In unmittelbarer Nähe des letzten frei gewählten Wohnorts der Opfer der NS-Diktatur werden Bronzescheiben montiert. Auf jeweils einer der kreisrunden Plaketten – den Zeitpunkten – steht der Name des einzelnen Menschen.
©IKM/Bär
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Chronik

„Zeitpunkte“ sollen an NS-Opfer erinnern

In Innsbruck ist am Samstag das Projekt „Zeitpunkte“ erstmals öffentlich vorgestellt worden. Kleine, handgeformte Bronzescheiben sollen an verschiedenen Plätzen der Stadt an Opfer der NS-Diktatur erinnern und Anknüpfungspunkte für zusätzliche Informationen im Internet sein.

Nach einer Kranzniederlegung am ehemaligen „Arbeitserziehungslager Reichenau“ wurde das Projekt am 27. Jänner, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust, vorgestellt. Eine handgeformte Bronzescheibe von rund acht Zentimetern Durchmessern und drei Zentimetern Stärke wird in unmittelbarer Nähe des letzten frei gewählten Wohnorts der Opfer der NS-Diktatur montiert.

(v.l.n.r.) Obmann Clemens Hornich (ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten), Staatssekretär Florian Tursky, Stellvertretender Vorsitzender Wolfgang Grünzweig (Sozialdemokratische FreiheitskämpferInnen), Landesrätin Eva Pawlata, Präsident Günter Lieder (IKG), Bürgermeister Georg Willi und Landeshauptmann Anton Mattle bei der gemeinsamen Kranzniederlegung am Mahnmal für das „Arbeitserziehungslager Reichenau“.
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(v.l.n.r.) Obmann Clemens Hornich (ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten), Staatssekretär Florian Tursky, Stellvertretender Vorsitzender Wolfgang Grünzweig (Sozialdemokratische FreiheitskämpferInnen), Landesrätin Eva Pawlata, Präsident Günter Lieder (IKG), Bürgermeister Georg Willi und Landeshauptmann Anton Mattle bei der gemeinsamen Kranzniederlegung am Mahnmal für das „Arbeitserziehungslager Reichenau“.

QR-Code leitet zu mehr Information weiter

Auf jeweils einer der kreisrunden Plaketten – den Zeitpunkten – steht der Name des einzelnen Menschen. Die Beschriftung ist graviert und versiegelt. Begleitet wird das Gedenkzeichen von einem QR-Code, der auf die Website www.zeitpunkte.at verweist, wo weitere Informationen zu den jeweiligen Biografien und Standorten mehrsprachig abgerufen werden können.

Begleitet wird das Gedenkzeichen von einem QR-Code, der auf die Website www.zeitpunkte.at verweist, wo weitere Informationen zu den Biografien und Standorten abgerufen werden können.
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Empathische Verbindung soll entstehen

Die Zeitpunkte können an Lichtmasten oder auf eigens errichteten Pollern befestigt werden. „Berührt die Sonne die Zeitpunkte, zeigt sich das flüchtige Nachleuchten eines ausgelöschten Lebens", erklärt Stefan Amann von Proxi Design, der das Projekt entwickelt hat. „Die Zeitpunkte sollen in erster Linie eine empathische Verbindung zwischen den Menschen schaffen, denen damals und denen heute“, so Amann.

Vorschläge kommen aus der Bevölkerung

Eine Besonderheit des Projekts „Zeitpunkte“ ist, dass neue Erinnerungszeichen ausschließlich auf Antrag und Erstrecherche aus der Zivilgesellschaft errichtet werden. Nach der privaten Recherche zur Biographie des Opfers erfolgt ein Antrag an das Kulturamt. Eine Fachgruppe überprüft die Einreichung und entscheidet über die Anbringung. Die IKB übernimmt die Montage und Wartung, die Herstellungskosten von 250 Euro werden von der Stadt Innsbruck gemeinsam mit den einreichenden Personen getragen.

Erinnerung an ermordete Kaufleute

Die ersten zwölf Innsbrucker Zeitpunkte sind bereits an neun verschiedenen Orten im gesamten Stadtgebiet montiert. Diese wurden in Zusammenarbeit mit der Plattform www.erinnern.at erstellt und zur Gänze von der Stadt Innsbruck finanziert. Drei der ersten Zeitpunkte, die zum Internationalen Gedenktag am 27. Jänner 2024 offiziell enthüllt wurden, befinden sich in der Defreggerstraße 12 und sind Wolf Meier Turteltaub, Amalie Turteltaub und Gitta Scharf gewidmet. Die Geschäftsleute hatten in Innsbruck einen Gemischtwarenladen betrieben, 1942 wurden sie gemeinsam mit ihrer zehnjährigen Enkelin Gitta nach Riga deportiert und ermordet.

Zeitpunkt, Erinnerungsscheibe aus Bronze für NS Opfer
ORF

Ergebnis eines internationalen Wettbewerbs

Der Kulturausschuss der Stadt Innsbruck beauftragte im Jahr 2022 das Stadtarchiv/Stadtmuseum, in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) und dem Institut für Zeitgeschichte eine respektvolle und zeitgemäße Herangehensweise auszuarbeiten. Als Ergebnis wurde ein zweistufiger internationaler Wettbewerb initiiert. Aus diesem Prozess ging das Konzept „Zeitpunkte“ der Firma Proxi Design einstimmig als Sieger hervor. Die Gesamtkosten des Projekts sind mit 100.000 Euro veranschlagt.