Gepatsch-Stausee im Kaunertal im Herbst
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Umwelt

Wirksamer Schutz für Gepatschferner verlangt

Vier Umwelt- und Alpinverbände haben bei der Tiroler Landesregierung die Ausweitung des Ruhegebiets „Ötztaler Alpen“ um die Weißseespitze und den oberen Gepatschferner beantragt. Sie stellen sich damit erneut gegen die Pläne zur Erweiterung des Skigebiets Kaunertaler Gletscher. „Kritisch“ sah dies indes Umweltlandesrat René Zumtobel (SPÖ).

Der WWF Österreich, der Österreichische Alpenverein, der Deutsche Alpenverein und die Naturfreunde Österreich fordern die Unterschutzstellung der „größten zusammenhängenden Gletscherfläche Österreichs rund um die Weißseespitze und den oberen Bereich des Gepatschferners“, wie es in einer Aussendung am Donnerstag hieß. Damit stellen sich die vier Naturschutzverbände klar gegen die bekanntgewordenen Pläne, das Skigebiet Kaunertaler Gletscher auf große Bereiche des Gepatschferners zu erweitern, wie in einer Aussendung bekanntgegeben wurde.

Lebensraum für bedrohte Tiere und Pflanzen

Zusammen mit dem Kesselwandferner bildet der Gepatschferner die größte zusammenhängende Gletscherfläche Österreichs. Aufgrund der großen unbeeinflussten und zusammenhängenden Fläche ohne Zerschneidungen ist es laut WWF eines der wenigen Gebiete in den Alpen, die dem Charakter einer Wildnis am nächsten kommen. „Diese großen zusammenhängenden Ökosysteme sind für die teils bedrohten Tier- und Pflanzenarten insbesondere in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise von großer Bedeutung – und werden in Zukunft noch bedeutender sein“, wurde WWF-Programmleiterin Hanna Simons in einer Aussendung zitiert.

Die Pläne zur skitechnischen Erschließung des oberen Gepatschferners würden „Zukunftsperspektiven für einen naturnahen Tourismus verbauen“, stimmte DAV-Präsident Roland Stierle mit ein.

Wegen Gletscherschmelze jährliche Eingriffe nötig

Für die vier Naturschutz- und Alpinorganisationen ist eine Neuerschließung von Gletscherflächen in der heutigen Zeit nicht vertretbar. „Die Gletscherzungen in Österreich ziehen sich im Schnitt jedes Jahr um 20 bis 30 Meter zurück. Selbst in den allerhöchsten Lagen der Alpen – also dort, wo normalerweise die Gletscher Nachschub in Form von Schnee bekommen und wachsen sollten – nimmt die Dicke der Gletscher ab, und die Gletscherflächen sacken ab“, begründete der scheidende Präsident des Österreichischen Alpenvereins, Andreas Ermacora, noch einmal die Schutzwürdigkeit der Eisflächen.

Im Zeitraum von 1999 bis 2019 hat der Gepatschferner über die gesamte Fläche gemittelt 17 Meter an Eismächtigkeit verloren, das entspricht etwa 80 Zentimetern pro Jahr – mehr dazu in Gletscherschmelze setzt sich weiter fort. „Durch die ständigen Landschaftsveränderungen wäre es mit dem Liftbau alleine also nicht getan. Jeden Sommer wären Eingriffe und technische Maßnahmen auf dem Gletscher und in den Randbereichen nötig, um überhaupt eine Pistenpräparierung und Skibetrieb im Winter zu ermöglichen. Dann heißt es Dauerbaustelle statt Naturerlebnis“, sagte Ermacora.

Landesrat Zumtobel: „Sehe ich kritisch“

Sehr reserviert hingegen die Reaktion von Landesrat Zumtobel (SPÖ) gegenüber der APA. „Den Vorschlag, die Schutzgebiete im offenkundigen Widerspruch mit einem bestehenden Raumordnungsprogramm nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz zu erweitern, sehe ich kritisch. Es sollte nicht Aufgabe der Schutzgebietsplanung, als Teil der alpinen Raumordnung, sein, geltende raumordnungsrechtliche Verordnungen zu konterkarieren“, betonte der SPÖ-Politiker. Es sei ihm „wichtig, dass derartige Vorhaben sorgfältig von der Behörde und den Fachleuten auf Basis von Projektunterlagen und ohne Zurufe von außen geprüft werden“, wurde Zumtobel deutlich.

Ausnahmefläche im Hochgebirge

Was die Ausbaupläne auf dem Kaunertaler Gletscher betrifft, sind dort eine neue Bahn und 13 Hektar neue Pisten vorgesehen. Wie die „Tiroler Tageszeitung“ berichtete, werde wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig sein. Bis Februar soll eine endgültige Entscheidung fallen.

Nicht nur dass das Gebiet noch nicht unter Schutz gestellt wurde, wird von den Umweltschutz- und Alpinorganisationen stark kritisiert, sondern auch dass es explizit als Ausnahmefläche für eine mögliche Skigebietserschließung raumplanerisch freigegeben wurde. Vor allem weil direkt angrenzende Bereiche aufgrund einzigartiger naturräumlicher Gegebenheiten europarechtlich und durch die Tiroler Schutzgebietskategorie „Ruhegebiet“ streng geschützt seien, hieß es in der Aussendung.

Laut dem Antrag der vier Alpin- und Umweltschutzorganisationen an die Tiroler Landesregierung soll das Gebiet von rund 3,3 Quadratkilometer Fläche östlich der 3.518 Meter hohen Weißseespitze mitsamt der höchsten Gletscherflächen des Gepatschferners im hinteren Kaunertal in das direkt angrenzende Ruhegebiet „Ötztaler Alpen“ für einen dauerhaften Schutz integriert werden.