Eine Ionenfalle für einen Quantencomputer von Alpine Quantum Technologies (AQT)
AQT/Dieter Kühl
AQT/Dieter Kühl
Wissenschaft

Energiesparender Quantencomputer aus Tirol

Der leistungsstärkste Quantencomputer Europas stammt von einem Innsbrucker Start-up-Unternehmen. Nun wurde er erstmals nach Deutschland verkauft und soll dort die Forschung vorantreiben. Es ist ein besonders energiesparendes Modell, das keine spezielle Kühl- oder Energieinfrastruktur benötigt.

Während manch anderer Quantencomputer auf minus 270 Grad Celsius heruntergekühlt werden muss, arbeitet der Innsbrucker Quantencomputer der Firma Alpine Quantum Technologies (AQT) bei Raumtemperatur. Er ist dadurch besonders energieeffizient. Sein Stromverbrauch entspricht ungefähr dem eines Wasserkochers.

„Es ist das gleiche Prinzip, das man aus der Thermoskanne kennt“, erklärte der Geschäftsführer des Start-up-Unternehmens, Thomas Monz. „Unser Prozessor ist in einer Vakuumapparatur. Das Vakuum sorgt dafür, dass das Innenleben sehr gut isoliert ist. Wir haben sozusagen die weltbeste Thermoskanne für einen Quantenprozessor.“

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Start-Ups Alpine Quantum Technologies (AQT)
ORF Tirol
Über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten für das Innsbrucker Start-up

Das Start-up Alpine Quantum Technologies (AQT) wurde 2018 vom Experimentalphysiker Rainer Blatt, dem theoretischen Physiker Peter Zoller und Thomas Monz gegründet. Das Unternehmen entwickelt Hardware für das Quantencomputing und konzentriert sich auf Technologien, die auf Ionenfallen und Laser basieren. Man arbeitet eng mit der Universität Innsbruck zusammen. Viele der Angestellten sind Absolventinnen und Absolventen der Universität Innsbruck.

Qubits

Das Qubit (oder Quantenbit) ist die kleinste Rechen- und Informationseinheit eines Quantencomputers. Im Gegensatz zur kleinsten Informationseinheit eines konventionellen Computers (Bit), die nur zwei Zustände (0 und 1) einnehmen kann, kann ein Qubit mehrere Zustände gleichzeitig annehmen.

Qubits können auf verschiedene Weise erzeugt werden, etwa mit Ionen, Atomen, Photonen oder supraleitenden Schaltkreisen.

Leistungsstärkster Quantencomputer Europas

Mehrere Unternehmen, sowohl kommerzielle als auch akademische, arbeiten an der Realisierung von Quantencomputern und verwenden dabei sehr unterschiedliche physikalische Plattformen, was es schwierig macht, Quantencomputer untereinander zu vergleichen. International hat man sich auf den sogenannten „Quantum Volume-Wert“ geeinigt, um die Leistungsfähigkeit von Quantensystemen zu charakterisieren. Mehrere Faktoren und komplexe Berechnungen bestimmen das Quantum Volume.

Mit einem Quantum Volume-Wert von 128 hat das Innsbrucker Unternehmen AQT einen Europa-Rekord gebrochen. Die Firma hat somit den leistungsstärksten Quantencomputer Europas entwickelt. Zur US-amerikanischen Konkurrenz besteht bei diesem Wert allerdings noch eine große Lücke. Den internationalen Rekord hält das US-amerikanische Unternehmen Quantinuum mit einem Wert von 524.288. Der Tiroler Quantencomputer sei dafür im Vergleich zu einigen US-Konkurrenz-Modellen rund 100 Mal schneller, meint Thomas Monz. Das Innsbrucker System arbeitet mit Qubits (siehe Infobox) aus elektrisch geladenen Atomen (Ionen), die in Fallen eingefangen und mit Laserstrahlen manipuliert werden.

Thomas Monz, Geschäftsführer von Alpine Quantum Technologies (AQT)
ORF Tirol
Geschäftsführer Thomas Monz: „Mit dem Quantencomputer überholen wir noch nicht herkömmliche Computer. Wir haben den Blinker eingelegt, aber wir sind noch nicht vorne.“

Meilenstein für die Quantencomputer-Forschung

Der Tiroler Quantencomputer wird in Kürze im Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften stehen. Finanziert wurde der Kauf von den Bayerischen Staatsministerien für Wissenschaft und Kunst sowie für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie mit rund 9,8 Millionen Euro. Der Auftrag sei ein Meilenstein, freut man sich in Innsbruck, denn das System von AQT sei damit der allererste österreichische Quantencomputer, der verkauft wurde, und eine Bestätigung dafür, dass sich die Forschung auszahlt.

In München wird der Quantencomputer vorrangig für Forschungszwecke im Bereich Systemsoftware verwendet. Ziel sei es, Systemsoftware und Programmierumgebungen zu implementieren. Außerdem soll der Quantencomputer zur Beschleunigung in die Hoch- und Höchstleistungs-Computer des Leibniz-Rechenzentrums integriert werden.

Ein Quantencomputer von Alpine Quantum Technologies (AQT)
ORF Tirol
Der Quantencomputer des Innsbrucker Start-up-Unternehmens Alpine Quantum Technologies ist der leistungsstärkste Europas

Technologie noch ganz am Anfang

Auch wenn Forschungsteams weltweit schon Quantencomputer nutzen und dafür erste Applikationen programmieren, bis sie wirklich in der Praxis eingesetzt werden können, wird es noch ein paar Jahre dauern. Aktuell wird vor allem damit geforscht, denn die jetzigen Quantencomputer schaffen es noch nicht wirklich, die schnellsten Computer der Welt zu überholen. „Wir haben den Blinker eingelegt, aber wir sind noch nicht vorne“, so Thomas Monz von AQT. In Zukunft sollen Quantencomputer aber Berechnungen durchführen können, für die klassische Computer viel zu lange brauchen würden.

Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Tatsächlich gehe es jetzt vor allem darum, zu lernen, mit der neuen Technologie umzugehen, meint Monz. „Es sind die Lehrjahre und nicht die Herrenjahre der Quantencomputer. Wenn in ein paar Jahren die Systeme merklich besser sind, dann werden die, die die Lernzeit hineingesteckt haben, einen strategischen Vorteil gegenüber denen haben, die sich noch zurücklehnen und warten.“

Ein Quantencomputer von Alpine Quantum Technologies (AQT) in zwei standardisierten 19-Zoll Schränken
AQT/Dieter Kühl
Der Quantencomputer von AQT passt in 19-Zoll-Schränke wie diese, die in Serverräumen üblich sind

Modularer Aufbau erleichtert Reparaturen

Eine weitere Besonderheit des Quantencomputer-Modells von AQT ist, dass es modular gebaut wurde. Das gesamte Quantensystem aus Ionenfalle, Laser- und Kameraeinheit plus Steuerelektronik passt in zwei 19-Zoll-Racks, wie sie in Rechenzentren üblich sind. Es ist damit mit der bestehenden Infrastruktur und den Installationen in Rechenzentren kompatibel.

„Normalerweise sind diese verschiedenen Komponenten auf großen optischen Tischen im Labor verteilt. Das ganze in so ein Schranksystem zu komprimieren ist wirklich sehr komplex. Wir haben es geschafft“, ist Christian Sommer, Techniker bei Alpine Quantum Technologies, stolz. „Wir waren mit der Idee die ersten, das ist auch dokumentiert“, fügt Thomas Monz hinzu. „Mittlerweile gibt es Nachahmer, die diesen österreichischen Ansatz – mit dem Schrank und modular – auch verwenden wollen.“ Der Vorteil: Wenn die Forschung voranschreitet können dadurch einzelne Teile leicht ausgetauscht und repariert werden.