Sie waren die Folge von Liebesbeziehungen, Affären aber auch Vergewaltigungen. Die Kinder von Besatzungsmitgliedern der Alliierten wurden in Familien oft jahrzehntelang verschwiegen und in der Gesellschaft diskriminiert. Sie galten als „Kinder des Feindes“.
Armut, Ausgrenzung und die Sehnsucht nach dem Vater
Die Lebensbedingungen von Besatzungskindern waren oft geprägt von Armut, Vaterlosigkeit und Stigmatisierung. Viele Kinder wuchsen bei Großeltern, Pflegeeltern oder in Heimen auf. Silvia Kleinschmidt war eine von ihnen, sie wuchs bei ihrer Großmutter auf. Ihre Mutter war zum Zeitpunkt ihrer Geburt erst 17 Jahre alt. Sie lernte den französischen Besatzungssoldaten Auguste Housset bei einer Tanzveranstaltung kennen.
„Es war eine harte Zeit, mein Großvater war nicht einverstanden mit der Beziehung meiner Mutter und dem französischen Alliierten, obwohl er sie heiraten wollte. Für ihn kam eine Hochzeit mit dem ‚Feind‘, wie ihn mein Großvater nannte, nicht in Frage“, erzählt Kleinschmidt. Ihre Mutter habe die heute 74-Jährige nur mehr einmal im Jahr gesehen. „Sie war am Ende fast so etwas wie eine Schwester für mich, weniger eine Mutter – sie war generell eher verschlossen mir gegenüber, ich glaube sie hatte ein gebrochenes Herz, weil sie nicht mit ihrer Liebe zusammen sein konnte“, schildert die Zeitzeugin.
Silvia Kleinschmidts Kindheit war geprägt von Armut: „Wir hatten Eis an den Wänden im Winter, es war feucht, wir hatten keine Heizung – ich erlitt dadurch eine Lungenkrankheit.“ Auch die Schulzeit war für sie schwierig, Kinder von Besatzungskindern seien diskriminert worden, sagt sie. „Bewusst wahrgenommen habe ich das erst ab der dritten Klasse, es gab eine eigene Reihe für die Besatzungskinder und auch die Lehrer haben uns das schon spüren lassen, dass wir ‚anders‘ waren.“
Ähnlich erging es auch Marlene Walde, sie wuchs im Tiroler Oberland auf. Die Geschichte der 76-Jährigen unterscheidet sich von jener vieler Besatzungskinder – denn ihre Eltern lebten einige Zeit gemeinsam in Tirol und standen offen zu ihrer Beziehung. Bewusste Erinnerungen an ihren Vater hat sie dennoch nicht, er musste Tirol verlassen als sie noch ein Kleinkind war. „Meine Mama war berufstätig, sie hat in einer Textilfabrik gearbeitet im Schichtbetrieb. Das war manchmal schon schwierig, ich musste viel alleine sein. Aber uns hat es an nichts gefehlt, natürlich haben wir sparen müssen“, so Walde. In ihrer Familie sei immer nett über ihren Papa gesprochen worden und wie nett er mit ihr umgegangen sei, betont die 76-Jährige. „Ich habe meinen Papa immer sehr vermisst und dieses Gefühl dauert bis heute an.“
Die Suche nach den eigenen Wurzeln
Die Erziehungswissenschafterin Flavia Guerrini forscht zur Geschichte der Besatzungskinder in Österreich. Es ist eine Geschichte, die bis heute nur wenig aufgearbeitet wurde, obwohl es in der Zeit zwischen der Befreiung Österreichs vom Regime der Nationalsozialisten 1945 und dem Abzug der Alliierten 1955 zu vielen „Beziehungen“ zwischen amerikanischen, französischen, britischen oder auch russischen Soldaten und einheimischen Frauen kam.
Für die Recherche ihres Buches „Vom Feind ein Kind“ hat Flavia Guerrini mit neun Zeitzeugen gesprochen. "Eine Dame, die ich interviewt habe, hat beispielsweise erst mit fast 60 Jahren erfahren, wer ihr leiblicher Vater war. Das macht schon sehr viel mit einer Person und lässt einen die eigene Identität hinterfragen oder das Verhältnis zur Familie, oder was man glaubt über seine Herkunft zu wissen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass viele Menschen nie erfahren werden, wer ihre Väter war. Das kann natürlich auch sehr aufwühlend sein, erklärt Guerrini.
Die Wissenschafterin setzt ihre Forschung zur Geschichte der „Besatzungskinder“ fort mit dem Ziel das Thema auch international einzubetten und in einen aktuellen Kontext zu setzen. Denn auch heutzutage würden bei bewaffneten Konflikten Kinder geboren, deren Väter als „Feinde“ gesehen werden.