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Wissenschaft

CoV-Infektion: Studie zu Immunüberreaktion

In einer Studie haben Tiroler Forscher die überschießende Immunreaktion bei Coronavirus-Infektionen unter die Lupe genommen. Körpereigene Fresszellen bzw. das daran andockene Spike-Protein des Virus wurden dabei als Auslöser identifiziert – eine Grundlage für die Suche nach wirksamen Antikörpern.

In Folge einer Ansteckung mit dem Coronavirus werde unter Umständen nach rund fünf bis sieben Tagen eine so starke Entzündungsreaktion ausgelöst, dass es zum Lungenversagen kommt, schildert einer der Studienautoren, der Pneumologe Ivan Tancevski, Pneumologe an der Medizinischen Universität Innsbruck, den Ausgangspunkt für die Studie: „Uns hat schon lange interessiert, wie SARS-Viren diese überschießende Immunantwort hervorrufen und solche Schäden verursachen können“. Eine Schlüsselrolle nehmen dabei sogenannte Fresszellen (Makrophagen) in der Lunge ein.

„Wir besitzen in der Lunge nicht nur Zellen zum Atmen, sondern auch diese Entzündungszellen“, führt Tancevski im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA) aus. Diese fressen laut dem Forscher vereinfacht gesagt alles, was in die Lunge kommt und nicht dorthin gehört. Im Falle einer Infektion würden Botenstoffe freigesetzt, die eine Entzündung melden. Bei SARS-CoV-2, allgemein als Coronavirus bezeichnet, komme es jedoch zu einer überschießenden Entzündungsreaktion. „Es wird Gewebe zerstört, obwohl vielleicht fast kein Virus mehr vorhanden ist“, so Tancevski. Eine vergleichbare Reaktion könne bei einer Sepsis, einer Blutvergiftung, beobachtet werden.

Mechanismus für überschießene Immunreaktion

„Das passiert nur, weil die Viren das bekannte Spike-Protein auf der Oberfläche haben, dem das Coronavirus auch seinen Namen zu verdanken hat“, erklärte der Forscher. Gäbe es das nicht, wäre eine normale Virenreaktion zu erwarten. Mit dem Spike-Protein docken die Viren an den Entzündungszellen in der Lunge an und lösen die überschießende Immunreaktion aus: „Weil es in der Lunge beginnt, kommt es zu einem Lungenversagen“. Um diese Reaktion zu beobachten, habe das Team um Erstautorin Sabina Sahanic, den Infektiologen Günter Weiss, Direktor der Uni-Klinik für Innere Medizin II, und Tancevski das Spike-Protein im Labor hergestellt und Reaktionen gezielt ausgelöst.

Ein Behandlungszimmer der Intensivstation am Krankenhaus Zams
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Die Überreaktion bei CoV-Infektionen hat vor allem in den ersten Pandemiejahren zu schweren Krankheitsverläufen geführt

Zudem wurden Versuche mit lebenden SARS-CoV-2 Viren durchgeführt. Darin zeigte sich, dass das sich je nach Variante verändernde Spike-Protein im Übrigen auch für die mildere Reaktion verantwortlich sei. Die Mutationen von Alpha über Delta und Omikron hätten das Virus immer „weniger aggressiv gemacht“, wie im Laufe der Pandemie auch gehofft wurde. Auch hier würden die Entzündungszellen in der Lunge eine Erklärung bieten.

Ansatz für Behandlungsmethoden mit Antikörpern

Auch wurden im Rahmen der Studie Lungenproben von an unterschiedlichen Krankheiten verstorbenen Patienten untersucht, die etwa an Influenza, Covid-19 oder einer Lungenentzündung erkrankt waren. In allen Fällen sei ein bestimmter Rezeptor (Toll-like Receptor 4) im Übermaß vorhanden gewesen. „Normalerweise sollten Viren aber einen anderen Rezeptor (bspw. Toll-like Receptor 3, Anm.), aktivieren“, so Tancevski. Werde die Nummer 4 aktiviert, werde eine Reaktion ausgelöst, als ob es sich um Bakterien handle.

Die Erkenntnisse würden nun bei der Suche nach neuartigen Therapien unterstützen. Es würden bereits Firmen an entsprechenden Antikörpern arbeiten, so Tancevski. Bei Antikörpern, die den genannten „Toll-like Receptor 4“ blocken, sei dabei bereits eine Reduktion von Todesfällen durch Covid-19 nachgewiesen worden. „Wir erwarten uns einen großen Einsatzbereich auch bei der Therapie von Lungenversagen und Sepsis“, schloss der Mediziner.