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Grünmandl-Collage am Tiroler Landestheater

Der Tiroler Kabarettist Otto Grünmandl wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Das Tiroler Landestheater widmet dem Meister des Absurden eine Collage aus bekannten Kabarettpogrammen und noch nie aufgeführten Texten. Die Osttiroler Musicbanda Franui spielt live dazu.

„Politisch bin ich ein Trottel…“

Bierkisten baumeln zwischen den Säulen des Tiroler Landestheaters. Otto Grünmandl benützte sie einst gerne für seine eigenen Bühnenbilder. Die bildende Künstlerin Katharina Cibulka gestaltete erstmals ein Bühnenbild und lässt es aus dem Theater sozusagen hinauswachsen. Sie will das Öffentliche draußen und das Private im Innenraum des Theaters verbinden, frei nach dem Grünmandl-Zitat „Politisch bin ich ein Trottel, aber privat kenn´ ich mich aus.“

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Die Grünmandl-Collage strahlt nach außen. An der Theaterfassade ist eine Installation von Katharina Cibulka zu sehen.

Kleinkariertes Zimmertheater

Die normalerweise mit dunkelrotem Samt überzogenen Türen der Theaterlogen wurden mit einem kleinkarierten Stoff tapeziert. Cibulka orientiert sich dabei an den Mustern der Anzüge des Haller Kabarettisten und Textilkaufmanns.

Otto Grünmandl führte das von seinem Vater Alfred in der Haller Salvatorgasse gegründete Modegeschäft, bevor er sich ab der Mitte der 1960er Jahre dem Schreiben widmete. Von 1972 bis 1981 leitete Grünmandl die Abteilung „Unterhaltung Wort“ im ORF Landesstudio Tirol. 1996 gründete er in seiner Heimatstadt das „Zimmertheater“. Dort war er sein eigener Intendant und führte am Wochenende Kabarettprogramme auf.

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Die Türen einiger Logen wurden mit einem karierten Stoff neu tapeziert. Diese Installation ist die ganze Spielzeit über zu sehen.

Im Gehirn des Satirikers

Das Bühnenbild ist ein Baustellengerüst, das sich dreht und viele Stücke spielt. Es könnte auch Einblicke in die schwer durchschaubaren Gehirnwindungen des skurrilen Autors bieten, meint Cibulka. „Ich wollte einen Spielraum schaffen, vielleicht ist es auch sein Gehirn, in dem viele kleine Kästchen eingebaut sind. Es gibt viele verschiedene Wege durch dieses Gerüst, die auch Synapsen sein könnten.“

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Mehrere Schauspieler und Schauspielerinnen verkörpern die Figur von Otto Grünmandl, um den facettenreichen Autor darzustellen.

Kabarettist und Modeberater

Bekannt wurde der Schriftsteller vor allem mit seinen Kabarettprogrammen etwa den „Alpenländischen Interviews“, die er gemeinsam mit seinem ORF-Kollegen Theo Peer führte. Der Haller Regisseur Alexander Kratzer recherchierte umfassend und besuchte Theo Peer noch kurz vor dessen Tod im August 2023.

Eine Auswahl aus der Fülle des Materials zu treffen, war für Kratzer nicht einfach, denn er kennt viele Texte seit seiner Kindheit. „Meine Lieblingstexte sind die Kugelauswertungszentrale und der Regensaal. Ich bin mit diesen Aufnahmen aufgewachsen und konnte sie schon im Alter von sechs Jahren auswendig.“

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Der Haller Regisseur Alexander Kratzer ist mit den Texten von Otto Grünmandl seit seiner Kindheit vertraut.

Schicksal der jüdischen Familie Grünmandl

Weniger bekannt sind die leisen, lyrischen Schriften des Autors. Einige wurden erst nach seinem Tod im Jahr 2000 veröffentlicht. Der Schriftsteller erzählt aus der Zeit der NS-Diktatur in der seine Familie verfolgt wurde. Er selbst war in einem Arbeiterlager in Thüringen inhaftiert. Sein Vater Alfred kam ins Innsbrucker Arbeiterlager in der Reichenau.

Auch die tragischen Geschichten beschreibt Grünmandl in dem ihm eigenen Stil. „Wir lebten von 1933 bis 1938 in Österreich. Ich habe ein und dieselbe Mehrheit in ein und derselben Woche am Mittwoch für Schuschnigg und am Sonntag für Hitler demonstrieren gesehen.“

„Man ist nie der, der man ist.“

Wer weiß schon, wer Grünmandl wirklich war? „Wenn man in Gesellschaft ist, dann verstellt man sich ja immer. Dann ist man ja nie der, der man ist, immer der, der man sein will, vielleicht auch der, der zu sein man bei seinen Gästen den Eindruck erwecken will.“ Regisseur Alexander Kratzer lässt mehrere bunte Grünmandls auf der Bühne auftreten, um den unterschiedlichen Facetten des vielschichtigen Autors nahe zu kommen.

Fotostrecke mit 10 Bildern

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In den „Olympischen Interviews“ ironisiert Grünmandl die Sport-Verherrlichung in Tirol.
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Das von Grünmandl in Hall gegründete „Zimmertheater“ ist auf der Bühne präsent.
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Mit den „Alpenländischen Interviews“, die Theo Peer mit Grünmandl führte, wurden die beiden überregional bekannt.
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Texte aus den 1970er Jahren sind auch heute noch aktuell.
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Katharina Cibulka entwarf ein Baustellengerüst, das viele Stücke spielt.
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Die Osttiroler Musicbanda Franui spielt Eigenkompositionen live dazu.
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Zeitloses Kabarett

Grünmandl schöpfte vor allem aus der alltäglichen Beobachtung der Menschen, er sezierte die Kleinbürgeridylle und persiflierte das verkorkste Beamtentum. Auch wenn er sich von tagespolitischen Themen inspirieren ließ, formulierte er zeitlose Texte. So hört sich die in den 1970er Jahren verfasste Transitdemo an, als ginge es um aktuelle Probleme.

Man muss die Texte keineswegs auswendig können, um den Abend genießen zu können. „Normal ist ein Begriff und bezeichnet weiter nichts als den Zustand der Mehrheit. Die Mehrheit ist immer normal. Die Mehrheit bestimmt das sogenannte gesunde Volksempfinden.“

Die Osttiroler Musicbanda Franui spielt live dazu. Auch wenn die beiden Komponisten Markus Kraler und Andreas Schett den Kabarettisten nicht gut kannten, haben sie doch das Gefühl, sich auf vielen Ebenen zu verstehen, erklärt Schett: „Die Texte haben uns begeistert, weil wir in unserer Musik eine ähnliche Tonalität haben. Wir wollen mit unserer Musik auch vieldeutig sein, damit man nicht sofort weiß, was damit gemeint ist. Das ist auch in jedem Satz von Grünmandl so, dass er in fünf verschiedenen Arten zu lesen ist. Das hat uns sofort verbunden.“

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Andreas Schett erkennt Parallelen in den Grünmandl-Texten und der Musik von Franui.

„Mit seiner Meinung hinter dem Berg halten“

„Ein Gebirgler, besonders im alpenländischen Raum, ist einerseits dafür bekannt, wortkarg und zurückhaltend zu sein, andererseits aber auch dafür, mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten“, lautet ein Grünmandl-Zitat. Das Potpourri würde ihn an Monty Python´s Flying Circus erinnern, meint der Komponist und Kontrabassist Markus Kraler. Der Abend bietet gute Unterhaltung, aber auch einigen Stoff zum Nachdenken.