Der Leiter der Wildbach- und Lawinenverbauung der Sektion Tirol Gebhard Walter sagt, man habe umgehend die Kriterien für die Gefahrenzonenplanung geändert und die rote Gefahrenzone verschärft. Ziel sei gewesen, zu verhindern, dass Siedlungsräume und Gebäude in höher gefährdete Bereiche gebaut werden und hinrücken.

Staublawine geht über bewaldeten Berghang ab
privat/Christian Schatz
Vor allem Staublawinen sind eine große Gefahr im alpinen Raum

Die geänderten Gefahrenzonenpläne führten auch zu Spannungen in diversen Gemeinden und zu einigen Kuriositäten. So fanden sich beispielsweise 2005 in St. Leonhard im Pitztal, Ortsteil Zaunhof, Kirche, Widum und Friedhof plötzlich in der roten Zone wieder.

380 Kilometer Stahlstützwerke in Tirol

Seit dem Unglück wurden viele Daten gesammelt, auch Wetterdaten, und in die Pläne eingearbeitet. Lawinen können so punktgenau simuliert werden. Man habe genauere Informationen, wie viel Schnee in Anbruchgebieten niedergehen kann, welche Höhen man langjährig zu verzeichnen habe, betont Walter. Das seien Daten und Fakten, die man besser für eine treffsichere Voraussage nutzen könne. Die Daten sind auch Grundlage für weitere Verbauungen. Tirol hat mittlerweile insgesamt 380 Kilometer an Stahlstützwerken. Das entspricht der Strecke von Innsbruck nach Wien.

Mensch sitzt vor Computer mit Lawinensimulation
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Lawinen können immer präziser simuliert und damit vorhergesagt werden

Lawinenwarner nutzen 400 Wetterstationen

Auf eine Datenflut kann auch der Leiter des Lawinenwarndienstes Tirol, Patrick Nairz, zurückgreifen. 1999 habe man auf 30 Wetterstationen zurückgreifen können. Man habe sich danach um einen Datenaustausch mit den angrenzenden Lawinenwarndiensten bemüht und könne jetzt auf knapp 400 Stationen zugreifen, so Nairz.

Seit ein paar Jahren wird auch länderübergreifend zusammengearbeitet. Seit 2018 kooperiere man mit den Kollegen aus Südtirol und dem Trentino, erzählt Nairz. Das sei weltweit ein Meilenstein gewesen. „Noch nie hat es so ein Projekt gegeben, dass Lawinenwarndienste grenzüberschreitend mit einem einheitlichen System, das mehrsprachig ist, zusammenarbeiten“, so Nairz.

Montage von Stahlschneebrücken mit Hubschrauber
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Der Lawinenschutz wird laufend ausgebaut

Jeder Winter ist anders. Unterschiedlich hoch ist auch die Anzahl an Lawinen-Warnungen und Lawinenauslösungen. An einem schönen Wochenende mit einer kritischen Situation bekomme man von der Leitstelle 60 bis 70 Meldungen über Lawinenabgänge mit Personenbeteiligung, so Nairz.

Übergreifende Leitstelle geschaffen

Die Leitstelle Tirol ist ein direktes Produkt der Lawinenkatastrophe von Galtür. Hier werden alle Notrufe entgegengenommen und disponiert. Damals habe es für jede Notrufnummer eine eigene Anlaufstelle gegeben, erzählt der Geschäftsführer der Leitstelle Tirol, Bernhard Noggler. Es sei passiert, dass die gleichen Informationen in unterschiedlichen Zentralen eingegangen seien und gleiche Aktivitäten drei Mal gestartet worden seien.

Mitarbeiter der Leitstelle Tirol
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Die Leitstelle Tirol empfängt und disponiert Notrufe

Funksysteme wurden einheitlich

Galtür war auch der Anlass für den Digitalfunk. Es habe unterschiedlichste digitale Funksysteme gegeben, die untereinander nicht kompatibel waren. Rotes Kreuz, Bergrettung, Behörden, Polizei oder Militär hatten jeweils unterschiedliche Funksysteme, berichtet Noggler. Ein Einsatzleiter habe fünf oder sechs verschiedene Funkgeräte irgendwie bedienen müssen, falls diese überhaupt vorhanden gewesen seien.

Seit 1999 kein Personenschaden im Siedlungsgebiet

Lawinen sind im alpinen Raum alltäglich und lassen sich in kein Korsett stecken. Seit dem Lawinenwinter von Galtür sind sie allerdings aufgrund der Vorhersagen weniger tödlich geworden. Seit 1999 habe es keine Personenschäden mehr im Siedlungsraum gegeben, sagt Gebhard Walter. Seit damals seien im Siedlungsraum nur mehr randliche Objekte betroffen gewesen. Dennoch wird es eine hundertprozentige Sicherheit im alpinen Raum nie geben.