Gemälde von Eric Fischl
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KULTUR

Warhol & Co.: Sammler öffnet sein Lager

Der Kunstsammler und Wahlseefelder Rafael Jablonka öffnet sein bisher geheim gehaltenes, privates Kunstlager in Seefeld. In seiner millionenschweren Sammlung befinden sich Werke von Joseph Beuys, Damien Hirst und Andy Warhol. Jablonka holte seine Dauerleihgabe aus der Wiener Albertina nach Tirol zurück.

Jablonka ist gerade dabei, die 400 Werke, die er aus der Wiener Albertina zurück nach Tirol geholt hat, in seinem privaten Kunstlager in Seefeld neu in Szene zu setzen. Der 71-jährige deutsche Ex-Galerist und Kunstsammler bewegt sich zwischen Holzkisten, fragilen Skulpturen und empfindlichen Gemälden. Ein Team von Kunsttransporteuren und Tischlern unterstützt ihn beim Aufhängen der Bilder. Der Bauingenieur und Kunsthistoriker misst gerne mit der Wasserwaage nach, ob auch alles im Lot ist.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Jablonka
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Der Kunstsammler Rafael Jablonka will vor allem, dass seine Kunst sichtbar ist
Jablonka
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In den letzten Wochen fuhren mehrere Kunsttransporter mit wertvoller Ware von Wien nach Tirol
Ross Bleckner Gemälde
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Ein Gemälde des New Yorker Künstlers Ross Bleckner bekommt einen neuen Platz im Schaulager
Philip Taaffe
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„Gruppe von Märtyrern“ lautet der Titel des Gemäldes von Philip Taaffe

„Ich bin kein Milliardär, ich habe Kunst“

Jablonka schöpft aus dem Vollen und hat die Qual der Wahl. Welches seiner Werke soll er wo platzieren, welche Inhalte kombinieren, welche neuen Geschichten mit den unterschiedlichen Werken erzählen? Dem Kunstexperten geht es um subtile Anregungen und nicht um plakative Botschaften. Für Kunst sei der Dialog mit dem Betrachter entscheidend, sagt Jablonka. Darum hält er auch nichts davon, wenn Kunst in Kisten aufbewahrt wird.

Jablonka
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Jablonka hat die Qual der Wahl. In seinem neuen Schaulager in Seefeld kann er nur einen Bruchteil seiner Schätze zeigen.

Auf der Fläche von 500 Quadratmetern kann er nur einen Bruchteil seiner umfangreichen Sammlung im neuen Schaulager zeigen. Auf die Frage, wie viele Kunstwerke er besitze, schmunzelt Jablonka nur. Über Stückzahlen und Preise spricht er nicht. Sein Kapital ist Kunst, könnte man frei nach Beuys formulieren. „Ich bin kein Milliardär, alles, was ich habe, ist Kunst“, sagt Jablonka dazu.

Joseph Beuys
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„Zwei polnische Milchflaschen“ von Joseph Beuys

Zwei Milchflaschen von Joseph Beuys

„Don’t touch it!“, ruft der Sammler seinen Mitarbeitern zu, die gerade dabei sind, zwei Glasflaschen mit der Signatur von Beuys auszupacken. Die zwei gewöhnlichen, polnischen Milchflaschen hat Beuys 1982 von seiner Reise nach Polen mitgebracht, zu einer Installation verarbeitet und signiert. Die Arbeit hat der Künstler dem damals jungen Jablonka geschenkt, mit den Worten: „Nimm das, Junge!“

Er habe auch Warhol einmal in seinem Atelier in New York getroffen, erzählt Jablonka nicht ohne Stolz. Behutsam stellt er die zwei mit rotbraunen Kreuzen bemalten Milchflaschen in einen kleinen Metallkasten an der Wand. „Hält das?“ und „That’s it!“. Als Sammler hat er das Privileg, seine Kunst ohne Handschuhe anzugreifen.

Sammlung Jablonka
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Links ein Gemälde von Andy Warhol, rechts ein sitzender Christus, in der Mitte wird eine Installation von Joseph Beuys montiert

Jeder Raum erzählt eine andere Geschichte

Einer der neuen Räume im Schaulager ist nachdenklichen Themen gewidmet. Jablonka stammt ursprünglich aus dem kommunistischen und zugleich auch katholischen Polen. Die polnischen Parteibonzen hätten damals auch ihre Kinder taufen lassen, erzählt er. „Die einen sagten Gott ist Stalin, die anderen sagten Gott ist im Himmel.“ Seine Mutter sei in die Kirche gegangen, er habe sie manchmal begleitet. Heute habe er mit Religion nichts am Hut.

Spiritualität spiele in der zeitgenössischen Kunst eine große Rolle. Es gebe eine überrationale Ebene in der Kunst, die man verbal nicht vermitteln könne. Die Kunst habe eine eigene Sprache, auf die man sich einlassen müsse.

Der Malerei „zuhören“

Der Kunstexperte zitiert Peter Handke, der meint, man solle der Malerei auch lauschen. Jablonka findet: „Das ist nicht, wie wenn man eine Straßenbahn vorbeifahren hört. Das ist etwas ganz anderes. Dieses Geräusch kann man mit Worten nicht beschreiben. Man sollte der Malerei mit allen Sinnen begegnen, ihr auch manchmal einfach nur zuhören.“ Das genaue Hinhören sei wichtig, allerdings nicht auf das, was die anderen sagen, sondern auf das, was das Bild sage.

Martyr Group, 1983
Mixed media on canvas
104 x 104 inches (264 x 264 cm)
Albertina Wien, Sammlung Jablonka
„Martyr Group“ von Philip Taaffe, 1983

Berührende Werke

Das Bild „Martyr Group“ von Philip Taaffe spielt auf die Aids-Toten der 1980er Jahre an. Der US-amerikanische Künstler hat Zielscheibenfiguren mit goldenen Heiligenscheinen versehen. Warhols Arbeit mit weißen Kreuzen auf schwarzem Grund hängt vis-a-vis von „Napalm Victim“, einer Fotografie von Richard Avedon.

Avedon Richard (nicht verwenden)
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„Napalm Victim“ von Richard Avedon

Der eigentlich auf Mode und Porträts von Prominenten spezialisierte Fotograf war 1971 in Vietnam und hat Opfer des Krieges eindrücklich festgehalten. Eine Vietnamesin hält sich die Hand vor ihr durch Napalm entstelltes Gesicht. „Als ich dieses Bild zum ersten Mal gesehen habe, musste ich weinen“, erzählt Jablonka. Eine Christusfigur beobachtet das zeitgenössische Treiben, eine originelle Mischung.

Maler Erich Fischl ist ein Geschichtenerzähler

Der angrenzende Raum ist optimistischer gestaltet, jedenfalls auf den ersten Blick. Auf dem Selbstporträt von Jasper Jones duftet ein Zweig nach Frühling. Eric Fischl spielt virtuos mit seinen gewohnt kräftigen Farben. Der New Yorker Maler seziert die Doppelbödigkeit der amerikanischen Mittelschicht, die er am eigenen Leib erfahren hat. Die Alkoholsucht der Mutter wurde von der Vorgartenidylle kaschiert.

„Catboy“ zeigt einen kleinen Buben, der sich in einem großen Plüschkostüm versteckt. Ängstlich lugt er heraus. Jeder Betrachter sieht eigene Geschichten in diesen Bildern. Fischl malte am Beginn seiner Karriere abstrakt. Heute ist er ein großer Geschichtenerzähler.

Eric Fischl
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Die Arbeit „Catboy“ des New Yorker Malers Eric Fischl besteht aus mehreren Leinwänden

Leidenschaftlicher Sammler

Der 71-jährige Jablonka kann stundenlang über Kunst sprechen. Seine Kondition ist schier endlos. „Wie Eric Fischl den weißen Hintergrund neben diesem schwarzen Diaprojektor gemalt hat. Wer weiß heute überhaupt noch, was ein Diaprojektor ist? Die Virtuosität des Pinselstrichs erinnert an die großen Impressionisten wie Manet und Matisse. Das gelingt heute keinem anderen so wie Fischl. Diese pastose Fläche neben dem Paar, das gerade Sex hat, die schaut sich natürlich keiner an, aber die ist genial gemalt. Beim Hinschauen hört man geradezu, wie der Pinsel über die Leinwand streicht.“

Eric Fischl
Albertina Wien, Sammlung Jablonka
Eric Fischl gibt dem Betrachter die Rolle des Voyeurs

Deal mit Albertina ist geplatzt

In den letzten Wochen fuhren einige Kunsttransporter von Wien nach Tirol. Dass seine Bilder aus der Wiener Albertina wieder zurück in Tirol sind, stürzt den leidenschaftlichen Sammler in ein Wechselbad der Gefühle. „Ich bin froh, dass die Bilder wieder da sind, aber ich bin auch traurig, dass sie nicht mehr dort sind“, versucht er, seine Stimmung zu beschreiben. „Ich war auch traurig, als meine Sammlung vor vier Jahren nach Wien abtransportiert worden ist.“

„Kapitale“ Sammlung

2019 schien die Lösung perfekt. 400 Werke gingen als Dauerleihgabe an das renommierte Museum Albertina nach Wien. Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder lobte die Sammlung als „kapital“ und freute sich, dass er und kein deutsches Museum den Coup an Land gezogen hatte.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Albertina
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Der Sammler Rafael Jablonka bekam von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder 2020 freie Hand beim Kuratieren
Richard Deacon
Albertina Wien, Sammlung Jablonka
Monumentale Skulptur von Richard Deacon in der Albertina
Albertina
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In der Ausstellung „My Generation“ wurden Highlights der Sammlung Jablonkas in der Albertina gezeigt
Albertina
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Ein monumentales Musterbild des US-Amerikaners Philip Taaffe
Slominski
Albertina Wien, Sammlung Jablonka
Das „Fahrrad eines Obdachlosen“, eine Skulptur von Andreas Slominski
Mike Kelley
Albertina Wien, Sammlung Jablonka
Die gruseligen, aus gefundenen, ausgestopften Stofftieren zusammengenähten Frankensteinpuppen von Mike Kelley

Ausstellung „My Generation“

In der Ausstellung „My Generation“ wurden 2020 die Highlights der Sammlung sechs Monate lang im Haupthaus der Albertina auf zwei Etagen präsentiert, die monumentalen Musterbilder von Taaffe und die kritischen Gesellschaftsstudien von Fischl. Die angsteinflößenden, aus gefundenen Stofftieren zusammengenähten Frankensteinpuppen von Mike Kelley behaupteten sich neben den ironischen Skulpturen von Sherrie Levine. Die US-Amerikanerin stellt Ikonen der Kunstgeschichte lustvoll infrage. Ein Beispiel ist das vergoldete Pissoir, mit dem sie auf Marcel Duchamp anspielt.

Sherrie Levine Buddha
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Die US-amerikanische Künstlerin Sherrie Levine ironisiert Ikonen der Kunstgeschichte, etwa das Pissoir von Marcel Duchamp

Schluss der Vorstellung

Nach drei Ausstellungen, unter anderem mit Fotografien des gefragten Japaners Nobuyoshi Araki, landete die Sammlung Jablonka im Essl-Depot in Klosterneuburg. Keine weiteren Aktivitäten waren geplant. Der Sammler war nicht erfreut. „Meine Bilder sollen nicht in der Sammlung Essl untergehen“, runzelt er die Stirn. Ist da auch verletzte Eitelkeit im Spiel? Er sei nicht eitel genug, um beleidigt zu sein, erklärt der Sammler seine Befindlichkeit, er sei enttäuscht, aber nicht verärgert.

Nobuyoshi Araki
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Die Ausstellung von Nobuyoshi Araki in der Albertina Modern wurden mit Leihgaben von Jablonka bestückt

Einvernehmliche Trennung

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder betont, der Vertrag sei einvernehmlich aufgelöst worden. Jablonka hätte sich eine permanente Präsentation einiger Werke in der Dauerausstellung der Albertina gewünscht. Diesen Wunsch hätte man dem Sammler nicht erfüllen können.

Seit 2019 habe sich einiges geändert, erklärt Schröder. Die Albertina habe 2023 einige hochkarätige Schenkungen im Wert von 58 Millionen Euro erhalten, so Schröder wörtlich, darunter seien Werke von Robert Longo und Georg Baselitz. Diese Schenkungen würden sich auch eine Präsentation erwarten. Daher müsse eine Dauerleihgabe zurückstecken.

Klaus Albrecht Schröder, Generaldirektor der Albertina
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Albertina-Direktor Schröder spricht von einer einvernehmlichen Vertragsauflösung

„Wir haben schon für unsere ureigenen Sammlungen zu wenige Ausstellungsflächen. Wäre uns die Sammlung Jablonka als Schenkung gegeben worden, dann würde man sehen, wie hoch ich ihren kunsthistorischen Stellenwert einstufe, nämlich sehr hoch. Wir hätten sicher mit dieser Sammlung sehr viel mehr gearbeitet. Aber es sollte ja keine Schenkung sein, sondern nur eine Leihgabe.“

Kunst soll sichtbar sein

Der 71-jährige Sammler will nicht, dass seine in den letzten Jahrzehnten zusammengetragene Sammlung im Depot verschwindet: „Das Problem der Albertina ist der Raum. Es gibt keinen Raum, um meine Sammlung in Ausschnitten zu präsentieren. Ich brauche kein Lager, das habe ich selber in Tirol. Ich will, dass meine Kunst sichtbar ist.“

Rafael Jablonka
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Der Kunstsammler Jablonka präsentiert seine Werke ab Jänner in seinem privaten Schaulager in Seefeld

Öffentliches Schaulager

In seinem bisher geheim gehaltenen Lager in Seefeld hat Jablonka nun mehrere Räume adaptiert. Dort will er ab Jänner Führungen anbieten.

Zu Führungen kann man sich über den Verein KIS – Kunst in Seefeld anmelden.

Bereits bisher wurden in der alten Feuerwehrhalle in Seefeld immer wieder Kostproben seiner Sammlung gezeigt, etwa die „Jüdischen Porträts“ von Warhol. Demnächst wird bei Kunst in Seefeld die Ausstellung der Schweizer Malerin Pia Fries eröffnet.

Kunst in Seefeld in der Feuerwehrhalle
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In der adaptierten alten Feuerwehrhalle in Seefeld zeigte Jablonka schon bisher Kostproben seiner Schätze

Wohin mit der Sammlung?

Seefeld sei nur eine Zwischenstation, meint der Sammler, der nach einer fixen Bleibe sucht. „Ich glaube nicht, dass der Seefelder Bürgermeister vorbeikommt und mir anbietet, hier ein Museum für Moderne Kunst zu eröffnen, das ist ja nicht einmal in Innsbruck möglich“, poltert er.

Im Tiroler Volkskunstmuseum in Innsbruck war vor Kurzem eine Schau mit Jablonkas Fotografien von David La Chapelle zu sehen. Eine längerfristige Zusammenarbeit mit den Tiroler Landesmuseen ist derzeit nicht geplant. Dort hat man andere Prioritäten. „Mir ist es eigentlich egal, wohin die Sammlung kommt. Wenn jemand aus den Emiraten ein Museum für mich baut, würde ich es auch annehmen“, scherzt Jablonka, „Hauptsache, meine Sammlung bleibt auf der Erde.“