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Soziales

Land bei selbstbestimmtem Wohnen säumig

Bei angemessenen Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen gibt es in Tirol Aufholbedarf. Im Dezember hatte die Volksanwaltschaft kritisiert, dass junge Menschen mit Beeinträchtigungen in Altersheimen untergebracht sind. Interessenvertreter fordern mehr Selbstbestimmung.

Sendungshinweis:

Zum Thema ist Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) am Abend im „Tirol heute“-Interview zu Gast. 19.00 Uhr in ORF 2

97 Menschen, die jünger sind als 60 Jahre, wohnen laut dem Land Tirol in Altersheimen. Zum Teil sind sie sogar jünger als 30, wie aus einer Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft vom Dezember 2023 hervorgeht – mehr dazu in „Missstand“ junge Menschen in Altersheimen. Für junge Menschen mit Behinderungen brauche es passende Wohnmöglichkeiten, fordert die Volksanwaltschaft.

So sieht das auch der Tiroler Monitoringausschuss, der die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Tirol kontrolliert. „Beim Wohnen geht es darum, dass jemand nicht aufgrund seiner Behinderung an einem Ort und mit Personen wohnen muss, die er selber nicht wählen kann“, sagt Vorsitzende Isolde Kafka. Es sei verständlich, dass Menschen selbstbestimmt wohnen möchten. „Wir wollen auch nicht einfach mit jemandem zusammen wohnen oder von jemandem betreut werden, den wir uns überhaupt nicht ausgesucht haben.“

Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) zu Gast in „Tirol heute“

Soziallandesrätin Eva Pawlata nimmt im Studio zur Kritik an der Wohnsituation von jungen Menschen mit Behinderungen und dem fehlenden Entwicklungsplan Stellung

Tirol bei Entwicklungsplan säumig

Dafür brauche es laut Kafka, genug barrierefreien Wohnraum und persönliche Assistenzen. Diese könnten Menschen mit Behinderungen bei einem selbstbestimmten Leben unterstützen. Stattdessen werden sie aufgrund ihrer Behinderung in Institutionen betreut und aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld herausgerissen.

Man müsse beispielsweise zwar schauen, welche Institutionen überhaupt benötigt werden. Aber man beginne beim Menschen und nicht ausgehend von der Institution und der Frage, wie sie gefüllt werden. „Das ist der entscheidende Wandel in den Köpfen, aber auch dann schlussendlich in den zu erstellenden Entwicklungsplänen“, ist Kafka überzeugt. Ein solcher Entwicklungsplan für Menschen mit Behinderungen stehe in Tirol bisher noch aus.

UN-Konvention für individuelle Lösungen

Wenn es um selbstbestimmtes Wohnen von Menschen mit Behinderungen geht, ist ein Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention die „De-Institutionalisierung“. Das bedeutet, dass man weg von großen Wohnheimen hin zu individuellen Lösungen geht. Eine Möglichkeit dafür ist etwa eine persönliche Assistenz. Das bringe Menschen mit Behinderungen mehr Selbstbestimmung.

Isolde Kafka Tiroler Monitoringausschuss
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Isolde Kafka ist Vorsitzende des Tiroler Monitoringausschusses

Darüber hinaus sei eine selbstbestimmte, individuell gestaltete Wohnform auch günstiger, sagte Isolde Kafka. „Wo es uns gelingt, Menschen zu befähigen, selbständig zu leben, geht es eigentlich automatisch mit einer Kostenreduktion einher, weil stationäre Einrichtungen sehr teuer sind." Diese seien auf einen maximalen Betreuungs- und Pflegebedarf ausgerichtet und hätten dementsprechend auch einen erhöhten Personalschlüssel“, so die Vorsitzende des Tiroler Monitoringausschusses.

Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Zwei Jahre später trat sie in Kraft. Die Staaten verpflichten sich in dem Vertrag, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu schützen und zu fördern. In Österreich trat die Konvention 2008 in Kraft.