Superwahljahr 2024 Collage
Im Uhrzeigersinn: APA/Georg Hochmuth, ORF, David Iliff (CC BY-SA 3.0), APA/Robert Jaeger,
Im Uhrzeigersinn: APA/Georg Hochmuth, ORF, David Iliff (CC BY-SA 3.0), APA/Robert Jaeger,
Politik

2024 wird „Super-Wahljahr“ auch für Tirol

Von einzelnen Gemeinden über den Nationalrat bis zum Europäischen Parlament: Für die Menschen in Tirol stehen heuer mehrere Wahlen an. Das „Super-Wahljahr“ könnte aber auch die Politikverdrossenheit verstärken, befürchtet der Politikwissenschafter Peter Filzmaier – ein Überblick.

„Nach der Wahl ist vor der Wahl“ – diese Phrase wird man heuer wohl wieder öfter zu Ohren bekommen, in Tirol etwa im Zuge von Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in fünf Gemeinden, darunter auch die Landeshauptstadt Innsbruck. Außerdem sind von Ende Jänner bis Anfang Februar die Wahlen zur Vollversammlung der Arbeiterkammer Tirol anberaumt. Dabei sind immerhin rund 285.000 unselbständig beschäftigte Menschen wahlberechtigt.

Zusätzlich ist 2024 auch das Jahr der Wahl zum Europäischen Parlament und zum österreichischen Nationalrat. Während erstere in Österreich am 9. Juni stattfindet, dürfte letztere auf Ende September fallen. Der politische Jahreskalender ist damit für die wahlberechtigten Tirolerinnen und Tiroler relativ dicht und verspricht viel Spannung.

Wahlurne
APA/dpa/Monika Skolimowska
Tirolerinnen und Tiroler sind heuer gleich mehrmals zur Stimmabgabe aufgerufen

Auch über die Tiroler Landesgrenzen hinaus werden regionale und nationale Wahlen für Spannung sorgen – dazu gehören etwa die Gemeinderatswahl in der Stadt Salzburg, die Landtagswahlen in Vorarlberg und der Steiermark (siehe Grafik unten) – oder international auch die Präsidentschaftswahlen in den USA im November oder jene in Russland im März.

Mehrere Gemeinden wählen im Jänner und Februar

Bereits am 21. Jänner sind die Einwohnerinnen und Einwohner von Karrösten (Bezirk Imst) aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die bisherige Bürgermeisterin Petra Singer hatte im Herbst ihren Rücktritt bekannt gegeben – mehr dazu in Seefeld und Karrösten suchen neue Ortschefs. Bis zum 17. Jänner (24.00 Uhr) können die Wahlberechtigten der Gemeinde noch Wahlkarten beantragen.

Einen Monat später, am 25. Februar, finden nach den Rücktritten der jeweiligen Bürgermeister und der Auflösung der Gemeinderäte auch Wahlen in Seefeld, Thaur (Bezirk Innsbruck-Land) und Musau (Bezirk Reutte) statt. Die Termine für die allfälligen Stichwahlen sind zwei Wochen danach für den 10. März angesetzt.

Seefeld
Seefeld ist eine von fünf Tiroler Gemeinden, in denen bald gewählt wird

„Gemeindepolitik als Chance gegen Image-Krise“

Formal gesehen seien die Gemeinderatswahlen nicht von besonders großer Bedeutung, meinte der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. „Aber für die Menschen vor Ort sehr wohl, denn es ist zwar weniger Kompetenz in der Gemeinde, um eigene Gesetze zu schreiben, aber vermeintlich kleinere Entscheidungen von einer Straßenumfahrung, einem Kreisverkehr bis zu einem lokalen Jugendzentrum betreffen unmittelbar den Alltag der Menschen“, so Filzmaier.

Voraussichtliche Termine EU-Wahl, NR-Wahl, Landtagswahlen, Gemeindewahlen;
APA
Der Wahlkalender in Österreich für die Jahre 2024 und 2025

Darüber hinaus sieht er in der Gemeindepolitik beziehungsweise in den damit zusammenhängenden Wahlen eine „Chance für die momentane Image-Krise nicht nur der Politik sondern teilweise leider der Demokratie, weil sie ja der Ort sind, wo der reale Kontakt zwischen BürgermeisterInnen und der Bevölkerung stattfindet“, sagte er. Schließlich spiele sich die politische Kommunikation auf Bundesebene großteils nur noch über Massenmedien ab und das sei dann weniger vertrauensfördernd.

Politikverdrossenheit als Gefahr für Demokratie

In Bezug auf das Verhältnis zu Politikerinnen und Politikern können die Wochen und Monate vor einem Wahltag alles andere als vertrauensbildend sein. Wie der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl einmal sagte, handle es sich beim Wahlkampf um eine „Zeit der fokussierten Unintelligenz“. Insofern blicke man aus politikwissenschaftlicher Sicht durchaus mit Sorge auf das Wahljahr 2024, meinte Filzmaier.

Das Ringen um Stimmen von Wählerinnen und Wählern sollte ihm zufolge ein sachlicher Streit als Wettkampf um die besten Ideen für unterschiedliche politische Themen sein. Dabei habe sich 2023 bereits die Gefahr abgezeichnet, dass man sich jetzt schon in einer Art Vorwahlkampf und Dauerwahlkampf mit Negativ-Kampagnen befinde. Darin gehe es hauptsächlich darum, dem jeweils anderen politisches Fehlverhalten vorzuwerfen. „Setzt sich das fort, dann ruiniert man das Image der gesamten Branche und das ist natürlich auch für 2024 zu befürchten.“

Zuletzt geringe Wahlbeteiligung in Innsbruck

Insofern können durch politische „Schlammschlachten“ die Politikverdrossenheit und -müdigkeit bei der Bevölkerung zunehmen. Konkret könnten sich diese am Wahltag bei einer sinkenden Wahlbeteiligung bemerkbar machen. 2018 lag diese bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl in Innsbruck beispielsweise bei gerade einmal 50,4 Prozent. Nur die Hälfte der Wahlberechtigten hatte also von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Innsbrucker Rathaus
IKM / W. Giuliani
In Innsbruck betrug die Beteiligung bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl 2018 lediglich 50,4 Prozent

In der Tiroler Landeshauptstadt wird am 14. April 2024 gewählt. Noch ist unklar, wer tatsächlich aller antreten wird. Mit zahlreichen Abspaltungen und „unabhängigen“ ehemaligen Parteipolitikern werden hier aber wohl über ein Dutzend Parteien zur Wahl stehen. „Innsbruck ist politisch eine österreichische Einmaligkeit, denn es gibt ja praktisch keine Partei oder Liste, die sich nicht irgendwann in der jüngeren oder länger zurückliegenden Vergangenheit gespalten hat“, kommentierte Filzmaier.

Der Politologe sieht dabei die Gefahr, dass sich der Gemeinderat auch nach der Wahl noch weiter zersplittern wird. Grundsätzlich sei Parteienvielfalt sehr positiv. Aber der „Elchtest“ komme nach der Wahl wenn es darum gehe, „sich nicht unbedingt plötzlich heiß zu lieben, denn das würde unter dem Verdacht der Deals für den eigenen Vorfeld stehen, aber zumindest streng sachpolitisch zu agieren“. Nach der Legislaturperiode von knapp sechs Jahren sei nämlich klar, dass die Innsbrucker Gemeindepolitik von vielem gekennzeichnet gewesen sei, „aber sicher nicht von strenger Orientierung an der Sachpolitik, sondern eher wildem Streit“.

Mehr Politische Bildung gefordert

Die Lösung gegen Politikmüdigkeit sei jedenfalls politische Bildung, zeigte sich Filzmaier überzeugt. Das sei einerseits eine Bringschuld der Politik, die sich nicht nur auf die schulische Arbeit beziehen sollte, sondern auch auf die offene Jugendarbeit oder die Erwachsenenbildung. Hier gebe es noch viel Luft nach oben. „Man darf ja nicht so tun, als wenn nur die Jungen politik- oder sogar demokratieverdrossen sind. Das ist ein Phänomen, das alle Altersgruppen umfasst“, erklärte er.

Andererseits liege bei der Bevölkerung auch eine gewisse Holschuld, was politische Bildung angeht. „Wenn es Angebote gibt und wir sagen, ‚damit wollen wir nichts zu tun haben‘, dann dürfen wir uns über mangelndes Politik- und leider auch Demokratiebewusstsein nicht wundern“, so Filzmaier.